Hamburg. Die Präsidentin der Hamburger Bürgerschaft spricht über direkte Demokratie und die Chancen und Risiken der Volksbefragung zu Olympia.

Peter Ulrich Meyer

Die Hamburger sollen das letzte Wort bei der Entscheidung über die Bewerbung für die Olympischen Spiele haben. Für eine solche Abstimmung muss die Bürgerschaft aber erst noch die Verfassung ändern. Das Abendblatt sprach mit Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) auch darüber, ob der Ausbau der direkten Demokratie die Bürgerschaft schwächt.

Hamburger Abendblatt: Im Herbst sollen die Hamburger über die Olympia-Bewerbung entscheiden. Eine solche direkte Volksbefragung „von oben“ ist bislang nicht gesetzlich vorgesehen. Wie soll das Ihrer Ansicht nach geschehen?

Carola Veit: Wenn wir uns entscheiden, ein solches Instrument einzuführen – und Olympische Spiele sind der Katalysator dafür – dann müssen wir den Weg auch konsequent gehen. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir das in der Verfassung verankern können. Eine einfache gesetzliche Befragung ist auf den ersten Blick charmant. Aber sie hilft in dem Moment nicht weiter, wenn sich anschließend eine Volksinitiative dagegen ausspricht.

Sollte es daher Ihrer Ansicht nach ein einmaliges, aber verbindliches Referendum geben, also eine Art Lex Olympia?

Veit: Auch eine Idee. Dafür gibt es aber wohl keine Mehrheit. Und aus verfassungspolitischer Sicht wäre das die schrägste Variante. Es ist ja schon ein eingreifender Schritt, die Verfassung zu ändern. Aber wenn man dann ein Referendum nur für Olympia ermöglicht, würde man zu Recht gefragt werden, warum nicht auch zu anderen Themen.

Warum ist es ein Problem, ein einmaliges Referendum, also nur zu Olympia, einzuführen?

Veit: Es wäre den Bürgern unfair gegenüber, ihnen dieses Instrument nur dieses eine Mal zu geben.

Bedeutet ein neues plebiszitäres Element letztlich auch eine Schwächung des Parlaments?

Veit: Ja, wenn sehr schnell nach diesem Instrument gerufen wird. Es kann ja keine politische und parlamentarische Debatte ersetzen.

Als Parlamentspräsidentin muss es Ihr originäres Interesse sein, ein starkes Parlament zu haben.

Veit: Sicher. Hier geht es ja aber darum, dass das Parlament selbst entscheidet, eine solche Befragung durchzuführen. Bisher hat das, was wir an Beteiligung der Bürger haben, den Parlamentarismus jedenfalls nicht gestärkt. Weder hat sich das Vertrauen in Parlament und Politik messbar erhöht. Noch ist die Wahlbeteiligung gestiegen.

Wie hoch müssen die Hürden sein, um eine zu häufige Nutzung zu verhindern?

Veit: Ich finde die Zweidrittelmehrheit, die im Gespräch ist, richtig. Sie bedeutet, dass Regierung und wesentliche Teile der Opposition gemeinsam entscheiden müssen.

Und inhaltlich?

Veit: Es sollte der Ausschlusskatalog der Volksentscheide gelten: Haushaltspläne, Bundesratsinitiativen, Abgaben oder Tarife der öffentlichen Unternehmen sowie Dienst- oder Versorgungsbezüge. Hinzufügen müsste man dann Referenden.

Und positiv ausgedrückt, welche Themen müssten zur Abstimmung stehen dürfen?

Veit: Wenn man sich die Volksentscheide zum LBK-Verkauf ansieht, der Primarschule oder zum Netze-Rückkauf, dann sind das sicher Themen, die dafür geeignet wären.

Wie viele Referenden kann die Bürgerschaft innerhalb einer Legislaturperiode verkraften? Kann man das alle halbe Jahre machen?

Veit: Nein, vielleicht ein- oder zweimal pro Legislaturperiode. Wir müssen als Parlamentarier schon sehen, dass wir uns nicht selber kleinmachen. Wir sind gewählt, um Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen zu treffen. Wir sind 121 gewählte Abgeordnete. Und ein Misstrauen gegenüber unserem Vermögen ist nicht gerechtfertigt. Manchmal ist man fünf Jahre später schlauer. Das ist überall so, und davor würde uns auch der Bürger nicht schützen.

Sie warnen also vor einer Schwächung des Parlaments.

Veit: Natürlich warne ich vor einer Schwächung des Parlaments. Auf der anderen Seite können wir aber auch nicht die Augen davor verschließen, dass es den Wunsch nach mehr Bürgerbeteiligung gibt. Dem muss Rechnung getragen werden.

Auf welche Weise?

Veit: Ich finde zum Beispiel schon, dass es bei den Referenden ein Initiativrecht des Senats geben sollte. Das heißt, der Senat in der Pflicht ist, die Bürgerschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt und zu einem bestimmten Thema aufzufordern, ein Referendum zu beschließen.

Wie stehen Sie zu der Idee, mit einem Referendum auch einen Gegenvorschlag zuzulassen, also etwa beim Thema Olympia die Position der Gegner?

Veit: Ich glaube, wir werden zu einer Regelung kommen müssen, die einen Gegenvorschlag zulässt, zum Beispiel, wenn es schon eine, auf der ersten Stufe erfolgreiche Volksinitiative gibt. Wir wollen ja kein Instrument schaffen, mit dem wir begonnene Volksgesetzgebung abwürgen.

Nun ändert man nicht mal eben die Verfassung. Auf der anderen Seite gibt es einen großen Zeitdruck durch die Vorgaben des DOSB. Ist das seriös zu schaffen?

Veit: Das ist sportlich, aber das Thema ist ja nicht neu. Wir haben ja schon darüber diskutiert. Es gibt mehrere Vorschläge, und einige Abgeordnete sind skeptisch. Aber niemand hat die Absicht, das Verfahren zu verzögern, um das Thema so zu blockieren.

Bis wann muss der Beschluss der Bürgerschaft denn da sein?

Veit: Wir müssen bis zur Sommerpause fertig werden. Ich kann mir vorstellen, sich an den Regelungen für die Volksentscheide zu orientieren. Das heißt: eine Abstimmung zwischen den Wahlen und eine Briefabstimmung.

Der Verein Mehr Demokratie hat Hamburg gerade
gelobt: In keinem anderen Bundesland ist die direkte Demokratie so weit
entwickelt. Freut Sie das?

Veit: Das passt zu Hamburg. Es ist typisch für unsere Stadt, dass wir eine breite Beteiligung pflegen. Und es zeigt auch, dass die Politik sich nicht sperrt, sondern offen ist und mit den Bürgern im Dialog.

Wie sind die
Hamburger mit den neuen Möglichkeiten umgegangen?

Veit: Sehr unterschiedlich. In Ro­thenburgsort wird es sicher keine Bürgerinitiative geben, weil wegen der Busbeschleunigung Parkplätze wegfallen. Da haben die Bürger andere Probleme.