Hamburg. SPD und Grüne wollen das denkmalgeschützte Bauwerk für den motorisierten Verkehr sperren. Radfahrer und Fußgänger sollen profitieren.

Er ist eines der bekanntesten Baudenkmäler Hamburgs – aber gleichzeitig immer noch eine wichtige Verbindungsachse zwischen dem Norden und dem Süden der Stadt: der St.-Pauli-Elbtunnel, im Volksmund nur „Alter Elbtunnel“ genannt.

Wenn es nach SPD und Grünen in der Bürgerschaft geht, wird die Abgrenzung zum „neuen“ Elbtunnel demnächst noch deutlicher. Denn während das etwas weiter westlich gelegene Bauwerk aus den 70er-Jahren mit mittlerweile acht Fahrspuren in vier Röhren einzig dem motorisierten Verkehr auf der A 7 zur Verfügung steht, soll der Alte Elbtunnel für Autos und Motorräder gesperrt werden.

115 Autos am Tag – und 3000 Fußgänger

„Unsere Absicht ist es, ihn autofrei zu machen und touristisch sowie für den Fußgänger- und Radverkehr aufzuwerten“, sagte Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks am Freitag. Auslöser dieser Überlegungen ist die Entwicklung der Nutzerzahlen: Während nur noch rund 42.000 Autos im Jahr (im Schnitt 115 pro Tag) durch den Tunnel fahren, hat sich die Zahl der Radfahrer in den vergangenen zehn Jahren auf mehr als 300.000 verdreifacht – also knapp 1000 pro Tag. Die Zahl der Fußgänger im Alten Elbtunnel ist im gleichen Zeitraum von 700.000 sogar auf mehr als eine Million im Jahr gestiegen – also rund 3000 pro Tag.

„Für den Autoverkehr hat der Tunnel seine verkehrliche Funktion verloren“, schließt Tjarks aus diesen Zahlen. Die zwei Röhren nun komplett für den motorisierten Verkehr zu sperren und damit auch attraktiver für Radfahrer und Fußgänger zu machen, passt aus Sicht von SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf auch ins Gesamtkonzept des Senats: „Für den seit Jahren ansteigenden Fußgänger- und Radverkehr ist der Alte Elbtunnel eine wichtige Verbindung von Wilhelmsburg in die Innenstadt.“

Und es sei ohnehin das Ziel, den Hamburger Süden besser an die Innenstadt anzubinden. „Deshalb bauen wir den S-Bahn-Verkehr über die Elbe aus und treiben die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße voran.“

Moderne Autos passen ohnehin kaum durch den Tunnel

Eine Fahrt durch den Alten Elbtunnel hat auch etwas Abenteuerliches: Autos werden an beiden Enden des Tunnels über zwei Lastenaufzüge 24 Meter hoch- und runterbefördert, für Fußgänger und Radler stehen zudem kleinere Fahrstühle zur Verfügung. Die ursprünglich für Pferdefuhrwerke ausgelegten Fahrbahnen sind mit 1,82 Meter Breite extrem schmal, sodass nur Schrittgeschwindigkeit erlaubt ist. Für viele moderne Autos sind sie gar nicht mehr geeignet.

Hinzu kommt: Um Komplikationen zu vermeiden, dürfen Autos und Motorräder den Tunnel von 8 bis 13 Uhr nur in Richtung Steinwerder und von 13 bis 18 Uhr nur in Richtung Innenstadt befahren. Fahrradfahrer müssen sich dem anpassen oder entgegen der jeweiligen „Hauptfahrtrichtung“ auf den schmalen Fußwegen schieben – was dort für Konflikte sorgt. Das ist ein wichtiger Punkt, warum sich die Politik von einer Sperrung für Autos mehr Attraktivität für den Fußgänger- und Radverkehr erhofft. Vor allem für viele Wilhelmsburger ist die gut ausgebaute Veloroute 11 durch den Tunnel inzwischen eine Hauptverbindung in die Hamburger City.

Tunnelgebühr deckt nur drei Prozent der Kosten

Hinzu kommt: Motorisierter Verkehr in Tunneln stellt generell eine erhebliche Brandgefahr dar. Sie mache „ein umfangreiches Betriebs-, Sicherheits- und Rettungskonzept notwendig, das personalintensiv ist und Ressourcen bindet“, heißt es im Antrag von SPD und Grünen. Diese Sicherheitsvorkehrungen könnten bei einer Sperrung für Kfz entfallen. Die Einnahmen aus den Tunnelgebühren für Autos seien hingegen zu vernachlässigen: Sie seien seit 2014 von knapp 100.000 Euro auf zuletzt 60.000 Euro im Jahr gesunken und machten nur noch drei Prozent der Betriebskosten des Tunnels aus.

„Ein autofreier Tunnel bedeutet: mehr Platz für Fußgänger und Radfahrende, keine Abgase, keine langen Wartezeiten bei den Aufzügen, weniger Brandschutzauflagen, mehr Sicherheit und eine längere Lebensdauer für das historische Denkmal“, fasste Tjarks die Vorteile zusammen. Geplant sei zudem, die Betriebszeiten der Lastenaufzüge von jetzt 8 bis 18 Uhr auf 6 bis 20 Uhr auszuweiten. Offiziell handelt es sich zwar um einen „Prüfauftrag“ an den Senat, aber Kienscherf und Tjarks machten deutlich, dass sie die Maßnahmen noch im Jahr 2019 umsetzen wollen.

CDU sieht „Symbolpolitik“, ADAC hält Tunnel für entbehrlich

„Rot-Grün gefällt sich wieder einmal in Symbolpolitik gegen Autofahrer“, kritisierte CDU-Verkehrsexperte Dennis Thering. Zur Lösung der alltäglichen Verkehrsprobleme wie Staus und Baustellenwirrwarr trage die Schließung des Alten Elbtunnels „in keiner Weise bei“.

Der ADAC Hansa kann die Entscheidung hingegen nachvollziehen: „Für den Autoverkehr ist der Alte Elbtunnel nicht attraktiv“, sagte Sprecher Christian Hieff. „Die Durchfahrt ist langsam, kompliziert und kostet Geld.“ Für den Verkehrsfluss in Hamburg sei er daher entbehrlich. „Uns ist wichtiger, dass der neue Elbtunnel in Schuss gehalten wird und möglichst alle Röhren geöffnet sind.“

Freude herrschte beim Fahrradclub ADFC: „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte Sprecher Dirk Lau. „Wir würden uns freuen, wenn der Alte Elbtunnel Fußgängern und Radfahrern überlassen bleibt. Autofahrer müssen da wirklich nicht durchfahren, das ist ja auch ein Denkmal.“

Der Alte Elbtunnel

Der Alte Elbtunnel wurde 1911 eröffnet und unterquert die Elbe auf einer Länge von 426,5 Metern. Er verbindet die nördliche Hafenkante bei den Landungsbrücken mit der Elbinsel Steinwerder.

Anfangs war der Tunnel nur für Pferdefuhrwerke und Kraftfahrzeuge eröffnet. 700 Arbeiter litten nach Abschluss der Arbeiten unter der Taucherkrankheit, drei Arbeiter verstarben daran.

Immer wieder wurde der Alte Elbtunnel umgebaut und saniert. Aktuell wird die Oströhre saniert, mit der Freigabe für den Verkehr wird derzeit für den Februar 2019 gerechnet. (hpsk)