Hamburg. Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks: Eigenbeitrag zur Pflege soll eingefroren werden. Vorschlag auch für Betriebsrenten.

Rente, Pflege, Hartz IV: Die SPD besinnt sich derzeit auf die Themen, die sie als ihren Markenkern sieht. Nun kommt aus Hamburg ein Vorschlag, der auf diese Strategie einzahlt. Im Gespräch mit dem Abendblatt forderte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), dass die Bürger bei den Pflegekosten entlastet werden: „Im Moment haben wir die Situation, dass der Anteil der Pflegeversicherung an den tatsächlichen Kosten gedeckelt ist, aber der Eigenanteil der Betroffenen wächst. Das kann nicht so weitergehen. Ich möchte nicht, dass Menschen fast automatisch zu Sozialhilfeempfängern werden und ihnen nur noch ein kleines Taschengeld bleibt, wenn sie pflegebedürftig sind.“

Prüfer-Storcks, die sich bei ihrem Vorstoß mit Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) abgesprochen hat, schlägt eine kleine Revolution in der Sozialversicherung vor. Sie möchte den Eigenanteil der Pflegebedürftigen oder Angehörigen einfrieren. „Alle künftigen Leistungen und Kostensteigerungen sollen durch die Pflegeversicherung abgedeckt werden. Das ist eine Umdrehung des Prinzips, das wir bislang in der Pflege haben.“

"Das Konzept soll so im Gesetzblatt stehen"

Über das Vorgehen ist sich die SPD offenbar noch nicht einig. Prüfer-Storcks brachte sowohl eine Bundesratsinitiative als auch direkte Verhandlungen mit der Union in der Großen Koalition in Berlin ins Gespräch. „Ich mache ungern Schaufensterpolitik, bei der ein Antrag herausgepustet wird, anstatt eine inhaltlich und politisch tragfähige Lösung anzubieten. Das Konzept, das wir ausarbeiten, soll hinterher möglichst so im Gesetzblatt stehen.“

Das wird schwierig, denn der Vorschlag würde bedeuten, dass die Beiträge zur Pflegeversicherung weiter steigen. Sie werden von Arbeitnehmern und Arbeitgebern – und Rentnern – gleichsam geschultert. Dass die Beiträge wegen der Alterung der Deutschen und der absehbar geringeren Zahl an Arbeitnehmern in den kommenden Jahren ohnehin steigen, ist klar. Hamburgs Vorschlag würde diesen Anstieg befeuern.

Beiträge zur Pflegeversicherung steigen

Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks ist sich dessen bewusst. „Es ist natürlich so, dass mit der Umdrehung des Prinzips auch zwangsläufig ein höherer Beitrag zur Pflegeversicherung einhergehen wird. Die Beiträge werden aber ohnehin steigen. Und ich möchte eben, dass die Pflege so weit wie möglich solidarisch finanziert wird.“ Dafür sieht sie auch in der CDU Verständnis. Die SPD hatte zuletzt durchgesetzt, dass die Beiträge zur Krankenversicherung wieder zu gleichen Anteilen vor Arbeitnehmern und Arbeitgebern gezahlt werden. Das wird 2019 wirksam.

Für einen ähnlich getriebenen Vorstoß hat Hamburgs Gesundheitssenatorin ebenfalls Zustimmung in der Union ausgemacht. Prüfer-Storcks will Betriebsrentner von einer Regelung befreien, die auf Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zurückgeht. Aufgrund des schon berüchtigten „GKV-Modernisierungsgesetzes“ aus dem Jahr 2004 (GMG) müssen Betriebsrentner doppelte Beiträge zur Krankenversicherung auf diese Altersbezüge zahlen. Statt 7,3 Prozent von der Betriebsrente also 14,6 (plus Zusatzbeiträge).

„Es ist widersinnig, die Menschen dazu aufzufordern, sie müssten sich jetzt um betriebliche Altersvorsorge als Ergänzung für ihre gesetzliche Rente kümmern. Und dann müssen Betriebsrentner im Alter darauf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag gleichzeitig bezahlen. Dies sollten wir auf den Arbeitnehmerbeitrag begrenzen“, so Prüfer-Storcks.

So sollen Betriebsrentner weniger Krankenkassenbeitrag zahlen

Das stehe zwar „leider“ nicht im Koalitionsvertrag. Doch an Petitionen im Parlament lasse sich absehen, dass viele Bürger das als ungerecht empfänden. Das Abendblatt hatte mehrfach über diesen Fehlanreiz berichtet, der vielen Betriebsrentnern erst nach ihrem Berufsleben klar wird. Es gibt Millionen Betroffene in Deutschland. Doch so einfach ist die Abschaffung der doppelten Beiträge nicht. Soll man alle Betriebsrenten auf einen Schlag entlasten? Was sagen die Krankenkassen, die auf einen Schlag Milliarden weniger in den Kassen hätten? Und was ist mit den „Direktversicherungsgeschädigten“, die eine Lebensversicherung als Betriebsrente abgeschlossen haben und bei der Auszahlung ebenfalls gekniffen sind?

Immerhin für die Krankenkassen bietet Prüfer-Storcks eine Idee an. Deren Einnahmeverlust sei derzeit vertretbar, sagt sie mit Blick auf die hohen Einnahmen wegen der guten Konjunktur und Beschäftigungslage. Es gebe aber Bereiche, in denen die Kassen mit Steuermitteln unterstützt werden müssten. So müssten sie mehr Geld für Bezieher von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) erhalten. Denn was für sie gezahlt werde, reiche nicht aus, um ihre Krankheitskosten zu begleichen.

Prüfer-Storcks sagte, wenn man die Beiträge für die Hartz-IV-Empfänger erhöhe, gebe es einen Spielraum, um die Betriebsrentner zu entlasten.