Hamburg. Olaf Scholz und Britta Ernst sind das erfolgreichste Politik-Paar Deutschlands. Privates ist tabu. Doch wie geht es mit ihr weiter?

So rasch kann es gehen. Am vergangenen Sonntagabend glich Britta Ernst, die aus Hamburg stammende Bildungsministerin Schleswig-Holsteins, einem Häufchen Elend. Als die Prognosen der Umfrageinstitute den Absturz der Sozialdemokraten bei der Landtagswahl manifestierten, konnte, wer die Politikerin genau beobachtete, ihre Traurigkeit nicht übersehen. Die Enttäuschung saß tief.

Und nun, keine sieben Tage später, wird Britta Ernst sogar die Eignung zur Ministerpräsidentin in Kiel zugetraut. Natürlich ist das zum gegenwärtigen Zeitpunkt reine Spekulation, und in der Politik wird so mancher Kandidatenvorschlag nur deshalb lanciert, um die jeweilige Person auf dem Posten zu verhindern. Zudem ist es eher unwahrscheinlich, dass CDU, FDP und Grüne sich nicht auf eine „Jamaika“-Koalition einigen können. Aber wenn nicht, bräuchte die SPD Ersatz für ihren gescheiterten Ministerpräsidenten Torsten Albig. Und der könnte theoretisch auch Britta Ernst heißen. Die 56-Jährige gilt als eine der kenntnisreichsten und besten (Bildungs-) Politikerinnen des Landes. Sie hat nur ein „Problem“: Sie ist mit Bürgermeister Olaf Scholz verheiratet. Dieser Umstand hat verhindert, dass Britta Ernst in Hamburg Bildungssenatorin werden konnte. Und er könnte ihr auch im oben genannten Szenario im Weg stehen.

Im für Britta Ernst schlechtesten Fall steht sie in ein paar Wochen ohne Amt da. Dann nämlich, wenn die SPD in Schleswig-Holstein nicht mehr an der Regierung beteiligt sein sollte. Insofern bedarf es keiner hellseherischen Fähigkeiten, sich die Verärgerung im Hause Scholz/Ernst über den Wahlausgang vorzustellen. Nicht nur wegen des drohenden Jobverlustes, sondern vor allem, weil beide intensiv Wahlkampf für die SPD und Torsten Albig gemacht haben und am Ende mit ansehen mussten, wie der Ministerpräsident den sicher geglaubten Sieg verspielte. Politische Gegner nehmen Scholz wegen seines Wahlkampfeinsatzes für die SPD-Niederlage im Norden zwar in Mithaftung. Denkbar ist aber auch eine andere Interpretation, wenn man sich die Wahlergebnisse im Hamburger Umland ansieht. Dort lagen die SPD-Verluste bei den Zweitstimmen deutlich unter denen in anderen SPD-Hochburgen wie Kiel oder Lübeck.

Albig verteidigt "Bunte"-Interview

Bis heute wird das Wahlergebnis in Schleswig-Holstein aber vor allem unter einer anderen Fragestellung diskutiert: Welche Rolle spielt das Privatleben eines Politikers bei der Wahlentscheidung? Anlass ist ein Interview, das Torsten Albig vor der Wahl der Zeitschrift „Bunte“ gegeben hatte. Darin sagte er über die Gründe der Trennung von seiner Ehefrau: „Wir hatten nur noch ganz wenige Momente, in denen wir uns auf Augenhöhe ausgetauscht haben. Ich war beruflich ständig unterwegs, meine Frau war in der Rolle als Mutter und Managerin unseres Haushalts gefangen.“ Vornehmlich weibliche Wähler warfen dem Regierungschef daraufhin ein überkommenes Frauenbild vor. Sein Koalitionspartner, Vize-Regierungschef Robert Habeck von den Grünen, unterstellte Albig sogar Überheblichkeit. Allerdings räumte der Hoffnungsträger der Nord-Grünen auch ein, dass für viele Bürger weniger inhaltliche, sondern vielmehr persönliche Themen wichtig seien.

Olaf Scholz gab zu dem Thema in der rbb-Fernsehsendung „Thadeusz“ einen seltenen wie bemerkenswerten Einblick, wie weit ein Politiker sich aus seiner Sicht der Öffentlichkeit gegenüber öffnen sollte. Auf eine entsprechende Frage des Moderators Jörg Thadeusz antwortete er: „Ich bin davon überzeugt, dass die Bürgerinnen und Bürger diejenigen, die sie wählen, gut verstehen wollen, ungefähr wissen wollen, wie die so sind.“ Dazu gehöre natürlich eine Vorstellung von dem privaten Leben eines Politikers. Allerdings, schränkte Scholz ein, würden die Menschen die letzten Einzelheiten auch nicht wissen wollen.

Dazu zählen für ihn vertrauliche Gespräche mit seiner Ehefrau. Natürlich hätten er und Britta Ernst sich über die Wahl unterhalten: vorher und nachher. Allerdings: „Wir führen solche Gespräche unter uns.“ Eine Grenze zieht Scholz zudem bei sogenannten Homestorys. „Wir haben viele Angebote von überregionalen Zeitungen, die mit uns gemeinsam darüber reden würden, wie das so ist als Spitzenpolitikerpaar“, sagte er, um in typisch scholzscher Manier hinzuzufügen: „Haben wir aber nicht gemacht.“

Keine Home-Storys mit dem Ehepaar Scholz-Ernst

Die Herausforderung, mit der Politiker beim öffentlichen Umgang mit der eigenen Privatheit zu tun haben, besteht darin, den passenden Stil zu finden. Der Slogan „Das Private ist politisch“ ist längst zum Allgemeingut der Politik und ihrer Akteure geworden.

Scholz gilt vielen Wählern als diszipliniert und kühl. Seine offiziellen Äußerungen sind oft unkonkret und schablonenhaft, während er im privaten Gespräch witzig und geistreich sein kann. Aber eines ist klar: Ein tiefer Einblick in seine Gefühlswelt, vor allem veröffentlicht in einer Zeitschrift wie der „Bunten“ – das passt nicht zu Scholz.

Was im Übrigen nicht bedeutet, dass es nicht auch seriöse Politikerinnen oder Politiker gibt, bei denen es sehr wohl funktioniert. Ein prominentes Beispiel sind der frühere US-Präsident Barack Obama und seine Ehefrau Michelle, deren Beliebtheit mit dem Zurschaustellen des Privaten untrennbar verbunden ist.

Katja Suding errang mit Fotoshooting Bekanntheit

Auch Hamburgs FDP-Chefin Katja Suding ist mit einem Fotoshooting in der Zeitschrift „Gala“ gut gefahren. Im Februar 2015 posierte sie zusammen mit FDP-Generalsekretärin Nicola Beer und der Bremer Spitzenkandidatin Lencke Steiner in Anspielung auf die Hollywood-Serie „Drei Engel für Charlie“ als einer der drei „Engel“ für Parteichef Christian Lindner. „Ich werde selbst heute noch auf diesen Artikel angesprochen“, sagt Suding. Manche Wählerin habe ihr gesagt, sie habe aufgrund dieser Aktion ihr die Stimme gegeben.

Grundsätzlich gilt aber unter Hamburgs Politikerinnen und Politikern – weniger als früher allerdings – das Gebot hanseatischer Zurückhaltung, wenn es um das eigene Privatleben geht. Die mögliche Nachfolgerin von Britta Ernst im Kieler Bildungsministerium, Karin Prien (CDU), und SPD-Fraktionschef Andreas Dressel ziehen beispielsweise eine rote Linie, wenn es um ihre Kinder geht. Beide schützen sie mit Argusaugen vor der öffentlichen Aufmerksamkeit.