Kiel. Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein will sein Amt aufgeben, falls die Nord-SPD nur ohne ihn eine Ampelkoalition bilden kann.

Die schleswig-holsteinische SPD steht vor einem einschneidenden Personalwechsel. Torsten Albig ist nach Informationen des Abendblatts bereit, das Amt des Ministerpräsidenten abzugeben, falls dies in Koalitionsverhandlungen gefordert werden sollte. Albig steht seit Tagen in der Kritik. Ihm wird angelastet, unter anderem mit einem missratenen „Bunte“-Interview dafür gesorgt zu haben, dass die SPD die Landtagswahl am vergangenen Sonntag verloren hat.

-- Der Kommentar --

Die Küstenkoalition aus SPD, Grünen und SSW hat seitdem keine Mehrheit mehr. Die CDU des Spitzenkandidaten Daniel Günther, die mit deutlichem Abstand stärkste Fraktion geworden ist, will nun eine sogenannte Jamaikakoalition mit Grünen und FDP bilden.

Den Sozialdemokraten bleibt die Hoffnung, dass dies nicht gelingt. Dann kämen sie wieder ins Spiel. Denn auch SPD, Grüne und FDP hätten eine Mehrheit im Landtag. Die Bildung einer solchen Ampelkoalition hat der FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki wiederum für den Fall ausgeschlossen, dass der Ministerpräsident im Amt bleibt. „Unter Führung von Torsten Albig ist diese Koalition wirklich ausgeschlossen“, sagte er. Albig hat, so verlautet es aus mehreren Quellen, nun zugesagt, in einem solchen Fall sein Amt zur Verfügung zu stellen.

SPD sucht nach einer personellen Alternative

Ob Kubickis Forderung tatsächlich Bestand hat, wird bei den Sozialdemokraten bezweifelt. Zu oft, sagen sie, habe Wolfgang Kubicki seine Meinung schon geändert, wenn dabei ein Vorteil für ihn heraussprang. Sollte er dennoch bei seiner Forderung bleiben, müsste die SPD eine personelle Alternative zu Albig anbieten. Eine Alternative, die FDP und Grüne gleichermaßen überzeugt. Vielleicht könnte ein ganz neues Gesicht diese in Schleswig-Holstein ganz neue Dreierkoalition noch am besten repräsentieren. Wie dieses Gesicht aussehen könnte, dürfte derzeit in Parteikreisen besprochen werden.

Viel beraten wird auch bei den anderen drei Parteien, die die Frage klären müssen, wer Schleswig-Holstein bis 2022 regiert. Zwar sollen die Sondierungsgespräche erst in der kommenden Woche beginnen. Dennoch wird schon in diesen Tagen jeder für sich in die Wahlprogramme der anderen Parteien blicken und dort nach dem Gemeinsamen und nach dem Trennenden suchen. Und die Frage stellen: Wie lässt sich das Trennende überwinden?

Streit um Abschiebehaftanstalt

Denn es gibt natürlich bei beiden infrage kommenden Koalitionen Dinge, die nicht zusammenpassen. Und es ist nicht verwunderlich, dass die Jamaikakoalition in diesem Bereich die Nase vorn hat. Immerhin kommen hier drei Partner zusammen, die in den vergangenen fünf Jahren im Landtag meist das Trennende und selten das Gemeinsame herausgestrichen haben.

Zum Beispiel beim Thema Flüchtlinge. Die Grünen plädieren für eine humanitäre Haltung, CDU und FDP wollen konsequent abschieben. Die CDU will deshalb eine Abschiebehaftanstalt in Schleswig-Holstein einrichten, die Grünen lehnen das ab. Mögliche Kompromisslinie: Die Abschiebehaftanstalt kommt, aber nicht in Schleswig-Holstein, sondern gemeinsam mit benachbarten Bundesländern in einem der Nachbarländer.

Konfliktthema Windenergie

Auch beim Thema Windenergie haben sich die Grünen und die CDU in den vergangenen Jahren kräftig beharkt. Die Christdemokraten wollen den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstand zwischen Windanlagen und der Wohnbebauung vergrößern, die Grünen fürchten, dass damit die Energiewende bedroht ist. Mögliche Kompromisslinie: Die CDU verzichtet auf ein paar Meter Mindestabstand.

Konflikte gibt es auch beim Thema neue Autobahnen. CDU und FDP wollen so schnell wie möglich und so viel wie möglich bauen, den Grünen ist die Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs wichtiger. Mögliche Kompromisslinie: beides tun.

Zum größten Stolperstein könnte ausgerechnet die HSH Nordbank werden. Kubicki hat im Landtag immer wieder und in teilweise scharfem Ton das Verhalten der Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) in dieser Angelegenheit kritisiert. Die Bank hätte längst abgewickelt werden müssen, das Abwarten koste nur Geld, Heinold sei für Millionenrisiken im Haushalt verantwortlich, so Kubicki. Heinold wiederum wirft Kubicki vor, verantwortungslos zu handeln. Denn jede negative öffentliche Äußerung über die Bank, so Heinold, gefährde das Institut und erschwere die Problemlösung.

Die Grünen müssten zwei Kröten schlucken

Unter anderem wegen solcher Streitigkeiten geht es den Grünen derzeit trotz ihres guten Landtagswahlergebnisses nicht besonders gut. Denn die FDP sitzt ja bei beiden denkbaren Koalitionen mit am Tisch. Bei Jamaika käme noch die CDU hinzu – keine guten Aussichten, finden die Grünen.

Wenige Tage nach der Landtagswahl wirken die Grünen, als müssten sie zunächst eine Nachwahldepression auskurieren. Die Küstenkoalition habe doch gut funktioniert, finden sie – und verstehen nicht, warum sie abgewählt wurde. Nein, die Scheidung ist noch nicht verarbeitet.