Protest gegen Wohnungsleerstand in verschiedenen Stadtteilen. Bei der Polizei sorgte die Aktion jedoch eher für Schulterzucken.
Hamburg. Gleich an mehreren Orten in der Stadt haben linke Gruppen am Wochenende mit Aktionen den Gebäude-Leerstand und die Wohnungsnot in Hamburg angeprangert. An der Hafentreppe trafen sich am Sonnabend rund 150 Gegner des Bernhard-Nocht-Quartiers (BNQ), um mit einem "kollektiven Kunstwerk" für bezahlbaren Wohnraum zu demonstrieren. Unter dem Titel "The Big Blue" füllten die Teilnehmer blaue Müllsäcke mit Zeitungspapier, trugen diese zur Bernhard-Nocht-Straße und warfen sie unter Aufsicht der Polizei auf das BNQ-Gelände. "Ziel des Spiels ist es", heißt es in einer Mitteilung der Initiatoren, "die Lücke zwischen zwei Gebäuden in möglichst kurzer Zeit mit einem Wall aus blauen Beuteln zu füllen."
Die Polizei misst der Müllaktion am Bernhard-Nocht-Quartier nach bisherigen Ermittlungen keine weitreichende Bedeutung bei. "Einige Personen haben Müll auf die Straße gelegt", sagt Polizeisprecherin Ulrike Sweden. Die Stadtreinigung habe den Müll wieder entfernt. "Das ist alles gewesen."
Andere Demonstranten riefen am Wochenende dazu auf, leer stehende Häuser zu besetzen und sich gegen die fortschreitende Gentrifizierung zu wehren. "Wir kämpfen für billige Wohnungen für alle!", schrieben die Initiatoren in einer Rund-Mail. Am Sonnabend klebten sie Plakate an leer stehende Häuser im Schanzenviertel, in Altona-Altstadt und Rothenburgsort. "Wohnungsspekulanten enteignen" oder "Kein Privateigentum an Mietwohnungen" steht auf den Zetteln, die etwa die rissige Fassade des Gebäudes am Neuen Kamp 3 zieren. An der Haustür prangt in silbernen Buchstaben der Spruch: "Komm in den Leerstand!!!" Dass hier vermutlich schon lange niemand mehr wohnt, davon zeugen auch die demolierten Fensterrahmen und die vergilbten Klingelschilder. Dabei steht das Haus im beliebten Schanzenviertel, in dem potenzielle Mieter bereit sind, horrende Preise zu zahlen.
Ebenso verwahrlost ist das Haus Nummer 16 an der Breiten Straße. Die grüne Farbe an der Fassade ist abgeblättert, das Schaufenster im Erdgeschoss mit Graffiti beschmiert und die Haustür mit einem schweren Vorhängeschloss verrammelt. Niemand öffnet.
"Das Bild dieser Stadt verkommt zu einer Fratze", schreibt einer der Hausbesetzer. Gier bestimme, wer bleiben dürfe und wer gehen müsse. Dagegen wolle sich die Initiative wehren. Zudem kritisiert sie, dass alternative Lebenskonzepte nicht toleriert würden. Ein Beispiel dafür sei das Hausprojekt Liebig 14 in Berlin. "Das Projekt ist ständig staatlicher Repression ausgesetzt."
In ihrem Schreiben fordert die Hamburger Initiative "billige Wohnungen für alle und die Entkriminalisierung von Hausbesetzungen". Weiter heißt es: "Mit der Besetzung wollen wir ein Zeichen dafür setzen, dass uns die Entwicklung der Stadt und der Gesellschaft nicht passt."
Bei der Polizei sorgte die vermeintliche Hausbesetzung jedoch eher für Schulterzucken als für Alarmstimmung. "Es wurden einige Plakate und Transparente aufgehängt, die wir dann wieder abgehängt haben", sagt Polizeisprecherin Ulrike Sweden. In keinem der Fälle hätten sich unbefugte Personen in den Gebäuden aufgehalten. Dies sei auch nicht versucht worden.
Zuletzt war es Anfang Februar in Hamburg nach der Räumung eines linksalternativen Wohnprojektes an der Liebigstraße in Berlin-Friedrichshain zu größeren Ausschreitungen gekommen. Etwa 450 Demonstranten hatten sich vor der Roten Flora am Schulterblatt zu einer Solidaritätskundgebung für die Berliner Hausbesetzerszene versammelt. Anschließend zogen sie Richtung Reeperbahn. Erst als die Polizei einen Wasserwerfer auffuhr, beruhigte sich die Lage.