FDP-Spitzenkandidatin Katja Suding fordert im „Kreuzverhör“ mit Hamburg 1 und Abendblatt aber eine deutlich liberale Handschrift
Hamburg. Katja Suding, Fraktionschefin der FDP in der Bürgerschaft und Spitzenkandidatin für die Wahl am 15. Februar, stellt sich dem Kreuzverhör von Hamburg 1 und Hamburger Abendblatt. Hamburg 1 sendet das Gespräch heute von 21.30 Uhr an. Das Abendblatt dokumentiert die zentralen Passagen.
Frau Suding, wissen Sie eigentlich, wie viele Plakate von Ihnen derzeit in der Stadt zu sehen sind?
Katja Suding: Das dürften mehrere Tausend sein. Wir haben insbesondere kleine Plakate stehen und auch ein paar Großflächenplakate, von denen allerdings deutlich weniger als die großen Parteien.
Ist Ihnen der Kult um Ihre Person manchmal unangenehm?
Suding: Nein. Wir machen eine stark personenbezogene Kampagne, weil ich nun einmal die bekannteste Oppositionspolitikerin in der Stadt bin. Alles andere wäre unklug. Aber wir haben ganz klar unsere Kernthemen nach vorn gestellt, nämlich den Einsatz für fließenden Verkehr, die beste Bildung und eine florierende Wirtschaft.
Ihre Kampagne und Ihr Internetauftritt sind im Stil der Modefotografie gehalten. Mit Politik hat das doch wenig zu tun.
Suding: Menschen wollen wissen, wer sie in der Bürgerschaft vertritt, welche Überzeugungen diese Menschen haben und was sie antreibt. Ich stelle mich auf meiner Website als Person dar, so wie viele andere Kandidaten auch, sage aber auch viel über meine politischen Inhalte und das, was mich antreibt.
In dieser Diskussion spielt der Kameraschwenk der ARD über Ihre Beine beim Dreikönigstreffen der FDP eine Rolle. Es ist schon seltsam, was in der Politik alles so helfen kann. Ist Ihnen egal, worauf sich der politische Erfolg gründet?
Suding: Es geht uns darum, dass wir gute Arbeit in der Bürgerschaft machen können und dafür brauchen wir die Wählerstimmen. Uns ist es natürlich nicht egal, warum wir gewählt werden, und deshalb setzen wir auf unsere Kernthemen: Wir müssen den Verkehr wieder zum Fließen bringen. Mein Herzensanliegen ist die Bildung. Ich will, dass wir jedem Kind die beste Bildung ermöglichen. Und wir wollen die wirtschaftliche Stärke Hamburgs erhalten.
Aber auf Ihren Plakaten gibt es keine einzige konkrete Botschaft oder Forderung. Zwei Beispiele: „Bildung – unser Jugendwort des Jahres“ und „Macht die Hamburg-Wahl zu einer Demonstration für Freiheit“. Das sind doch nur Phrasen.
Suding: Nein, das sind es nicht. Wir zeigen mit dem Satz „Bildung ist unser Jugendwort des Jahres“, welchen zentralen Stellenwert Bildung für uns Liberale hat. Wir müssen in der Bildung viel größer denken, können uns nicht damit zufriedengeben, dass die soziale Herkunft bei den Bildungschancen der Kinder immer noch einen so großen Ausschlag gibt. Dass die Inklusion gescheitert ist.
Das sind aber keine konkreten Forderungen, sondern nur Themensetzungen: Bildung ist wichtig – da werden Ihnen alle zustimmen.
Suding: Aber wir sitzen jetzt hier und sprechen über die Kampagne und die Plakate. Dabei hätten wir die Möglichkeit, darüber zu reden, was für eine bessere Bildung notwendig wäre. Plakate können ein Wahlprogramm nicht umfassend darstellen, sondern nur Themen setzen, neugierig machen und zeigen, womit sich eine Partei beschäftigt.
Plakate könne aber auch deutlich machen, wofür eine Partei konkret steht. Dass erkennt man auf Ihren nicht.
Suding: Nehmen Sie das Freiheitsthema. Wir stehen für Freiheit.
Aber die Freiheit ist in Hamburg doch gar nicht bedroht.
Suding: Doch, an vielen Stellen. Durch überbordende Bürokratie und zu viel Regulierung. Nehmen Sie den Wohnungsbau. Der Senat hat einen guten Job gemacht, was den Neubau von Wohnungen angeht, ist jetzt aber dabei, das Erreichte wieder zu zerstören durch die Einführung der Mietpreisbremse, die Investoren abschreckt.
Bei dem Plakat denkt aber kein Mensch an die Mietpreisbremse.
Suding: Dafür bin ich ja heute hier, um zu erklären, was wir damit meinen.
Privat vor Staat – das ist die liberale Grundhaltung. Die FDP will alle öffentlichen Unternehmen mit Blick auf eine Privatisierung auf den Prüfstand stellen. Da dürften Sie bei der SPD auf Granit beißen, falls es womöglich zu Koalitionsverhandlungen kommt.
Suding: Wir haben immer kritisiert, dass Olaf Scholz wie kein Bürgermeister vor ihm auf Shoppingtour gegangen ist. Er hat bedingt durch den Volksentscheid viele Milliarden Euro in den Rückkauf der Energienetze investiert, er hat weitere Anteile von Hapag-Lloyd gekauft und die Hamburger dabei glauben lassen, das sei ein völlig risikoloses Geschäft, aus dem man jederzeit leicht aussteigen könnte. Jetzt zeigt sich, das Gegenteil ist der Fall. Unsere Forderung ist berechtigt, wir halten an ihr fest.
Was steht denn auf Ihrer Privatisierungsliste ganz oben?
Suding: Nehmen Sie Hamburg Energie, das ist ein städtisches Ökoenergie-Unternehmen. Dabei haben wir in Hamburg einen funktionierenden Markt an Ökostrom-Anbietern. Und in diesen Markt privater Anbieter greift die Stadt mit ihrem Unternehmen ein und verzerrt den Wettbewerb. Das ist eine eklatante Verletzung der Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft.
Anders als früher steht die Saga GWG nicht mehr auf Ihrer Liste. Beruht das auf der Einsicht, dass es staatliche Unternehmen gibt, die Sachen besser machen können als private Unternehmen?
Suding: Aus meiner persönlichen Sicht hätte die Saga GWG niemals auf diese Liste gehört. Es gibt Aufgaben, die der Staat erledigen muss – insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge. Ein städtisches Wohnungsbauunternehmen, das dafür sorgt, dass Sozialwohnungen gebaut werden, ist durchaus sinnvoll.
Der Bürgermeister wird von der Wirtschaft geradezu hofiert. Da kommt man nicht ran, oder?
Suding: Olaf Scholz profitiert von der Schwäche des schwarz-grünen Vorgängersenats. Aber es gibt in der Wirtschaft eine Panik vor Rot-Grün. Eine Wechselstimmung ist nicht auszumachen. Aber nachdem relativ klar ist, dass die SPD ihre absolute Mehrheit verlieren wird, ist doch die nächste Frage, mit welchem Partner Olaf Scholz in eine Koalition gehen wird.
Darauf kommen wir noch. Was muss in der Wirtschaftspolitik anders laufen?
Suding: Die starke Fokussierung auf den Hafen halte ich für falsch. Wir müssen eine Kultur entwickeln, um Gründerstadt Nummer eins zu werden. Wir haben gute Voraussetzungen: viele Hochschulen, eine funktionierende Werbe- und Kreativszene und die Deutschland-Zentralen von Google, Facebook und Xing hier. Aber wir müssen viel mehr Technologieparks entwickeln. In Hamburg gibt es bislang nur einen einzigen.
Die Unterbringung von Flüchtlingen ist ein wichtiges Thema. Die FDP fordert einen festen Schlüssel zur Verteilung der Flüchtlinge für alle Stadtteile. An welchem Kriterium soll sich der Schlüssel orientieren? An der Einwohnerzahl?
Suding: Ja, es geht um die Einwohnerzahl. Es kann nicht sein, dass Billstedt – ein Stadtteil, der ohnehin schon mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen hat – viel mehr Flüchtlinge aufnehmen muss als andere Stadtteile. Auch die Gerichtsentscheidung, dass in Harvestehude keine Flüchtlingsunterkunft entstehen kann, halte ich für sehr bedenklich. Wichtig ist, die Bevölkerung vor Ort mitzunehmen und Ängste abzubauen.
Was halten Sie von der Unterbringung in neu errichteten Sozialwohnungen – mit einer festen Quote von zehn Prozent, wie es die Grünen gefordert haben?
Suding: Man muss alles prüfen, da darf es keine Denkverbote geben. Wir haben immer wieder gefordert, dass man stärker die Möglichkeit schafft und auch bewirbt, Flüchtlinge in privaten Unterkünften unterzubringen. Wie oft treffe ich auf Menschen, die sagen, wir haben noch Platz und würden gern eine Familie oder einen Einzelnen aufnehmen.
Die FDP will Marihuana legalisieren. Wann können wir mit der ersten parlamentarischen Initiative rechnen? Oder setzen Sie darauf, dass das Thema schnell wieder in Vergessenheit gerät?
Suding: Ein ganz heißes Thema, das dank der Jungen Liberalen Eingang in unser Wahlprogramm gefunden hat. Ich persönlich bin da skeptisch, respektiere aber die Mehrheitsentscheidung der Partei. Ich kann viele Gründe nachvollziehen, möchte aber davor warnen, dass der Eindruck entsteht, dass Haschisch harmlos ist. Ich bin davon überzeugt, dass von der Droge auch deutliche Gesundheitsgefahren ausgehen.
Es gibt keine eigene Erfahrung, die Sie dazu gebracht hätte, die Legalisierung ins Programm zu schreiben?
Suding: Sie wollen jetzt nicht über meine persönlichen Erfahrungen reden, oder?
Doch, wir dachten, wir fragen mal.
(Kleine Pause) Auch etwas Persönliches, aber ein völlig anderer Bereich: Hinter der FDP und Ihnen persönlich liegt ein beispielloser innerparteilicher Zerlegungsprozess. Die frühere Vorsitzende Sylvia Canel, ein Stellvertreter und etliche andere sind nach heftigem Streit ausgetreten und haben die Partei Neue Liberale gegründet. Was haben Sie sich vorzuwerfen?
Suding: Das war ein Klärungsprozess, der notwendig gewesen ist. Es gibt einfach Situationen, in denen man zusammen nicht mehr weiterkommt. Ich habe das damals klar und offen angesprochen. Teams, die zusammen antreten, müssen funktionieren. Ich wollte gern weitermachen, habe aber auch meinen Rückzug angeboten. Die Partei hat sich anders entschieden und mich mit großer Mehrheit zur Spitzenkandidatin gewählt.
Es ging ja nie um Inhalte, sondern um persönliche Unverträglichkeiten. Noch einmal: Was haben Sie falsch gemacht?
Suding: Es gehören immer zwei Seiten dazu. Ich habe versucht, sehr offen zu sein und nicht hintenrum. Es war eine schwere Zeit für mich, aber ich bin froh, dass wir uns jetzt neu sortiert haben. Es gibt eine neue Partei, das ist völlig in Ordnung. Wir können befreit und mit einem guten Team weitermachen.
Die FDP war in Hamburg immer eine Partei der Machtteilung. Jetzt liegen Partei- und Fraktionsvorsitz sowie die Spitzenkandidatur in einer Hand – in Ihrer. Ist das noch liberal?
Suding: Das ist ein Modell, dass sich durchaus bewährt hat, aber nicht festgezimmert ist. Wir müssen sehen, wie es im April weitergeht, wenn wir Organisationswahlen haben.
Wenn die FDP ins Parlament kommt, würden Sie gern mit der SPD über eine Koalition verhandeln. Aber Olaf Scholz will zuerst mit den Grünen reden, falls es nötig ist. Und sozialliberal sind wir selbst, sagt Scholz. Außerdem komme die FDP ohnehin nicht ins Parlament. Das ist eine ziemlich kalte Abfuhr für Sie.
Suding: Entscheidend ist, dass die SPD nicht allein den Grünen ausgeliefert ist. Es ist doch gut, dass auch ein möglicher zweiter Partner bereitsteht. Wir sind gern zu Gesprächen bereit. Wenn es möglich ist, einen Koalitionsvertrag mit deutlich liberaler Handschrift abzuschließen, warum denn nicht? Dann würden wir an erfolgreiche sozialliberale Traditionen gern anknüpfen.
Bleibt es bei Ihrem Wahlziel, das Ergebnis von 2011 – 6,7 Prozent – zu toppen?
Suding: Ja, und ich glaube, dass das realistisch ist.