Die Sozialbehörde will die unbegleiteten Jugendlichen auf vier neue Einrichtungen verteilen. Von 1300 minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge gelten 50 als auffällig. Anwohner schicken Brandbrief ins Rathaus.
Hamburg. Die Sozialbehörde will die etwa 120 minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge (MuFl) aus der Feuerbergstraße (Alsterdorf) alle umquartieren. Sie sollen auf insgesamt vier neue Einrichtungen im Stadtgebiet verteilt werden. Die von der Polizei ausgemachten Intensivtäter aus der Feuerbergstraße werden in eine neue Einrichtung am Bullerdeich in Hammerbrook und in die bestehende an der Haldesdorfer Straße in Bramfeld verlegt. Das erklärte die Sozialbehörde.
„Wir müssen versuchen, die kriminellen unter den Jugendlichen an ganz elementare Regeln zu gewöhnen und zur Ruhe kommen zu lassen“, sagte Behördensprecher Marcel Schweitzer. „Es sind Straßenkinder. Wer ihnen eine Grenze setzt, stößt fast grundsätzlich auf Widerstand. Sie gehen keine Bindungen ein. Sie kommen nicht hierher, um etwas zu lernen oder ihr Glück zu machen. Sie sind auf der Durchreise. Wir haben versucht, sie mit den Mitteln der normalen Jugendhilfe zu erreichen. Aber das funktioniert nicht. Sie sind gar nicht ansprechbar.“
Nachbarn sollten Schutzgelder für Brücken-Überquerung zahlen
Anwohner rund um die Flüchtlingseinrichtung hatten sich mit einem Offenen Brief an Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gewandet, schreibt die „Bild“-Zeitung im Hamburg-Teil ihrer Sonnabendausgabe. Darin sollen sie „Einbrüche, Diebstähle und Erpressung“, beklagt haben. Unter anderem hätten die Jugendlichen versucht, Schutzgelder für das Überqueren der S-Bahn-Brücke zu verlangen. Beklagt werden Überfälle auf Senioren und Behinderte.
Gegenwärtig leben rund 1300 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in Hamburg. 50 von ihnen gelten als auffällig. Laut Polizei sind 31 davon Intensivtäter, also mehrfach auffällig geworden. Die kriminell auffälligen Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren sollen zum Bullerdeich ziehen. Die jüngeren Auffälligen (bis zu 14 Jahren) werden in der Haldesdorfer Straße untergebracht, wo bereits heute auffällige Jugendliche wohnen. In die Menckesallee sollen entgegen anderslautenden Zeitungsberichten keine kriminell auffälligen Jugendlichen ziehen, sagte Schweitzer.
Die Alsterdorfer Feuerbergstraße war aufgrund des großen Flüchtlingsandrangs zur Erstaufnahme für MuFl umfunktioniert worden. Eigentlich ist die Feuerbergstraße eine Einrichtung des Kinder- und Jugendnotdienstes und nimmt Kinder auf, die zum Beispiel aufgrund zerrütteter Familienverhältnisse kurzfristig aus Familien herausgenommen werden müssen. Sie hat 70 Plätze und ist derzeit mit rund 120 Bewohnern hoffnungslos überbelegt. Viele Betten stehen in der Turnhalle.
Bis Mitte des Jahres soll die Feuerbergstraße wieder für ihre klassischen Aufgaben frei werden. Dann sollen 138 Erstversorgungsplätze für minderjährige Flüchtlinge neu geschaffen sein: an der Wandsbeker Menckesallee (34 Plätze), am Bullerdeich (20 Plätze), an der Cuxhavener Straße in Hausbruch (48 Plätze) und an der Nöldekestraße in Wilstorf (36 Plätze). 313 Erstversorgungsplätze für MuFl gibt es schon.
Geregeltes Leben soll für Beruhigung der jungen Leute sorgen
Am Bullerdeich werden die Jugendlichen weitgehend unter sich bleiben. Sie schlafen in Containern, die Gemeinschaftsräume sind im Haus. Sie bekommen zu bestimmten Zeiten warmes Essen angeboten, wer verspätet kommt, kriegt Brot und Obst. Zugang zum Heim haben nur die Bewohner. Mit dieser Beruhigung der äußeren Lebensumstände sollen die auffälligen, zumeist nachtaktiven Jugendlichen an einen normalen Tages- und Nachtrhythmus und an bestimmte Betreuer gewöhnt werden. Das soll eine Basis für Ansprechbarkeit schaffen helfen.
2014 sind 856 unter 18-jährige Flüchtlinge aufgenommen worden. Das sind 43 Prozent der Ankömmlinge, die sich als minderjährig ausgaben. 57 Prozent der angeblich unter 18-Jährigen mussten nach ihrer medizinischen Untersuchung in die Erwachsenenbetreuung wechseln.
Die Sozialbehörde hofft, dass die Stadt ab Mitte 2015 keine Zuzüge von MuFl mehr verkraften muss. Dann soll die von Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) initiierte Gesetzesinitiative im Bund durch sein, die ihre Verteilung in ganz Deutschland vorsieht. Derzeit können die Jugendlichen die Städte ihrer Wahl ansteuern und dürfen nicht zurückgewiesen werden. Der sonst für Flüchtlinge übliche Verteilungsschlüssel gilt für sie nicht, sodass die großen Städte alle nehmen müssen, die ländlichen Regionen praktisch keine.