Hamburg soll ab sofort keine neuen Kredite mehr aufnehmen. SPD und Grüne skeptisch. FDP-Finanzexperte Robert Bläsing fordert: „Meines Erachtens muss nun die historische Wende vollzogen werden.“

Hamburg. Die Einnahmen sprudeln wie nie zuvor, die Ausgaben für die Zinsen sinken massiv – angesichts dieser positiven Rahmenbedingungen drängt sich immer stärker die Frage auf, wann Hamburg das Schuldenmachen beenden sollte oder müsste. „Sofort“, meint die FDP-Fraktion und legt zur Bürgerschaftssitzung in zwei Wochen einen Antrag vor, der den SPD-Senat auffordert, die Nettokreditaufnahme schon ab diesem Jahr zu beenden.

„Wenn Hamburg jetzt nicht ohne neue Schulden auskommt, wird die Stadt das nie schaffen“, sagte FDP-Finanzexperte Robert Bläsing dem Abendblatt. „Meines Erachtens muss nun die historische Wende vollzogen werden.“ Er verweist darauf, dass Hamburg in diesem Jahr laut Steuerschätzung mit Mehreinnahmen von 134 Millionen Euro rechnen kann. Wie berichtet, gibt es zudem große Einsparungen bei den Zinsen für die Altkredite, die 2013 bei 173 Millionen lagen und 2014 noch höher sein dürften. „Daher kann auf die im Haushalt vorgesehene Nettokreditaufnahme von 300 Millionen Euro verzichtet werden“, so Bläsing. Der Antrag der Liberalen sieht daher vor, dass der Senat schon in diesem Jahr gänzlich ohne neue Schulden auskommen, alle Haushalte ab 2015 ohne Neuverschuldung planen und Überschüsse in die Tilgung der Schulden in Höhe von 24 Milliarden Euro stecken soll. Der Vorstoß ist politisch brisant, denn FDP und Grüne hatten 2012 gemeinsam mit der SPD beschlossen, die Schuldenbremse in die hamburgische Verfassung aufzunehmen. Offiziell gilt sie ab 2020, aber als Ziel wird 2019 ausgegeben. Während die CDU schon damals mehr Ehrgeiz gefordert hatte, hatten FDP und Grüne umgekehrt argumentiert: Auch wenn 2020 in der Verfassung stehe, könne man ja trotzdem einen früheren Schuldenstopp anstreben. Die FDP fordert nun als erste Fraktion aus dem rot-gelb-grünen Trio offiziell eine Verschärfung des Kurses. Bei der SPD stößt das nicht auf Gegenliebe.

Dass die Stadt ohne Kreditaufnahme auskomme, sei nicht klar, so die SPD

„Wenn die FDP das fordert, muss sie auch sagen, wo wir den Rotstift ansetzen sollen“, sagte SPD-Haushaltsexperte Jan Quast. Aus seiner Sicht ist es noch nicht ausgemacht, dass die Stadt ohne Kreditaufnahme auskommt. Eine frühe Festlegung könne bedeuten, dass irgendwo gekürzt werden müsste, wenn sich Steuern oder die Zinsen nicht wie erwartet entwickeln. „Aber wenn wir die Schuldenbremse früher als 2019 erreichen, freuen wir uns“, so Quast.

2007 und 2008 hatten CDU-geführte Senate die Nettokreditaufnahme schon einmal auf null gedrückt, dann aber 2009/ 2010 im Zuge der Finanzkrise mit jeweils rund 900 Millionen Euro eine der höchsten Schuldenaufnahmen in der Geschichte der Stadt verantwortet. Der seit 2011 amtierende SPD-Senat hat bislang deutlich weniger Schulden gemacht als geplant. 2013 waren es „nur“ noch 198 Millionen Euro. Bis Ende April war der Etat 2014 sogar im Plus. Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) hatte daher im Mai gesagt, eventuell könne die Schuldenbremse auch „viel früher“ eingehalten werden.

Die Grünen tragen den FDP-Antrag ebenfalls nicht mit, unterstützen aber die Forderung nach mehr Ehrgeiz: „Es bringt nichts, in Zeiten hoher Steuereinnahmen und niedriger Zinssätze den Haushalt für strukturell ausgeglichen zu erklären, wenn er es nicht ist“, sagte Fraktionschef Jens Kerstan. „Die SPD muss endlich den Haushalt strukturell in Ordnung bringen. Wetten auf die Konjunktur bringen dabei ebenso wenig wie die SPD-Taktik, die gute Situation für Wahlgeschenke auszunutzen.“