Die Grünen-Fraktion im Kieler Landtag zieht ihr eigenes Fazit zur HSH-Krise: Das “war vorhersehbar und hätte verhindert werden können.“

Kiel. Das spekulative Kreditersatzgeschäft zu groß, die Eigenkapitalquote zu klein, das Risikomanagement kaum vorhanden, die Renditeerwartungen zu hoch. Dieses Fazit ziehen zumindest die Grünen im Kieler Landtag aus dem Untersuchungsausschuss zur HSH Nordbank. Zudem habe das Führungs- und Aufsichtspersonal klar versagt. Zwar ist die Beweisaufnahme noch nicht beendet und ein Abschlussbericht erst zur Sommerpause vorgesehen, doch die Grünen legten schon am Dienstag einen Vorschlag für einen Abschlussbericht vor. Die anderen Fraktionen zeigten sich wenig begeistert von dem Vorstoß. Sie kritisierten das schnelle Vorpreschen und das Vorlegen eines Berichts noch vor Ende der Beweisaufnahme. Die Grünen kommen zu dem Fazit: „Die Krise, welche die HSH Nordbank an den Rand der Zahlungsunfähigkeit brachte, war vorhersehbar und hätte verhindert werden können.“ Warnhinweise habe es genug gegeben, sie seien jedoch nicht erkannt worden. „In der kritischen Phase wurde die Bank schlecht geführt und katastrophal überwacht.“

Rückblick: 2003 fusionieren die Landesbanken von Hamburg und Schleswig-Holstein zur HSHNordbank AG. Das Institut wächst schnell, erzielt hohe Renditen, das neue Geschäftsmodell wird gelobt. Für 2008 ist der Börsengang geplant. Doch er wird mit dem Aufkommen der globalen Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise abgesagt. Es offenbaren sich Schwächen der Bank, die von Anfang an vorhanden waren, in den Boomjahren aber zumindest teilweise ignoriert wurden. Es folgen eine Kapitalerhöhung, eine Liquiditätsgarantie des Bankenrettungsfonds Soffin von 30 Milliarden Euro und weitere milliardenschwere Hilfen der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg. Die Parlamente in Hamburg und Kiel setzen Untersuchungsausschüsse ein, um zu klären, wie es zu der schweren Schieflage kam. Die Hamburger haben – wegen der vorgezogenen Bürgerschaftswahl am 20. Februar – ihren Ausschuss bereits beendet. Einen fast 700 Seiten starken Abschlussbericht soll die Bürgerschaft in ihrer letzten Sitzung am 9. Februar diskutieren. Die Kieler wollen die Beweisaufnahme erst Ende des ersten Quartals beenden.

Die Grünen wagen sich schon einmal vor und stellen fest: „Die Ursachen für diesen Niedergang der HSH sind vielfältig. Wesentliche Fehler unterliefen insbesondere im Kreditersatzgeschäft und beim Risikomanagement.“ Viele Zeugen – vor allem ehemalige Aufsichtsräte – sagten in Kiel aus, die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers sei Schuld am Beinahe-Kollaps der HSH gewesen. Man hätte ihn nicht vorhersehen können, zumal Ratingagenturen, Bankenaufsicht und Wirtschaftsprüfer dem Institut eine gute Performance attestiert hatten. Ihre Aufsichtspflicht sahen die Befragten als erfüllt an. Anders sieht es Grünen-Ausschussobmann Thorsten Fürter.„Der Aufsichtsrat ist seiner Verantwortung nicht gerecht geworden. Die Überwachung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat war katastrophal“, heißt es in dem vom ihm verfassten Berichtsvorschlag. Der Aufsichtsrat sei von Gesetzes wegen verpflichtet, sich ein eigenes Urteil über die Ordnungs- und Zweckmäßigkeit des Vorstandshandelns zu bilden. „Auch ein noch so gutes Rating kann eine eigene Risikobewertung in keinem Fall ersetzen.“ Fürter wirft dem Kontrollgremium „als Gruppe“ vor, nicht hinreichend qualifiziert gewesen zu sein, um die Themen vollständig zu erfassen. Die Landesregierung und vor allem der in der Krisenzeit für die Bank zuständige Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) kommen in dem Papier nicht gut weg; sie seien ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden, hätten bei vielen Sitzungen gefehlt. „Obwohl es um Milliardenrisiken ging, war die lückenlose Wahrnehmung der Landesinteressen somit nicht gewährleistet“, finden die Grünen. Zudem habe Wiegard den Landtag über die wahren Gründe der Kapitalerhöhung im Frühjahr 2008 belogen. Mit keinem Wort habe er damals eine drohende Herabstufung durch die Ratingagenturen erwähnt, obwohl er davon gewusst habe.

Fürter rechnet in vielen Punkten mit politischer Einigkeit im Parlament. Gerade aber bei den Schlussfolgerungen zur Arbeit des Aufsichtsrats erwartet er kontroverse Diskussionen, wenn der Ausschuss seinen Abschlussbericht erarbeitet. Erst einmal stoßen sich die anderen Fraktionen jedoch am Zeitpunkt der Veröffentlichung. „Zeugenaussagen sind offenbar nicht so interessant für Herrn Fürter“, sagte dessen FDP-Kollegin Ingrid Brand-Hückstädt. Der Ausschuss warte noch auf ein angekündigtes Gutachten zu möglichen Verfehlungen des HSH-Aufsichtsrats, sagte SSW-Mann Lars Harms. Vorher sei eine abschließende Bewertung gar nicht möglich, der Vorstoß der Grünen „unseriös“. Ähnlich äußerten sich CDU und SPD. (dpa)