SPD-Senat berät über Etat 2015/2016 – der erste, der komplett nach unternehmerischen Grundsätzen aufgestellt wird. Es gibt viele grundlegenden Änderungen.
Hamburg. Im Prinzip sind alle Hamburger seit Jahrzehnten an der Nase herumgeführt worden. Unabhängig davon, wer gerade im Rathaus regiert, werden von dort aus mit schöner Regelmäßigkeit Mitteilungen veröffentlicht mit der Überschrift „Hamburg investiert in die Infrastruktur“. So wurde unter eben jenem wohlklingenden Titel vor einigen Tagen verkündet, dass die Rothenbaumchaussee eine neue Asphaltdecke erhält. Das Problem ist nur: Eine neue Asphaltdecke ist gar keine Investition, es ist nur der Versuch, den Wert einer ohnehin vorhandenen Straße einigermaßen zu erhalten, also eine Betriebsausgabe. Eine „Investition“ wäre es, würde eine komplett neue Straße gebaut.
Nun ist es nicht so, dass den jeweils Regierenden die Problematik nicht bewusst wäre, allein, geschert hat es sie nicht. Ob bei Polizeiautos, Schulgebäuden oder beim Hafenschlick, der regelmäßig aufs Neue weggebaggert werden muss – jede Baustelle und jede Ersatzbeschaffung wurde als „Investition“ deklariert. Selbst der frühere Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU, 2001-2006) beklagte das in seinen politischen Memoiren: „Die Feuerwehr braucht einen neuen Feuerwehrwagen. Dieser Wagen ist eine Investition, und es wird dafür ein Kredit aufgenommen. Fünf Jahre später ist der Wagen veraltet, er wird außer Dienst gestellt, und es wird ein neuer Feuerwehrwagen bestellt. Wiederum eine Investition, für die ein Kredit aufgenommen wird. Fünf Jahre später dasselbe – ein neuer Feuerwehrwagen, ein neuer Kredit. Im Ergebnis sind drei Kredite da, aber nur ein Feuerwehrwagen.“
Künftig müssen Abschreibungen und Rückstellungen gebildet werden
Peiner war es aber auch, der ein Umdenken eingeleitet hatte. Er führte den „Geschäftsbericht“ ein, mit dem der Senat regelmäßig offen bilanziert, was die Stadt wert ist und welche Schulden sie drücken – übrigens mit der ernüchternden Erkenntnis, dass der „Konzern“ Hamburg pleite ist. Und er leitete die Umstellung des Haushalts auf die unternehmerischen Grundsätze der „Doppik“ ein.
Dieser Prozess ist nun abgeschlossen. Mit dem Doppelhaushalt 2015/2016, den der SPD-Senat seit Montag berät und am Mittwoch vorstellen will, führt Hamburg als zweites Bundesland nach Hessen eine komplett unternehmerische Buchführung ein. Und das bedeutet auch, Abschied zu nehmen von bislang gepflegten Begrifflichkeiten. Eine „Investition“, das schreibt Paragraf 18 der neuen Landeshaushaltsordnung vor, darf künftig nur noch „für bilanzierungsfähiges Anlagevermögen veranschlagt werden“. Klingt kompliziert, meint aber etwas ganz Einfaches: Mit einer Ausgabe, auf der „Investition“ draufsteht, muss an anderer Stelle ein entsprechender Gegenwert geschaffen werden. Manch einer wird sich daher darüber wundern, wie niedrig die Investitionen ab dem Haushalt 2015/2016 nur noch sind.
Doch das ist nur eine von vielen grundlegenden Änderungen. So müssen im doppischen Haushalt auch Abschreibungen abgebildet werden. Bislang wurde der Wertverlust von städtischen Immobilien, Straßen, Brücken, Kaimauern oder eben Feuerwehrautos schlicht ignoriert – mit der Folge, dass bei Bedarf eben eine neue „Investition“ getätigt wurde. Auch daher ist die Stadt heute mit 24 Milliarden Euro verschuldet. Inklusive der öffentlichen Unternehmen stöhnt sie sogar unter mehr als 40 Milliarden Euro Verbindlichkeiten.
Ebenfalls neu ist, dass Rückstellungen für zukünftige Verpflichtungen gebildet werden müssen. Wenn die Stadt also etwa Hunderte neue Lehrer einstellt wie in den vergangenen Jahren, muss sie ab dem Zeitpunkt auch Geld zurücklegen, um diesen Lehrern später ihre Pension zahlen zu können. Dass das bislang nicht so gehandhabt wurde, gilt als eines der größten Finanzprobleme der Stadt. Schon heute gehen aus dem Haushalt, der für 2015 und 2016 Ausgaben von jeweils rund zwölf Milliarden Euro vorsehen wird, gut 1,1 Milliarden – also fast zehn Prozent – für Pensionen drauf. Tendenz: Kräftig steigend. Selbst wenn die Tarifsteigerungen nur bei 1,5 Prozent pro Jahr liegen würden – zuletzt war es stets mehr – würden die Pensionen 2030 schon mit 1,54 Milliarden Euro zu Buche schlagen.
Umstellen müssen sich auch alle staatlichen Einrichtungen, die bislang ihre Rechnungen selbst bezahlt haben. Künftig müssen sie diese alle an den zentralen „Dienstleister Buchhaltung“ weiterleiten, der die Forderung prüft und begleicht. Der Senat verspricht sich davon einen besseren Überblick über den Cashflow im Haushalt und hofft zudem auf Einsparungen beim Personal.
Das könnte dann auch helfen, für 2017/2018 schon einen Haushalt komplett ohne Defizit und Neuverschuldung vorzulegen. Auf dem Weg dorthin ist die Stadt. Wie aus Senatskreisen verlautet, hat man 2014 noch überhaupt keine Schulden gemacht. Und zumindest die Hoffnung besteht, dass das bis Jahresende auch so bleibt.