Hamburg. Der Energiekonzern will das Netz nicht vor einer EU-Prüfung herausgeben. Grüne: „Vattenfall ist kein verlässlicher Partner.“
Die überraschende Weigerung von Vattenfall, das Fernwärmenetz wie nach dem Volksentscheid von 2013 vertraglich vereinbart an die Stadt zu verkaufen, hat für Empörung gesorgt. Wie das Abendblatt exklusiv berichtet hatte, hält Vattenfall die Verträge für nichtig, solange die EU den Fall nicht geprüft habe. Hintergrund: Die Stadt müsste den 2014 vereinbarten Mindestpreis von 950 Millionen Euro zahlen, obwohl das Netz laut neuerem Gutachten nur noch 645 Millionen Euro wert ist. Die daraus resultierende Überzahlung könne als Beihilfe gewertet werden und müsse von der EU genehmigt werden, schrieb Vattenfall an die Stadt.
Das Unternehmen versuche den „ohnehin engen Zeitplan für die Übernahme in die öffentliche Hand zu Fall zu bringen“, sagte BUND-Chef Manfred Braasch. „Das Beihilfe-Thema ist nicht neu, die Unternehmensbewertung ist nicht neu. Dass Vattenfall erst jetzt kurz vor der Einigung in der rot-grünen Koalition diese Karte zieht, kann nur als verzweifelter Versuch gewertet werden, den Rückkauf doch noch zu verhindern. Der Senat muss in jedem Fall jetzt die Kaufoption ausüben.“ SPD-Finanzsenator Andreas Dressel müsse sich „klar zur Beihilfe-Problematik äußern“, so Braasch. Dass das Vattenfall-Schreiben erst auf Wunsch Dressels verfasst worden sei, lasse ein „abgestimmtes Vorgehen“ zwischen SPD-Finanzsenator und dem Energiekonzern vermuten und sei „äußerst irritierend“.
Grünen-Fraktionschef Tjarks sagte: „Dieser Winkelzug von Vattenfall zeigt: Das Unternehmen will nicht vertragstreu sein und ist kein verlässlicher Partner.“ Hamburg könne sich darauf verlassen, „dass wir alle rechtlichen Maßgaben auf Herz und Nieren prüfen. Darum kümmern wir uns selbst. Dafür brauchen wir Vattenfall nicht.“ Linken-Umweltpolitiker Stephan Jersch sprach von einem „erbärmlichen Manöver“ Vattenfalls „auf Kosten der Hamburger, der Umwelt und der Demokratie“.
CDU und FDP kritisieren Senat
SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf sagte: „Für uns ist klar, dass der Volksentscheid umgesetzt und die Fernwärme bezahlbar bleiben muss. Deshalb führen wir intensive Gespräche. Wir hoffen, dass sich am Ende die Vernunft durchsetzt. Es ist im Sinne aller Beteiligten, dass wir konstruktive Verhandlungen führen.“
CDU und FDP dagegen kritisierten den Senat. „Auch bei der Klärung aller rechtlichen Fragen scheint dieser Senat in einen Dornröschenschlaf gefallen zu sein“, sagte CDU-Umweltpolitiker Stephan Gamm. „Seine Untätigkeit gefährdet die Umsetzung des Volksentscheids und kann zu einer weiteren Verlängerung der seit Jahren bestehenden Planungsunsicherheit führen.“ FDP-Fraktionschef Michael Kruse warf Umweltsenator Jens Kerstan vor, er habe „die Rekommunalisierung schlampig vorbereitet“. Netzrückkauf und Zukunft der Fernwärme seien bei ihm in schlechten Händen.
Für Gutachten zum Fernwärmerückkauf hat der Senat laut Antwort auf eine FDP-Anfrage und einem NDR-Bericht bereits 2,5 Millionen Euro ausgegeben. Gemessen am Wert der Transaktion bewegten sich die Kosten für die Gutachten im Promillebereich, hieß es dazu aus der Umweltbehörde. Das könne man gut vertreten.