Als Flüchtlingsunterkunft nur Notlösung. Kritik an Situation in Harburger Erstaufnahme. FDP-Fraktion wirft SPD-Senat vor, zu spät damit begonnen zu haben, Hamburg auf den steigenden Flüchtlingszustrom vorzubereiten.
Hamburg. Damit die Stadt auf den steigenden Flüchtlingsstrom reagieren kann, zieht Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) den Einsatz von Wohnschiffen in Betracht, die es bereits in den 90er-Jahren gab. „Mir ist es egal, ob 100 Plätze in einem Containerdorf geschaffen werden oder auf einem Schiff. Hauptsache, wir bekommen genügend Plätze“, sagte Scheele der „Süddeutschen Zeitung“. „Aber es ist nicht unser vordringliches Ziel, Wohnschiffe anzumieten“, ergänzte er gegenüber dem Abendblatt.
Weil der Flächenvorrat in der hoch verdichteten Stadt begrenzt ist, hat der Sozialsenator die Hamburg Port Authority (HPA) gebeten, nach Wohnschiffen und geeigneten Liegeflächen im Hafen zu suchen. Eine Antwort steht noch aus. Von 1993 bis 2006 war das Schiff „Bibby Altona“ in Neumühlen Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung und Unterkunft für Asylbewerber. Immer wieder sorgte das Flüchtlingsschiff und das Schwesterschiff „Bibby Challenge“ für negative Schlagzeilen. Die Wohnschiffe, auf denen viele Familien lebten, war ständig überbelegt, die Zustände gerade für Minderjährige nicht zumutbar. Die Oppositionsfraktionen in der Bürgerschaft reagierten verhalten bis ablehnend auf die Idee, Flüchtlinge auf Wohnschiffen unterzubringen. „Schiffe können eine Lösung sein, aber nicht die einzige“, sagte der CDU-Innenexperte Kai Voet van Vormizeele. „Wesentlich wichtiger wäre es, einen internen Verteilschlüssel für Hamburg einzuführen, ähnlich wie den Königsteiner Schlüssel auf Bundesebene.“ Dieser könne regeln, wie Flüchtlinge gerecht auf die einzelnen Bezirke und Stadtteile aufgeteilt werden. „So könnte verhindert werden, dass einige Stadtteile besonders belastet werden, wie etwa Billstedt“, sagte er.
Auch die Grünen-Fraktion sieht die Flüchtlingsschiffe eher als eine Notlösung an. „Sie sollten nur dann in den Hafen kommen, wenn die anderen Möglichkeiten tatsächlich ausgereizt sind“, sagte die Grünen-Landesvorsitzende Katharina Fegebank. Sie plädiert dafür, dass zügig und vorrangig Plätze in leer stehenden Schulen und Bürogebäuden entstehen. „Hier ist bisher viel zu wenig passiert“, sagte Fegebank.
Die FDP-Fraktion wirft dem SPD-Senat vor, viel zu spät damit begonnen zu haben, Hamburg auf den steigenden Flüchtlingszustrom vorzubereiten. „Wir befürworten, dass der Senat jetzt prüfen lässt, ob Wohnschiffe die Situation entlasten können – aber auch das allein wird nicht reichen“, sagte die FDP-Politikerin Martina Kaesbach. Die Linken-Abgeordnete Christiane Schneider hält nichts von den Wohnschiffen: „Ich habe mich erschreckt, als ich davon gehört habe.“ Sie verkenne nicht die Not. „Aber ich kann mich noch gut an das Aufatmen in der Bevölkerung erinnern, als die Flüchtlingsschiffe abgeschafft worden sind.“
Scheele hat kürzlich das Containerdorf in Lokstedt besucht. Die Zustände, die er dort sah, nannte er „deprimierend“ und „ganz erbärmlich“. Es fehle aber das Geld, die Qualität der Unterkünfte zu verbessern.
Von teilweise chaotischen Verhältnissen berichtet die Linke auch in der Zentralen Erstaufnahme an der Poststraße in Harburg, die erst Anfang Juni von der Innenbehörde mit Gemeinschaftsunterkünften für 230 Menschen eröffnet worden war. Morgens versuchten dort mehrere Hundert Menschen, einen Termin bei den wenigen Sachbearbeitern zu bekommen. Die seien aber so überlastet, dass die meisten leer ausgingen, auch wenn die Ersten sich dort inzwischen schon um 5 Uhr anstellen. Einige Flüchtlinge berichteten, dass ihre Anliegen seit Wochen nicht bearbeitet werden – darunter sind wichtige Pass- und Terminsachen. Eine Mutter und ihr Kind seien im Gedränge sogar verletzt worden.
Als die integrationspolitische Sprecherin der Linken-Bürgerschaftsfraktion, Cansu Özdemir, die Unterkunft am Freitag besuchte, sah sie keine Warteschlangen und kein Menschengedränge. „An der Unterbringung der Flüchtlinge ist vermutlich nichts zu bemängeln. Aber es ist festzustellen, dass es zu wenig Personal gibt, um die Flüchtlinge zu beraten und die Anträge zu bearbeiten.“ Laut Christian Martens, Sprecher des Einwohnerzentralamts, will der Senat in Kürze über eine personelle Verstärkung entscheiden.