Christian Winter ist Polizist auf der Davidwache - wie früher sein Vater. Dessen Wort hatte noch Gewicht. Damals gab es offenbar andere Methoden.
Hamburg. Wie viel Respekt dürfen Polizisten erwarten, die an langen Wochenendnächten auf der Reeperbahn Dienst schieben? Sind die Zeiten für die Beamten wirklich so viel härter geworden? Mit der These, Uniformierte dürften eben nicht damit rechnen, dass ihnen auf dem Kiez mit Zurückhaltung und Wohlwollen begegnet werde, sorgte der Kriminologe Rafael Behr für teils heftige Reaktionen . Die Polizeigewerkschaften warfen ihm eine pauschale Verunglimpfung der Polizisten vor. Das Abendblatt traf zwei von ihnen, die wissen müssen, wie es mit dem Thema Respekt gestern und heute aussieht: Willi und Christian Winter, 86 und 37 Jahre alt, Vater und Sohn und beide mit mehreren Jahren Erfahrung als Polizist auf dem Kiez.
Nein, Respekt erwarte er schon lange nicht mehr, wenn er an die klassische Kundschaft herantrete, sagt Oberkommissar Christian Winter. Die klassische Kundschaft, das sind für ihn junge Männer, die, reichlich alkoholisiert, mit ihresgleichen Stress bekommen. Die Polizei störe da schon manchmal, sagt Winter. "Aber das ist der Job. Davon können wir uns ja nun wirklich nicht beeinflussen lassen. Ganz im Gegenteil."
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+++ Hamburger Polizisten fordern mehr Respekt +++
Christians Vater Willi hat noch eine andere Wertschätzung seiner Arbeit erlebt. Er war in den 70er-Jahren auf der Davidwache. "Damals zählte das Wort eines Polizisten noch etwas", erinnert sich der Pensionär. Damals, das waren die Zeiten, als Willi Bartels noch die feste Größe auf dem Kiez war und es auf der Meile tatsächlich noch um Sex und große Scheine ging und Sonntag Ruhetag war. Winter: "Mit den Kiezianern waren alle per Du. Aber das hieß nicht, dass man keinen Respekt hatte. Ganz im Gegenteil. Sie haben ihren Job getan, wir unseren. Und die Luden waren froh, wenn wir ihnen nicht auf die Pelle rückten. Dafür haben sie so einiges getan."
Mit Luden und Prostituierten hat Christian Winter, der Streifendienst im Schichtbetrieb schiebt, nur noch in den seltensten Fällen zu tun. Sex, Drogen und Gewalt, ja, das seien nach wie vor die Themen rund um das Polizeikommissariat 15. Aber es geht nicht mehr ums große Geld, sondern eher um Reibereien aus nichtigem Anlass. Winter: "Man muss es doch klar sehen: Wir haben kaum mal etwas mit St. Paulianern zu tun. Fast immer handelt es sich um Besucher, wenn es Stress gibt." Leute, die kommen, um mal richtig die Sau rauszulassen. Und vielen fehle inzwischen eben die Einsichtsfähigkeit, dass es auch auf dem Kiez Grenzen gibt. Es geht um den Exzess. Und oft ist es der Alkohol, der jegliche Hemmung eliminiert - auch gegenüber der Polizei.
Willi und Christian Winter haben nur einmal untereinander Streit darüber bekommen, wie die Polizei sich Respekt verschaffen könne. Christian erzählte von einer Festahme und dass der Delinquent sich heftig gewehrt habe. Warum er ihm nicht einfach die Knarre an den Kopf gehalten habe, fragte der Vater. Christian: "Nein. Wirklich. Das ist für mich mit den modernen Prinzipien der Polizei nicht vereinbar." Es ist ein Streit, der die aktuelle Diskussion um das "Sich-Respekt-Verschaffen", das Kriminologe Behr von der Polizei einfordert, spiegelt. So burschikos wie damals tritt die Polizei heute nicht mehr auf. Inzwischen sind die Methoden subtiler geworden. Schon lange setzt auch die Polizei vermehrt auf die Kraft des (meist) freundlichen Wortes.
Auf das Flaschen- und Messerverbot auf dem Kiez halten die (Ex-)Beamten Winter für vernünftig. Es sei zumindest eine gute Handhabe, Störenfriede des Viertels zu verweisen. "Damals", erinnert sich Ex-Kriminalhauptkommissar Willi Winter, gab es automatisch ein Kiezverbot für Leute, die das Nest beschmutzten. Damals, als die Polizei noch "Schmiere" hieß.
Was beiden Winters Sorge macht, ist der Hang der Jugend zur Bewaffnung. "Was früher Fäuste waren, sind heute Messer", weiß Willi Winter. "Aber das ist nicht allein ein Problem des Kiezes. Und schon gar keines, das die Polizei alleine lösen kann."