Die Hamburger Polizei rüstet sich für einen Großeinsatz und richtet eine Sperrzone ein. 2500 Beamte sind am Wochenende im Einsatz.
Hamburg. Brennende Mülltonnen, Barrikaden auf dem Schulterblatt, vermummte Jugendliche, die die Polizei mit Steinen und Flaschen bewerfen: Auch beim diesjährigen Schanzenfest am kommenden Sonnabend rechnet die Polizei mit gewalttätigen Ausschreitungen. "In den Abendstunden und in der Nacht werden wir es mit einer Problemklientel aus gewaltbereiten Linksautonomen und erlebnisorientierten jungen Menschen zu tun haben", sagt Joachim Lenders, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Das stelle die Polizei immer wieder vor eine große Herausforderung, da es sich um eine "explosive Mischung" handele.
Zudem steige zur späten Stunde der Alkoholpegel, und damit auch die Gewaltbereitschaft, Aggressivität und Hemmungslosigkeit. "Aber wenn wir polizeilich gut aufgestellt sind und von vornherein Gewalttaten im Keim ersticken, werden wir die Lage unter Kontrolle haben", sagt Lenders.
Die Polizei rüstet sich dementsprechend für einen Großeinsatz. Nach Informationen des Abendblatts werden beim Schanzenfest rund 2500 Polizisten im Einsatz sein. Unterstützt werden die Hamburger Beamten von sechs Hundertschaften der Polizei aus Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Zudem wird eine Hundertschaft der Bundespolizei vor Ort sein, um mögliche Krawalle zu verhindern. Angefordert waren ursprünglich sogar neun bis zehn Hundertschaften aus anderen Bundesländern. Doch nicht nur in der Hansestadt müssen auswärtige Beamte aushelfen. In Leipzig sorgt beispielsweise eine NPD-Kundgebung am Völkerschlachtdenkmal für einen Großeinsatz der Polizei.
Laut Lageeinschätzung der Hamburger Polizei, von der das Abendblatt Kenntnis hat, wird mit rund 3000 Menschen beim Schanzenfest gerechnet. Es wird davon ausgegangen, dass unter den Besuchern etwa 450 gewaltbereite Hamburger aus der linksautonomen Szene und 250 auswärtige Linksautonome sein werden. Zudem werden rund 300 sogenannte "gewalterlebnisorientierte" Heranwachsende erwartet.
Während sich die Polizei noch nicht offiziell zu ihrer Lageeinschätzung äußern wollte, kündigte Polizeisprecher Mirko Streiber gestern zumindest an, dass ein sogenanntes Gefahrengebiet eingerichtet werde. "Das Gebiet rund um das Schanzenviertel wird von Sonnabend, 23 Uhr, bis Sonntag, 5 Uhr, bestehen", sagte Streiber. Das hatte DPolG-Landeschef Joachim Lenders bereits zuvor gefordert. Durch die Ausweisung eines solches Kontrollgebiets könnten die Beamten "problemloser agieren. In dem Bereich kann die Polizei Personen ohne dringenden Tatverdacht kontrollieren, ihre Taschen überprüfen und gegebenenfalls Aufenthaltsverbote aussprechen", sagt Lenders. Auch 2010 richtete die Polizei beim Schanzenfest ein Gefahrengebiet ein, um potenzielle Randalierer und "Gewalttouristen" aus anderen Stadtteilen oder Bundesländern abzuschrecken.
Lenders plädiert zudem dafür, dass die Hamburger Reiterstaffel in Kooperation mit der Reiterstaffel aus Niedersachsen beim Schanzenfest eingesetzt wird. "15 Pferde und ihre Reiter sind in bestimmten Situationen effektiver als 40 Polizisten, die zu Fuß unterwegs sind", sagt er und nennt ein Beispiel. "Wenn am Pferdemarkt 15 Pferde auf 40 Steinewerfer zureiten, macht das mehr Eindruck auf die Randalierer als 40 Beamte." Somit sollte allein aus taktischen Gründen die Reiterstaffel miteingebunden werden, sagt Lenders.
Die Polizei schließt es dagegen aus, dass die Reiter am Sonnabend dabei sein werden. "Bei Demonstrationen oder auch Fußballveranstaltungen, bei denen viele Menschen kanalisiert werden müssen, werden Reiterstaffeln eingesetzt", sagt Mirko Streiber. Aber beim Schanzenfest sei die Situation eine andere. "Dort sind es eher Einzelpersonen oder kleinere Gruppen, die agieren, gewalttätig werden und mit Flaschen oder Steinen werfen." Pferde seien für diesen Einsatz nicht geeignet. "Es wäre gefährlich für Reiter und Tiere."
Im Vergleich zu den Vorjahren ist es 2011 in den Wochen vor dem Schanzenfest erstaunlich ruhig, heißt es aus Polizeikreisen. Aktionen aus der linksautonomen Szene blieben weitgehend aus. Ausnahmen bilden die Anschläge auf den Neubau am Kleinen Schäferkamp, bei dem Unbekannte Anfang der Woche Steine und Farbbeutel auf das Wohnhaus geworfen hatten und auf den neuen Biomarkt an der Schanzenstraße.
Die Polizei kann nur schwer einschätzen, was sie am Sonnabend erwartet. Dass es in der linken Szene brodelt, ist bekannt. Spätestens, seitdem Klausmartin Kretschmer, der Besitzer der Roten Flora, angekündigt hat, das Haus am Schulterblatt möglicherweise zu verkaufen. Für die Autonomen ist das ein undenkbares Szenario.
Im September vergangenen Jahres endete das Schanzenfest mit Krawallen und mehr als 40 Festnahmen. Elf Polizeibeamte wurden verletzt. Der massive Polizeieinsatz und die Mithilfe zahlreicher Anwohner hatten die Eskalation der Gewalt jedoch etwas eingedämmt. Zwar flogen Steine und Flaschen vor allem auf Polizisten, doch das Ausmaß der Ausschreitungen blieb dabei noch hinter den Befürchtungen zurück.