Hamburg. Vorwurf: Er hat abgeschrieben bei Wikipedia und wasistwas.de. Bundeswehr-Uni prüft offenbar die Dissertation von Michael Neumann.

Kann man nach den prominenten Fällen von Plagiaten bei Doktorarbeiten wie bei Karl-Theodor zu Guttenberg oder Silvana Koch-Mehrin noch leichtfertig abkupfern, ohne aufzufallen? Die Wissenschaft ist sensibilisiert für korrektes Zitieren. Die digitale Forensik spürt mutmaßlich abgeschriebenen Texten mit moderner Technik nach. Und so soll sich auch ein Verdacht gegen den früheren Hamburger Innensenator Michael Neumann (SPD) ergeben haben, über den zunächst das Magazin Panorama 3 des NDR berichtete.

Auch Neumann, der von 2011 bis 2016 amtierte und sich maßgeblich für die Hamburger Olympiabewerbung engagierte, könnte bei seiner politikwissenschaftlichen Dissertation an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Wandsbek Texte aus anderen Quellen als den zitierten verwendet und als eigene ausgegeben haben.

Er äußerte sich im Abendblatt nicht. Auch der NDR fragte bei ihm an und bekam keine Antwort. Die Bundeswehr-Uni gab sich schon aus rechtlichen Gründen sehr defensiv. Man gehe solchen Vorwürfen „generell“ nach, sagte ein Sprecher dem Abendblatt. Zum konkreten Fall Neumann äußerte er sich nicht. In mehreren Fällen hatten zuletzt Gerichte die Plagiatsverfahren von Hochschulen untersucht, auch bei der früheren Bildungsministerin Annette Schavan. Bisweilen entpuppt sich ein Verdacht auch als falsch, der Ruf ist schnell ruiniert.

Verblüffende Ähnlichkeiten zu Wikipedia-Texten

Bei Neumann ist es augenscheinlich so, dass im Text seiner Arbeit zur „Länderneugliederung im deutschen Föderalismus am Beispiel des Nordstaats“, die 2017 angenommen wurde, versteckte Links zu kopierten Internetseiten gefunden wurden. Das sagte Prof. Gerhard Dannemann (Humboldt-Universität Berlin) dem NDR. Er ist Mitarbeiter von VroniPlag Wiki, eine Webseite, auf der mutmaßliche Plagiate untersucht und dokumentiert werden. Der Name leitet sich ab von Veronica Saß, der Tochter des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, die des Plagiats überführt wurde.

Professor Dannemann sagte dem Sender: „In kurzer Zeit haben wir an zehn Stellen versteckte Links gefunden, die etwa auf Wikipedia-Beiträge verweisen.“ Diese Quellen seien nicht angegeben worden. Der Verdacht systematischen Abschreibens ohne ein Zitieren liege nahe. „Es scheint ein Verfasser zu sein, der sich gern bei anderen Texten als Schreibvorlage bedient.“ Wissenschaftler Dannemann sprach auch vom bewussten Legen falscher Fährten bei Neumann.

"Wasistwas.de" als Quelle angegeben?

Und dessen unzitierte Quellen sollen Wikipedia und die Wissensplattform „wasistwas.de“ vom Tessloff Verlag (Gründer: der Hamburger Ragnar Tessloff) gewesen sein. Bei Neumanns Textpassagen seien gravierende Ähnlichkeiten („beinahe wortgleich“) vorhanden zum Wikipedia-Eintrag über das norddeutsche Tiefland, zu Preußen und bei „wasistwas.de“ zum Artikel über den Wiener Kongress. Diese offensichtlichen Quellen würden von Neumann nicht zitiert. Wobei es in wissenschaftlichen Texten ohnehin unüblich ist, Wikipedia als Quelle zu nennen. „Wasistwas.de“ richtet sich vornehmlich an ein Schülerpublikum, weniger an Professoren, die eine Dissertation zu begutachten haben.

Ob und wann das Verfahren zum Entzug des Doktorgrades bei Michael Neumann führt, kann nur die Bundeswehr-Uni beurteilen, die dazu derzeit schweigt. Die im Internet verfügbare Dissertation zeigt bei schneller Durchsicht Quellen und korrekte Zitate. Bei einer Anlehnung aus dem Hamburger Abendblatt hat Neumann allerdings schlampig gearbeitet. Er zitiert einen Text von zwei Autorinnen zum Nordstaat in einer Fußnote. Vermutlich hat sein Rechtschreibprogramm aus dem Vornamen „Marlies“ das Wort „Markise“ gemacht. Korrigiert hat Neumann das nicht.