Bürgermeister geht im Wahlduell in der Handelskammer auf Olaf Scholz zu. Der SPD-Mann reagiert abweisend und wirft der CDU Fehler vor.
Hamburg. Der Bürgermeister muss erst zählen, um seinen Trumpf auszuspielen: "Studiengebühren streichen, Kita-Gebühren senken, das sind 80, 150, nein 500 Millionen Euro, die Sie als Wahlgeschenk versprechen, Herr Scholz", sagt Christoph Ahlhaus. Sein Herausforderer hebt den Kopf, blickt eher genervt als ertappt. "Herr Ahlhaus, wir sind hier nicht auf dem Fischmarkt", sagt Olaf Scholz. Es klingt strenger, als es sich ein amtierender Regierungschef gefallen lassen müsste.
Doch Ahlhaus kommt in dieser Diskussion nicht mal dann aus der Defensive, wenn er eigentlich im Angriff ist.
Ausgerechnet in der Handelskammer sind die Kontrahenten Scholz und Ahlhaus gestern aufeinandergetroffen: Auf den Tag eine Woche, nachdem Kammer-Präses Frank Horch zurückgetreten ist, um als Schatten-Wirtschaftssenator ins Team der SPD zu wechseln. Ein Überlauf geradezu, und so nahm Horch im Unterschied zu anderen ehemaligen Kammerspitzen nicht am Labskaus-Essen zum 346. Geburtstag der Kammer mit mehr als 500 Unternehmern teil. Die direkte Konfrontation mit Horch mochten die Kammer-Strategen Ahlhaus dann doch nicht zumuten.
Horch ist auch so zentrales Politikum: Für Scholz ist er das Bekenntnis der SPD zur Wirtschaft. Ahlhaus hingegen warnt den frischgebackenen Politiker Horch vor seinen neuen Freunden: Die SPD, die auf Bundesebene eine Spitzen- und Vermögenssteuer fordere - wie passe das zu einem Wirtschaftssenator Horch?, fragt Ahlhaus. "Herr Scholz", sagt der Bürgermeister, "Sie müssen sich entscheiden, ob Sie Ihre Versprechen für Hamburg einhalten oder das, was Sie in Berlin sagen."
Scholz' Antworten sind knapp: "Ja", er habe die Gewerkschafter in seiner Partei schon eingenordet. "Nein", er werde sich, sollte das ein Thema sein, von den Grünen beim Posten des Wirtschaftssenators nichts vorschreiben lassen. Und während Ahlhaus davon spricht, was die Grünen in seiner Koalition alles verhindert hätten, von "Ideologen und Bevormundern" redet, holt Scholz zum nächsten Schlag aus.
"Ich erwarte von einem Politiker die Statur, nur die Dinge zu tun, die er vertreten will", sagt der SPD-Politiker. Eine verbale Ohrfeige für Ahlhaus, der sich kürzlich noch als Freund der GAL präsentierte und nun viele Fehler auch mit der Begründung einräumt, die Grünen hätten ihn nicht gelassen. Dazu zählt auch, dass die GAL Horch als Wirtschaftssenator in einem schwarz-grünen Kabinett verhindert habe.
Ahlhaus jedenfalls gibt sich tiefschwarz an diesem Abend. Nicht ganz ohne Ironie: Im Streit zwischen der Hafenwirtschaft und der Stadt sei kein "grüner Tisch" gefragt, sondern einer mit "weißem Tischtuch" angebracht, sagt er. Er meidet seine einstige Lieblingsphrase, Ökologie und Ökonomie zu "versöhnen". Ahlhaus stellt in Aussicht, die Behörde für Stadtplanung und Umwelt neu zu strukturieren. "Es kann ja nicht sein, dass der eine Teil der Behörde die Ziele des anderen ständig konterkariert". Klingt so, als habe er genug von Versöhnungen.
Die Fragen von Hamburg-1-Moderator Herbert Schalthoff streifen durch die zentralen Felder der Wirtschaftspolitik. Viele Unterschiede sind zwischen den beiden nicht auszumachen. Scholz macht aus seiner Überlegenheit kein Hehl: Er hält sich für den besseren Bürgermeister und wirft der CDU vor, schlecht regiert zu haben. "Ich bewerbe mich als Bürgermeister und nicht als Stadtkönig", hält Ahlhaus dem Widerpart den Spiegel vor.
Die Schlussbotschaften können nicht unterschiedlicher sein. "Wer es noch nie getan hat, sollte sich überlegen, ob er zum ersten Mal SPD wählt", sagt Scholz selbstbewusst in den Saal. Dafür gibt es Applaus. "Ideologen und Bevormunder dürfen nicht mehr ans Ruder kommen", sagt Ahlhaus und meint einmal mehr die Grünen. "Wer gemeinsame Ziele hat, sollte gemeinsam alles dafür tun, diese Ziele auch zu erreichen." Das ist, ganz unverhohlen, die Aufforderung zur Großen Koalition.