Hamburg. Eine Umfrage der Befürworter zeigt: Mehr als 50 Prozent würden sogar einen überteuerten Preis akzeptieren.

Eine deutliche Mehrheit der Hamburger ist für den vollständigen Rückkauf des Fernwärmenetzes zum bevorstehenden Jahreswechsel. Das jedenfalls hat eine Umfrage im Auftrag der Energienetz Hamburg und der GLS Treuhand in Kooperation mit dem Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) ergeben. Demnach sind 73 Prozent der Hamburger für den Rückkauf, immerhin noch 56 Prozent plädieren selbst bei einem höheren Kaufpreis dafür, wenn damit „positive Effekte“ verbunden seien.

Hintergrund der Umfrage, bei der laut BUND zwischen 12. und 20. September vom Institut GESS 1003 repräsentativ ausgewählte Hamburger befragt wurden, ist die jetzt anstehende Entscheidung. Bis 30. November hat der Senat die Option, das gesamte Fernwärmenetz vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall zurückzukaufen – und damit den Volksentscheid zum Rückkauf der Energienetze von 2013 auch im letzten Punkt umzusetzen. Damals entschieden sich die Hamburger mit knapper Mehrheit für den Rückkauf von Strom,- Gas- und Fernwärmenetz. Strom- und Gasnetz sind bereits wieder in städtischer Hand.

Senat müsste Fernwärmenetz weit überteuert kaufen

Für die Fernwärme hatte der damalige SPD-Alleinsenat Anfang 2014 die Rückkaufoption zum Jahresbeginn 2019 mit Vattenfall ausgehandelt. Dabei garantierte er dem schwedischen Konzern für das gesamte Netz, an dem Hamburg heute bereits mit 25,1 Prozent beteiligt ist, einen Mindestpreis von 950 Millionen Euro. Allerdings sind die Fernwärmeleitungen und -anlagen nach einem Gutachten aus dem Frühjahr 2018 den Mindestpreis von 950 Millionen Euro längst nicht mehr wert, sondern nur noch 645 Millionen Euro. Die Stadt müsste also weit überteuert kaufen – wenn man ausschließlich den Anlagenwert betrachtet.

Das scheint nach der Umfrage immerhin für eine Mehrheit von 56 Prozent der Hamburger nun kein Hinderungsgrund zu sein, den Volksentscheid umzusetzen. Sie beantworteten jedenfalls die Frage „Würden Sie für die mit dem Rückkauf verbundenen positiven Effekte auch einen höheren Kaufpreis akzeptieren?“ mit Ja - die „positive Effekte“ allerdings etwas suggestiv bereits als sicher voraussetzt. Die Zustimmung zu dieser Frage war bei den Anhängern von SPD, Grünen und Linkspartei laut den vom BUND publizierten Daten besonders hoch. Immerhin 60 Prozent der befragten SPD-Anhänger plädierten in der Befragung für den Rückkauf trotz des hohen Preises, bei den Grünen waren es 68 Prozent und bei der Linkspartei 77 Prozent.

Volksentscheide sollen "konsequent umgesetzt" werden

Laut BUND wurden bei der Umfrage auch nach dem grundsätzlichen Umgang mit Volksentscheiden gefragt. 74 Prozent der Befragten sprachen sich demnach dafür aus, dass Volksentscheide von der Politik „konsequent umgesetzt“ werden sollten. Ebenso viele Hamburger waren demnach der Ansicht, dass die Nichtumsetzung von Volksentscheiden zu „mehr Politikverdrossenheit“ führe. 72 Prozent finden laut der GESS-Befragung, dass „große Energienetz-Infrastrukturen wie die zentrale Fernwärme in die öffentliche Hand“ gehören. Nur eine Minderheit von 31 Prozent der Befragten gab allerdings an, dass eine Nichtumsetzung des Volksentscheides die eigene Wahlentscheidung künftig beeinflussen werde.

„Wir hoffen sehr, dass neben den vielen Sachargumenten für einen Rückkauf der Fernwärme auch das Ergebnis dieser Umfrage im Hamburger Rathaus wahrgenommen wird“, sagte BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch am Montagvormittag bei der Vorstellung der Umfrage. „Eine deutliche Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger will, dass bindende Volksentscheide konsequent umgesetzt werden und die Fernwärme als zentrale Infrastruktur von der öffentlichen Hand betrieben wird.“ Die SPD habe 2013 den Hamburgern die vollständige Umsetzung des Energienetze-Volksentscheides versprochen. Seitdem sei der Bevölkerungsanteil, der sich den Rückkauf wünsche, noch deutlich gestiegen: von 50,9 Prozent im Volksentscheid auf jetzt 73 Prozent in der Umfrage.

Matthias Ederhof von der EnergieNetz Hamburg eG prophezeite am Montag, eine Nicht-Umsetzung des Volksentscheides zum Rückkauf der Fernwärme werde „die Hamburgerinnen und Hamburg vor den Kopf stoßen, die rot-grüne Landesregierung ins Chaos stürzen und sicherlich gravierende Folgen bei den kommenden Bezirks- und Bürgerschaftswahlen haben“.

FDP kritisiert Umfrage als "undifferenziert"

FDP-Fraktionschef Michael Kruse sagte in Reaktion auf die Umfrage: "Es ist grundsätzlich richtig, dass Volksentscheide vom Parlament umgesetzt werden müssen. Es überrascht nicht, dass eine Mehrheit der Bevölkerung dieser Aussage zustimmt." Die Umfrage sei allerdings "in ihrer Undifferenziertheit kein wesentlicher Beitrag zur aktuellen Debatte zum Rückkauf des Fernwärmenetzes", so Kruse. Sie vernachlässige "die hohen Hürden, die Strafrecht und Beihilferecht für das Parlament bedeuten". Kein Volksentscheid der Welt könne Abgeordnete dazu verpflichten, geltendes Recht zu brechen.

"Auch der BUND muss einsehen, dass die Anbindung Moorburgs an die Fernwärme den Rückkauf des Netzes ermöglicht", sagte der FDP-Fraktionschef. "Und deshalb muss der BUND sich entscheiden. Wer gegen den Anschluss Moorburgs arbeitet, arbeitet gegen den Rückkauf der Netze.“

CDU-Umweltpolitiker Stephan Gamm sagte: "Seit der Ermittlung des dramatischen Werteverfalls der Vattenfall Wärme Hamburg GmbH geht es schon lange nicht mehr um die Frage, ob der rot-grüne Senat zurückkaufen soll. Es geht jetzt nur noch um die Frage, ob er angesichts der offenkundigen Rechtsverstöße überhaupt noch zurückkaufen darf. Es handelt sich somit um eine juristische und nicht mehr um eine politische Frage. In diesem Prozess ist daher eine weitere (und teilweise manipulative) Umfrage wenig hilfreich."