Hamburg/Lampedusa. Scholz will in allen Stadtteilen Flüchtlingsheime errichten. Neumann warnt, dass bundesweit Container und Zelte knapp werden.

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) besteht wegen der massiv steigenden Flüchtlingszahl auf Unterkünften in wirklich allen Stadtteilen. Proteste aus „schicken Stadtteilen“ blieben ohne Konsequenz, sagte er am Montag im NDR-Sommerinterview. „Die Sophienterrasse zum Beispiel wird auf alle Fälle mit Flüchtlingen belegt werden“, sagte Scholz mit Blick auf die juristischen Auseinandersetzungen um das geplante Flüchtlingsheim im vornehmen Stadtteil Harvestehude.

Innensenator Michael Neumann (SPD) warnte unterdessen, dass inzwischen bundesweit Container und Zelte zur Unterbringung von Flüchtlingen schwer zu bekommen seien. Es herrsche „im gesamten Bundesgebiet eine extreme Nachfrage“, und es gebe entsprechend hohe Preise, sagte er dem Abendblatt.

Bürgermeister Scholz warb um Verständnis, dass die vorgesehene Information von Anwohnern über Unterkünfte in Hamburg-Jenfeld nicht funktioniert habe. „Wir hatten 2011, als ich Bürgermeister wurde, knapp mehr als 400 Plätze für die Erstaufnahme. (...) Jetzt haben wir um die 7000 und werden vielleicht demnächst 10.000 allein für die Erstaufnahme haben.“

Zeltstadt für rund 800 Flüchtlinge in Jenfeld

Einen Tag zuvor verhinderten Anwohner den Aufbau der Zelte
Einen Tag zuvor verhinderten Anwohner den Aufbau der Zelte © dpa | Daniel Bockwoldt
Helfer vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) bauen am Freitag Zelte für rund 800 Flüchtlinge auf
Helfer vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) bauen am Freitag Zelte für rund 800 Flüchtlinge auf © dpa | Daniel Bockwoldt
DRK-Helfer bauen provisorische Betten auf
DRK-Helfer bauen provisorische Betten auf © dpa | Daniel Bockwoldt
Das Zeltlager wird eine Erstunterbringung  für Flüchtlinge
Das Zeltlager wird eine Erstunterbringung für Flüchtlinge © dpa | Daniel Bockwoldt
Der wachsende Zustrom von Flüchtlingen zwingt die Stadt Hamburg zu Notmaßnahmen
Der wachsende Zustrom von Flüchtlingen zwingt die Stadt Hamburg zu Notmaßnahmen © dpa | Daniel Bockwoldt
Die Notmaßnahme wurde vorher nicht angekündigt
Die Notmaßnahme wurde vorher nicht angekündigt © dpa | Daniel Bockwoldt
Die Helfer wurden am Freitag bei ihrer Arbeit nicht behindert
Die Helfer wurden am Freitag bei ihrer Arbeit nicht behindert © dpa | Daniel Bockwoldt
Der Staatsrat der Behörde für Inneres und Sport, Bernd Krösser, unterhält sich mit Anwohnern
Der Staatsrat der Behörde für Inneres und Sport, Bernd Krösser, unterhält sich mit Anwohnern © dpa | Daniel Bockwoldt
Das DRK wollte am Donnerstagnachmittag eine Zeltstadt für Flüchtlinge im Jenfelder Moorpark aufbauen
Das DRK wollte am Donnerstagnachmittag eine Zeltstadt für Flüchtlinge im Jenfelder Moorpark aufbauen © TV News Kontor | TV News Kontor
40 Anwohner kamen dazu - sie waren offenbar nicht über die Pläne informiert worden
40 Anwohner kamen dazu - sie waren offenbar nicht über die Pläne informiert worden © TV News Kontor | TV News Kontor
Die Anwohner suchten das Gespräch mit Polizisten
Die Anwohner suchten das Gespräch mit Polizisten © TV News Kontor | TV News Kontor
Zahlreiche Wagen des DRK waren nach Jenfeld gekommen, um beim Aufbau der Ersteinrichtung zu helfen
Zahlreiche Wagen des DRK waren nach Jenfeld gekommen, um beim Aufbau der Ersteinrichtung zu helfen © TV News Kontor | TV News Kontor
Gegen 21.30 Uhr brach das DRK seinen Aufbau vorerst ab
Gegen 21.30 Uhr brach das DRK seinen Aufbau vorerst ab © TV News Kontor | TV News Kontor
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Alle Beteiligten mühten sich, über mögliche Flüchtlingsunterkünfte zu informieren. Er befürchte jedoch, dass das angesichts der Zahlen nicht immer gelingen werde. „Da bitte ich bei allen um Verständnis und um ein bisschen Nachsicht, in der Hoffnung, dass es in 99 Prozent aller Fälle gut läuft.“

Zeltlager für Flüchtlinge

Hintergrund der jüngsten Beschwerden ist ein Zeltlager für rund 800 Flüchtlinge. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) war vergangene Woche von der Stadt gebeten worden, quasi über Nacht 50 Zelte zu errichten. Dagegen gab es von Anwohnern Proteste, weil diese nicht informiert worden waren. Zusätzlich zu den Zelten wurden am Montag 30 Dusch-/WC-Container, 20 Container für Verwaltung, Sozialarbeiter und Vorratslager, zwei Waschmaschinen-Container, und je ein Container für den Wachdienst und für das Kühllager aufgebaut. Die ersten Flüchtlinge könnten diese Woche einziehen.

Das DRK Hamburg erklärte, dass ihr Vorrat an Zelten nun erschöpft sei. Problematisch sei dies jedoch nicht, sagte ein Sprecher. Sie würden nachgekauft. Auch bei Containern ergab eine stichprobenartige Umfrage keine Erkenntnisse über einen Engpass. So erklärte etwa der Anbieter Zeppelin in Garching bei München, dass die Nachfrage nach Wohncontainern anziehe und ein gestiegener Platzbedarf von Kindertagesstätten und Schulen hinzukomme. Doch „derzeit können wir die Nachfrage noch bedienen“, sagte eine Sprecherin. Zeppelin zählt mit rund 18 000 Containern zu den großen Anbietern.

Auch in Berlin gebe es keine Lieferengpässe, sagte eine Sprecherin der Sozialverwaltung. Die Hauptstadt habe zu den ersten Kommunen gezählt, die Container bestellt habe - und deshalb jetzt entsprechend bedient werde. Ein norddeutscher Containerdienstleister, der namentlich nicht erwähnt werden wollte, sagte auf Anfrage, dass er bis Jahresende bis zu 1000 Container liefern könnte. Allerdings müsste die Stadt rasch ordern, da die Nachfrage tatsächlich hoch sei.

„Sea Watch“ beklagt mangelnde Hilfe

Unterdessen hat sich die private Initiative „Sea Watch“ zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer über mangelnde Hilfe bei Einsätzen beklagt. Das Schiff habe innerhalb von sechs Tagen mehr als 600 Bootsflüchtlinge aus Afrika gerettet, sagte Sprecher Ruben Neugebauer am Montag. Mehrmals habe die Besatzung auf die Hilfe anderer Schiffe lange warten müssen. Der umgebaute, fast 100 Jahre alte Fischkutter „Sea Watch“ kann selbst keine nennenswerte Zahl an Flüchtlingen aufnehmen, sondern nur Rettungsinseln aussetzen, Schwimmwesten verteilen und Notrufe absetzen.

Am Montag habe die „Sea Watch“ rund 30 Meilen vor der libyschen Küste ein Boot mit 121 Flüchtlingen entdeckt. Erst nach Stunden sei das Schiff der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“, die „Bourbon Argos“, angekommen und habe die Flüchtlinge, darunter 14 Frauen und ein Kleinkind, übernommen. Die Flüchtlingsboote seien oft kaputt und manövrierunfähig und hätten kein Satellitentelefon.

Jetzt seien alle sechs Rettungsinseln der „Sea Watch“ verbraucht, sagte Neugebauer. Das Schiff nehme Kurs auf Lampedusa, um neues Material aufzunehmen. Auch die Schiffe der „Ärzte ohne Grenzen“ und der maltesischen Initiative Moas müssten immer wieder Flüchtlinge an Land bringen. Dann sei praktisch kein anderes Schiff mehr in der Region. „Wir brauchen hier mehr Schiffe“, sagte Neugebauer. „Alles andere ist unterlassene Hilfeleistung.“

Schiff aus Wilhelmshaven rettet 1000 Menschen in Seenot

Soldaten der Fregatte
Soldaten der Fregatte "Schleswig-Holstein" retten 90 Menschen, davon 84 Männer, 4 Frauen und 2 Kinder © Bundeswehr
Die  aus einem Schlauchboot Geretteten werden auf das luxemburgische Schiff
Die aus einem Schlauchboot Geretteten werden auf das luxemburgische Schiff "Bourbon Argos" © Bundeswehr
Die
Die "Bourbon Argos" nimmt die Geretteten auf © Bundeswehr
Deutsche Soldaten retten Flüchtlinge im Mittelmeer
Deutsche Soldaten retten Flüchtlinge im Mittelmeer © Bundeswehr
Deutsche Soldaten retten Flüchtlinge im Mittelmeer
Deutsche Soldaten retten Flüchtlinge im Mittelmeer © Bundeswehr
Die Flüchtinge sitzen mit Schwimmwesten in einem sicheren Boot
Die Flüchtinge sitzen mit Schwimmwesten in einem sicheren Boot © Bundeswehr
Die Besatzung der Fregatte Schleswig-Holstein nähert sich  74 Kilometer nordwestlich von Tripolis einem Holzboot
Die Besatzung der Fregatte Schleswig-Holstein nähert sich 74 Kilometer nordwestlich von Tripolis einem Holzboot © Bundeswehr
An Bord sind 471 Menschen. Davon sind 362 Männer, 88 Frauen und 21 Kinder
An Bord sind 471 Menschen. Davon sind 362 Männer, 88 Frauen und 21 Kinder © Bundeswehr
Deutsche Soldaten retten Flüchtlinge im Mittelmeer
Deutsche Soldaten retten Flüchtlinge im Mittelmeer © Bundeswehr
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Die Linke im Bundestag forderte: „Frontex und die sich bereits vor Ort befindenden Einheiten der Bundesmarine müssen die „Sea Watch“ bei der Seenotrettung sofort unterstützen.“ Und: „Wenn Frontex und die Bundesmarine nicht sofort helfen, werden wieder viele Menschen im Mittelmeer sterben!“

Bereits 12.536 Flüchtlinge in Hamburg

Nach Angaben von Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) sind bereits im ersten Halbjahr mit 12.536 in etwa genauso viele Flüchtlinge in die Hansestadt gekommen wie im gesamten Jahr zuvor. Nach dem Königsteiner Schlüssel bis auf weiteres untergebracht werden mussten 5725 Flüchtlinge. Das seien nur 260 weniger als im gesamten Jahr 2014. Für die Miete von Containern, Leichtbauhallen und Zelten wurden nach Angaben der Innenbehörde im ersten Halbjahr fast 5,6 Millionen Euro ausgegeben.

Die Zahl der Unterkünfte soll von derzeit 86 im nächsten Jahr auf weit über 100 steigen. Derzeit gebe es fast 19.000 Plätze für Flüchtlinge, 9000 seien in Planung, wobei rund 4000 Plätze noch in diesem Jahr zur Verfügung stehen sollen. Akut würden wegen der massiv steigenden Zahlen rund 3000 Plätze benötigt.