Rund die Hälfte der 53 Stadtteilschulen arbeitet im Ganztagsbetrieb. Schulsenator: Alle Stadtteilschulen werden auf Wunsch umgewandelt.
Hamburg. Der SPD-Senat im Hamburger Rathaus will das Angebot an Ganztagsunterricht vor allem an Grund- und Stadtteilschulen deutlich ausweiten. „Wir wollen allen Stadtteilschulen, die dies wollen, anbieten, Ganztagsschulen zu werden“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) im ersten Interview nach seiner Wahl im Abendblatt. Unterricht bis in den Nachmittag hinein sei gerade „für Schülerinnen und Schüler, denen ihre Eltern nicht helfen können, ein sinnvoller Schritt“. Derzeit arbeitet rund die Hälfte der 53 Stadtteilschulen im Ganztagsbetrieb.
Rabe will außerdem die Öffnung der Stadtteilschulen in die Quartiere hinein vorantreiben. Die Kooperation mit Sportvereinen und Künstlern vor Ort könne das Schulleben bereichern. Der SPD-Politiker bekennt sich ausdrücklich zum sogenannten Schulfrieden, der zwischen CDU, SPD und GAL im vergangenen Jahr geschlossen worden war und das Schulsystem für zehn Jahre festschreibt. „Ich bin mir mit Olaf Scholz völlig einig: Wir stehen zum Schulfrieden ohne Wenn und Aber. An der Schulstruktur wird nicht rumgefummelt“, sagte Rabe.
Der neue Senator will die Gräben, die zwischen Primarschul-Befürwortern und -Gegnern aufgerissen wurden, möglichst zuschütten. „Wir müssen auf alle Gruppen zugehen, zuhören und eine neue Gesprächsgrundlage schaffen“, sagte der Senator. „Wir brauchen alle zusammen, um ein besseres Schulsystem in Hamburg zu schaffen.“ Das gelte nicht nur für Primarschul-Verhinderer Walter Scheuerl, sondern auch für die „vielen, die sich für die Primarschule engagiert haben“.
+++ Interview mit Schulsenator Ties Rabe +++
Das hohe Reformtempo seiner Vorgängerin Christa Goetsch (GAL) will der neue Mann an der Spitze der Schulbehörde nicht beibehalten. „Die rheinland-pfälzische Schulministerin Doris Ahnen hat gesagt: Das Geheimnis guter Schulpolitik ist, nur zu machen, was geht“, so Rabe. Er habe den Eindruck, dass in den zurückliegenden Jahren „oft am grünen Schreibtisch Ideen ersonnen wurden, die in der Theorie gut klangen, in der Praxis sich aber als Unsinn erwiesen“. Statt „waghalsiger Wendemanöver“ in der Schulpolitik sei jetzt „Behutsamkeit, um alle mitzunehmen“, gefragt.
Rabe geht es vor allem um die Verbesserung der Unterrichtsqualität und der Chancen für sogenannte Risikoschüler. „Die letzte PISA-Studie hat gezeigt: Ein Viertel der Hamburger 15-Jährigen liest, schreibt und rechnet so schlecht wie der Durchschnitt der Viertklässler“, sagte Rabe. „Da müssen wir dringend etwas machen.“ Neben der Verbesserung der Unterrichtsqualität auf allen Ebenen gehe es um direkte Maßnahmen, die den benachteiligten Schülern helfen – „zum Beispiel zusätzlicher Förderunterricht, staatlicher Nachhilfeunterricht statt Alleinlassen“. Außerdem solle die Sprachförderung vor der Einschulung auf den Prüfstand gestellt werden.
Rabe will seine Erfahrungen als Vater dreier schulpflichtiger Kinder („Ich habe mich hin und wieder recht temperamentvoll in den Schulbetrieb eingemischt“) in die neue politische Aufgabe einbringen. „Mich hat immer als Vater gewundert, warum das, was Eltern und Schüler umtreibt, so selten von der Schulpolitik aufgegriffen wird“, sagte Rabe. Ein Thema sei der Unterrichtsausfall an Schulen.