Bürgermeister sorgte bei Finanzminister Schäuble und EU-Kommissar Almunia für Durchbruch. Entscheidendes Treffen am 11. Mai.
Hamburg. Als Olaf Scholz am 15. Juni gefragt wurde, wie er einen Absturz aus seinem Höhenflug verhindern wolle, sagte er ganze zwei Worte: "Durch Demut." Ein typischer Scholz-Spruch, der seinerzeit für Schmunzeln sorgte - der aber passt. Dass der Bürgermeister durchaus in der Lage ist, Größe zu zeigen, indem er sich kleinmacht, hatte er wenige Wochen zuvor gezeigt, als er sich des Milliardenrisikos HSH Nordbank annahm.
Rückblick: Zwar hatte die EU schon im September 2009 dem 13-Milliarden-Euro-Rettungspaket der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein für ihre Bank vorläufig zugestimmt. Aber die damalige Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hatte gleichwohl laut gegrummelt, sie fand den Aktienpreis zu hoch, auf dessen Basis die Länder drei Milliarden Euro in die HSH gepumpt hatten, und sie legte ihnen auf, sich spätestens 2014 von dem Institut zu trennen. Unter Zwang einen Käufer finden zu müssen, das hätte Hamburg und Kiel Milliarden kosten können.
Das Blatt wendete sich erst 2010, als die resolute Niederländerin von dem Spanier Joaquin Almunia abgelöst wurde. Der neue EU-Kommissar legte auf den Verkaufszwang weniger Wert, er wollte stattdessen die immer noch systemrelevante Bank sichern. Die Idee, die im März 2011 aus seinem Hause sickerte, schreckte die norddeutsche Politik aber mindestens ebenso auf: Die HSH sollte nicht nur ihre Bilanzsumme von einst 200 Milliarden (aktuell: 139) auf 50 Milliarden Euro reduzieren, sondern sich auch von ihrem wichtigsten Geschäft trennen: der Schiffsfinanzierung. "Eine HSH Nordbank ohne Shipping ist keine HSH Nordbank mehr", waren sich die Experten in Hamburg einig - jetzt griff Scholz, erst am 7. März zum Bürgermeister gewählt, in die Debatte ein. Gemeinsam mit Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) sprach er mit dem HSH-Vorstand und mit Aufsichtsratschef Hilmar Kopper - bevor es am 11. Mai zum ersten entscheidenden Treffen kam.
Am Rande der Finanzministerkonferenz in Hamburg trafen Scholz und Tschentscher sich mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), den Scholz noch aus Zeiten der Großen Koalition gut kennt. Auch Schäubles Staatssekretär Jörg Asmussen, ein international anerkannter Finanzexperte, war bei dem vertraulichen Gespräch dabei. Beide ließen sich davon überzeugen, dass die EU-Pläne das Aus für die HSH Nordbank und damit ein schwerer Schlag für die Eigentümer wären. Damit war ein wichtiger Schritt getan, denn die EU verhandelt offiziell gar nicht mit den Bundesländern, sondern mit dem Bund. Der war jetzt mit im Boot und ruderte kräftig mit.
Nur eine Woche später sprachen Schäuble, Scholz, Tschentscher und aus Schleswig-Holstein Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und Wirtschaftsminister Jost de Jager (beide CDU) bei Almunia in Brüssel vor. Da komme man sich wie ein Bittsteller vor, sagt einer, der solche Audienzen auch schon erlebt hat. Ob es nun Demut oder einfach die Erfahrung des ausgebufften Politprofis war: Scholz hatte kein Problem damit, um etwas zu bitten: "Die HSH Nordbank braucht die Schiffsfinanzierung", so war sinngemäß sein Wunsch.
Der Wettbewerbskommissar soll die vom Bürgermeister in fließendem Englisch vorgetragene Haltung Hamburgs zwar mit keinem Wimpernzucken kommentiert haben. Doch im Anschluss signalisierte er, dass man sich wohl einigen könne - wenn die HSH im Gegenzug kräftig schrumpfe. Das sei der Durchbruch gewesen, sagte ein mit dem Vorgang Vertrauter.
Der Spanier Almunia, dessen heimische Banken ihm weit mehr Kopfzerbrechen bereiten als die HSH, soll nun Wert darauf gelegt haben, das Verfahren im Grundsatz noch vor der Sommerpause zu beenden. Beim zweiten und letzten Gipfeltreffen gestern Mittag in Brüssel wurde das Paket daher bereits geschnürt. Die endgültige Zustimmung der EU-Kommission im September gilt nur noch als Formsache.
Dass die EU das Rettungskonzept für die HSH mitträgt und die Bank im Besitz der Länder bleiben darf, stößt überwiegend auf Zustimmung. Mit Sorge wird aber gesehen, dass sich die Bank von mehreren Sparten, wie der Flugzeug- und der internationalen Immobilienfinanzierung sowie einem kleinen Teil der Schiffsfinanzierung, trennen muss. "Wenn es Brüssel darum geht, die HSH überlebensfähig zu halten, macht es wenig Sinn, sie zur Aufgabe solcher Bereiche, die zum Geschäftsmodell passen, zu zwingen", sagte der Bankenexperte Professor Wolfgang Gerke dem Abendblatt. "Die Bank hat, ausgehend vom Schiffsgeschäft, eine hohe Expertise für die Flugzeugfinanzierung entwickelt. Die Gesundung der HSH wird ihr nicht leichter gemacht, wenn sie diesen Bereich nicht weiter betreiben darf." Er wertet die EU-Auflagen als "Bestrafung", die aber begründet sei: "Schließlich hat die HSH zuvor das Geld von Steuerzahlern aufs Spiel gesetzt."