Weihnachten kommt der Schwerverbrecher frei. Seine Unterbringung ist allerdings unklar. SPD mahnt Konzept für Sicherungsverwahrte an.
Hamburg. Es wird am zweiten Weihnachtstag passieren. Nach 21 Jahren Haft und Sicherungsverwahrung werden sich die Anstaltstore für Heiner K. (Name geändert) öffnen. Er wird der erste Gefangene sein, der in Hamburg aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) entlassen wird - der erste von 17 bis 2024 (wir berichteten). Doch wo der 60-Jährige unterkommen wird, ist noch völlig unklar. Wie er betreut wird ebenso.
Derzeit laufen sogenannte Maßnahmen zur "Außenorientierung, zur Unterkunftsbeschaffung sowie Gewährleistung einer Nachbetreuung", wie es in einer Senatsantwort auf eine Anfrage der SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Jana Schiedek und Andreas Dressel heißt.
Bei Heiner K. handelt es sich um einen verurteilten Gewalttäter. Er hatte 1984 mit einem Trinkkumpan einen 27-Jährigen im Hotel Eden in St. Georg erdrosselt. Dieser Fall blieb lange ungelöst. Fünf Jahre später erdrosselte er gemeinsam mit seiner Freundin einen 79 Jahre alten Rentner. Seitdem hat Heiner K. in Haft gesessen.
Gut möglich, dass der 60-Jährige des gleichen Bewachungsaufwandes bedarf wie Hans-Peter W. , der Mitte Juli aus einem Gefängnis in Freiburg (Baden-Württemberg) entlassen. Er war 1981 wegen Vergewaltigung verurteilt worden. Er kam frei, weil der EGMR entschieden hatte, dass eine auf zehn Jahre befristete Sicherungsverwahrung nach der Haftstrafe nachträglich nicht verlängert werden darf.
Wenige Tage nach seiner Entlassung kam W. auf eigenen Wunsch nach Hamburg. Seitdem wird er von jeweils vier Polizisten in wechselnden Schichten bewacht. Laut einer Senatsantwort auf eine Anfrage, die SPD-Innenexperte Dressel gestellt hatte, haben die Maßnahmen der Polizei bislang mehr als 314.000 Euro gekostet - also rund 100.000 Euro im Monat.
Es sind allerdings weniger die Kosten, die der Polizei zu schaffen machen. Schließlich werden keine Beamten zusätzlich eingestellt, die für weitere Ausgaben sorgen würden. Es ist vielmehr die Tatsache, dass immer mehr Polizisten für derartige Bewachungsmaßnahmen abgestellt werden müssen und daher nicht mehr für ihre eigentliche Arbeit zur Verfügung stehen. Auch das geht aus der Senatsantwort hervor. Darin heißt es: "In Einzelfällen kann es dazu kommen, dass die von diesen Beamten an ihren Stammdienststellen zu bewältigenden Aufgaben nicht wahrgenommen werden können." Darin sehen sich Gewerkschafter in ihren Befürchtungen bestätigt. So hatte André Schulz, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), unlängst die Personalknappheit angemahnt. "Unsere Kollegen bewachen nur noch, anstatt Straftaten aufzuklären."
Bis Ende kommenden Jahres stehen insgesamt fünf Entlassungen von Häftlingen in Hamburg an. Davon kann zumindest einer als vergleichsweise ungefährlich angesehen werden. Es handelt sich um einen verurteilten Betrüger, der inzwischen 72 Jahre alt ist. Er kommt Ende Januar frei. Zwei der Männer sind verurteilte Sexualstraftäter. Und Ende Oktober 2011 kommt ein Mann frei, der 1985 während seines Hafturlaubs einen Mann getötet hat. Er saß zu dieser Zeit wegen eines Mordes, den er als Jugendlicher begangen hatte, im Gefängnis.
Bei keinem der Männer ist die Unterbringung geklärt. "Das zeigt einmal mehr, dass Hamburg auf dieses Problem bei Weitem nicht so gut vorbereitet ist, wie der Senat der Öffentlichkeit immer suggeriert", kritisiert SPD-Mann Dressel. Er fordert den Senat auf, gesicherte Therapieplätze für diejenigen einzurichten, die nach einem neuen Bundesgesetz weiter geschlossen untergebracht werden können. Dressel: "Die kaum zu bewältigende Bewachung von Hans-Peter W. sollte allen Verantwortlichen eine Lehre sein." Dass Justizsenator Steffen weiter für die Entlassung aller vom EGMR-Urteil betroffenen Sicherungsverwahrten plädiert, ist, so Dressel, nicht verantwortbar. "Und dass die CDU dazu schweigt, ist erst recht nicht nachzuvollziehen."