Studie zeigt wachsenden Frust unter den Beamten. “Die Hemmschwelle, einen Beamten zu attackieren, gibt es oft so gut wie gar nicht mehr.“
Hamburg. Unter den Hamburger Polizisten wachsen der Frust und die Enttäuschung über den mangelnden Respekt und die steigende Gewalt, die sie bei Einsätzen zu spüren bekommen. "Schon das Erscheinen von Polizisten ist zunehmend ein Auslöser dafür, dass sie grundlos angeschrien werden oder ihnen vor die Füße gespuckt wird", sagt Freddi Lohse, Vize-Chef der Polizeigewerkschaft DPolG. "Die Hemmschwelle, einen Beamten zu attackieren, gibt es oft so gut wie gar nicht mehr."
Eine interne Studie, die nach Informationen des Abendblatts erst kürzlich dem Führungsstab der Hamburger Polizei vorgestellt worden ist, bestätigt diese Einschätzung. Danach fühlen sich die Beamten immer häufiger nicht akzeptiert und nicht ernst genommen. Die Folgen sind weitreichend: Die für die Erhebung befragten Polizisten berichteten von Ohnmachtsgefühlen und Unsicherheit darüber, wie sie sich im Einzelfall zu verhalten haben.
Laut Studie erleben die Schutzleute Angreifer wesentlich aggressiver und gewaltbereiter als noch vor wenigen Jahren. Viele Polizisten gaben bereits an, dass sie vorsichtiger geworden sind und ihrer eigenen Sicherheit einen deutlich höheren Stellenwert beimessen als in früheren Jahren.
Nach den jüngsten Zahlen sind allein 2010 jeden Tag drei Beamte Opfer von Gewalt geworden, 332 Polizisten wurden verletzt. Am häufigsten traf es Polizisten der Davidwache. Sie meldete 209 Fälle, gefolgt vom Kommissariat Lerchenstraße (148). "Je später der Abend, desto größer die Respektlosigkeit - nicht nur auf dem Kiez, auch in anderen Vierteln", sagt Matthias Körner, Mitglied der DPolG. Der 26-jährige Beamte ist bereits selbst im Dienst angegriffen und verletzt worden.
+++ "Ich kann den Hass nicht begreifen" +++
Die aktuelle Studie der Polizei hebt zwei Tätergruppen hervor: zum einen 13- bis 25-Jährige, häufig mit Migrationshintergrund, alkoholisiert, bildungsschwach und in Gruppen auftretend. Zum anderen auch Menschen, deren ablehnende Haltung gegenüber der Polizei erst auf den zweiten Blick zu erkennen ist: Diese zunächst Unbeteiligten stören die Polizeieinsätze, bepöbeln Beamte und solidarisieren sich mit den Tätern.
"Diese Entwicklung ist in der Schanze häufig zu beobachten", sagt Freddi Lohse. Nicht nur dort müssen die Beamten immer häufiger ihr Handeln rechtfertigen. Hinzu kommt laut Studie, dass Beamte bei der Arbeit vermehrt mit Handykameras gefilmt und so unter Druck gesetzt werden.
Ein Großteil der befragten Polizisten allerdings zeigt die Bedrohungen und Beleidigungen gar nicht erst an. Begründet wird dies mit Misstrauen gegenüber der Justiz. So bekämen Straftäter nur selten Konsequenzen zu spüren. Verfahren würden eingestellt oder erst nach Monaten verhandelt, die Urteile seien zu milde. Der Eindruck vieler Beamter ist: Staatsanwälte und Richter halten solche Straftaten für Beiwerk, das zur Polizeiarbeit dazugehört. Welche Konsequenzen die Polizeiführung aus der Studie zieht, ist noch offen. "Wir haben die Probleme erkannt und werten die Ergebnisse aus", sagte Polizeisprecher Mirko Streiber.