Viele Verletzte durch Blitzeis: “Die Zustände hier sind fast so wie im vergangenen Jahr“, sagt Ulrich Mayer, Leiter der UKE-Notaufnahme.

Hamburg/Lübeck/Oldenburg/Bremen. Das Blitzeis-Wetter hat in Hamburg und Norddeutschland am Donnerstag eine Serie von Unfällen ausgelöst: Seit dem frühen Morgen sind allein in der Hansestadt mehr als 100 Glätte-Opfer mit Knochenbrüchen und Prellungen in die Asklepios Kliniken und das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) eingeliefert worden. "Die Zustände hier sind fast schon genauso wie im vergangenen Jahr", sagt Ulrich Mayer, Leiter der Zentralen Notaufnahme im UKE. Dort wurden mehr als 20 Hamburger nach Stürzen auf Glatteis behandelt.

An Tagen ohne Glatteis würden höchstens zwei oder drei Hamburger nach Stürzen in die Unfallchirurgie eingeliefert - und meistens ältere Menschen. "Heute haben wir viele junge Leute hier, die auf dem Weg zur Arbeit gestürzt sind", so Mayer. Gerade mit schicken Schuhen ohne Profil habe man auf den glatten Straßen keine Chance.

Die Asklepios Kliniken Barmbek und Wandsbek haben die Anzahl der Chirurgen in der Notaufnahme kurzfristig verdoppelt. Allein in der Asklepios Klinik Barmbek wurden am frühen Vormittag 15 Patienten behandelt, in der Asklepios Klinik Nord-Heidberg und der Asklepios Klinik St. Georg waren es jeweils mehr als ein Dutzend, in der Asklepios Klinik Wandsbek und im Westklinikum Hamburg (Rissen) jeweils zehn und in der Asklepios Klinik Harburg sechs Patienten.


Auch bei Blitzeis gilt Streupflicht

Zu den typischen glatteisbedingten Verletzungen zählen Frakturen der Hand- und Fußgelenke, des Ellenbogens und der Unter- und Oberschenkelknochen. Einige Patienten haben auch Platzwunden am Kopf, Frakturen der Halswirbel oder ausgekugelte Schultergelenke. Etwa ein Drittel der Patienten muss aufgrund der Schwere der Verletzungen stationär in der Klink verbleiben.

Auch Autofahrer haben mit dem Eis zu kämpfen. An diesem Morgen wurden in Hamburg schon 140 Verkehrsunfällen gezählt. Das sind deutlich mehr als an normalen Tagen, sagte ein Polizeisprecher. Die Feuerwehr registrierte seit 6 Uhr 200 wetterbedingte Einsätze. Die meisten Karambolagen haben sich auf Nebenstraßen ereignet, auf denen noch Eis und Schnee liegt. Der Regen hatte die Straßenverhältnisse dann noch einmal verschlechtert. Da die Hauptverkehrsstraßen intensiv geräumt wurden, kam es dort nicht zu Behinderungen. "Im Gegenteil, dort war sogar weniger Verkehr zu verzeichnen", so ein Polizeisprecher. Die Hamburger Stadtreinigung war seit 3 Uhr mit 120 Streufahrzeugen im Einsatz. Die Strategie gegen das Blitzeis: 20 Gramm Feuchtsalz pro Quadratmeter.

Große Vorsicht ist allerdings für Fußgänger in Hamburg geboten: Viele Bürgersteige haben sich in wahre Eisbahnen verwandelt, oft sind Gehwege komplett vereist. Es herrscht "Knochenbrecher-Wetter". Viele Menschen sind deshalb am Morgen vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen.

Im Kreis Harburg hat das Blitzeis für derart glatte Straßen gesorgt, dass ein Schulbusfahrer bei einem Unfall verletzt worden ist. Obwohl der 54-Jährige den vollbesetzten Bus in Hanstedt nur in Schrittgeschwindigkeit über eine abschüssige Straße lenkte, rutschte er in einen entgegenkommenden Wagen, so die Polizei. Der Fahrer wurde mit einer Platzwunde in eine Klinik eingeliefert. Freude statt Ärger bescherte der Unfall den Schülern: Sie konnten zu Fuß wieder nach Hause, da es auf der glatten Straße für den Bus nicht mehr weiter ging.

Schleswig-Holstein: Zahlreiche Unfälle auf Autobahnen

Der gefrierende Regen hat auch die Straßen in weiten Teilen Schleswig-Holsteins in Rutschbahnen verwandelt. Vielerorts waren nach Polizeiangaben bis zu zwei Zentimeter Eis auf den Straßen. „Das ist schon extrem glatt“, sagte eine Polizeisprecherin in Kiel. Es gab zahlreiche Unfälle auf den Autobahnen und Bundesstraßen in Schleswig-Holstein. Lastwagen stellten sich quer. Selbst Streifenwagen der Polizei kamen nicht mehr von der Stelle.

Auf der A1 bei Ratekau (Kreis Ostholstein) kam ein 18-Jähriger mit seinem Auto auf eisglatter Fahrbahn ins Schleudern und rutschte in die Mittelleitplanke. Während der Rettungsarbeiten schlidderte ein zweites Auto in den auf dem Standstreifen stehenden Rettungswagen. Fünf Menschen wurden verletzt, darunter die beiden Sanitäter. Neue Probleme gab es laut Polizei, als die Sperrung an der Unfallstelle nach zwei Stunden aufgehoben wurde. Die Fahrbahn war so vereist, dass die im Stau stehenden Lastwagen zunächst nicht von der Stelle kamen. Sie mussten warten, bis die Fahrbahn abgestreut wurde.

Die meisten Unfälle gingen in Schleswig-Holstein allerdings glimpflich aus. Wegen der extremen Witterung wurde in zahlreichen Kreisen der öffentliche Nahverkehr zeitweise eingestellt. Nach Angaben der Polizei waren zunächst die Regionen Quickborn, Norderstedt, Henstedt-Ulzburg, Pinneberg, Bad Segeberg, Elmshorn und Lübeck betroffen. Außerdem konnte die Behindertenbeförderung in Glückstadt und Lübeck nicht mehr gewährleistet werden.

Niedersachsen und Bremen: Eisregen lähmt Verkehr und Schulbetrieb im Norden

Auch in weiten Teilen Niedersachsens und Bremens behindern Eisregen und Schneeverwehungen den Verkehr. In den Landkreisen Oldenburg und Osnabrück kam es am Donnerstagmorgen durch gefrierenden Regen zu zahlreichen Unfällen. Auch hier blieb es aber bei Blechschäden, sagte ein Polizeisprecher. In den Landkreisen Goslar und Wolfenbüttel behinderten Schneeverwehungen in der Nacht den Verkehr. Das Autobahndreieck Bad Harzburg musste sogar vorübergehend gesperrt werden. Die Bundesstraße 6 in Baddeckenstedt (Landkreis Wolfenbüttel) blieb auch am Morgen bis auf weiteres unpassierbar.

In Niedersachsen führte der Eisregen sogar zu Unterrichtsausfall an vielen Schulen. Betroffen sind die Landkreise Ammerland, Aurich, Cloppenburg, Friesland, Leer, Osterholz-Scharmbeck und Rotenburg, sagte die Polizei. Außerdem fällt der Unterricht an allgemeinbildenden Schulen in Wilhelmshaven aus. Der Transport der Kinder sei bei solchen Witterungsbedingungen für die Eltern unzumutbar.

Mecklenburg-Vorpommern: A24 gesperrt - mindestens 70 Unfälle

Eisregen hat den Verkehr auf den Straßen Mecklenburg-Vorpommerns zeitweise stark behindert. Bis zum Mittag ereigneten sich landesweit rund 70 Unfälle - die Hälfte davon in Westmecklenburg – wobei es fast immer bei Blechschäden blieb. Die Schäden wurden auf mehrere hunderttausend Euro geschätzt.

Die größten Behinderungen gab es auf den Autobahnen 24 Berlin-Hamburg, die gleich an zwei Stellen voll gesperrt werden musste, und auf der Autobahn 20 nach mehreren Unfällen zwischen Rostock und Stralsund. Da in vielen Landkreisen auch Schulbusse nicht fuhren, stellte das Schweriner Innenministerium den Eltern es frei, ihre Kinder in die Schule zu schicken.

Der Regen hatte am frühen Morgen vor allem Straßen und Fußwege in Westmecklenburg in gefährliche Rutschbahnen verwandelt. Weiter östlich ging der örtlich nur schwache Regen schnell in Schnee über. Zahlreiche Busunternehmen, wie in Schwerin, stellten vorübergehend den Verkehr ein.

Auf der A24 kam es innerhalb von zwei Stunden zu sechs Unfällen zwischen den Abfahrten Hagenow und Ludwigslust, allein fünf davon in Richtung Hamburg. Ein Autotransporter kam ins Schleudern, kippte um und verlor mehrere Wagen, zur Bergung musste am Vormittag die Autobahn komplett gesperrt werden. Wegen einer Unfallserie war die A24 auch bei Pritzwalk in Nordbrandenburg in Richtung Norden bereits gesperrt.

In Höhe des Parkplatzes Schremmheide (Kreis Ludwigslust) rutschte die Zugmaschine eines Sattelschleppers in den Graben, der Auflieger blockierte die Stand- und die Hauptfahrspur in Richtung Hamburg. Glück im Unglück hatten zwei Autofahrer auf einem anderen A24-Rastplatz in der Nähe: Ein Lkw-Fahrer überschätzte sich bei der Einfahrt und rammte beide Wagen, zum Glück saß niemand darin.

In Klütz (Nordwestmecklenburg) prallte ein Lkw-Fahrer gegen eine Hauswand und beschädigte die Fassade. Für andere Gefahren sorgten Tannenbäume: Windböen wehten die schon am Dreikönigstag zur Entsorgung an die Straßen gelegten Bäume auf die Straße, wo Autos behindert wurden – unter anderm auf der B192 in Waren. (dpa)