Auch Justizsenator Till Steffen nahm an einer Mahnwache teil. Bahnchef Grube ist sich trotz aller Proteste “sicher, dass der Bahnhof kommt“.

Hamburg. 100 Hamburger haben am Freitagabend gegen die Eskalationen bei den Demonstrationen gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 protestiert. Laut Polizei solidarisierten sich am Freitag vor dem Hauptbahnhof rund 50 Menschen mit den Opfern der Polizeiaktionen in Stuttgart . Unter ihnen waren auch Justizsenator Till Steffen (GAL) und die GAL-Vorsitzende Katharina Fegebank. Etwa 50 Menschen versammelten sich am Bahnhof Altona. Weitere Kundgebungen gab es unter anderem in Kiel. Die Grünen hatten bundesweit zu den Protesten aufgerufen. In Suttgart demonstrierten 50.000 Menschen gegen das umstrittene Großprojekt .

Die Polizei war am Donnerstag in der baden-württembergischen Landeshauptstadt mit Tränengas, Pfefferspray und Wasserwerfern gegen die Bahnhofsgegner vorgegangen. Hunderte wurden dabei verletzt. Die Hamburger Innenbehörde wollte sich zu der Eskalation nicht äußern. Das Vorgehen der Polizei sei Ländersache, sagte ein Sprecher. Die Hansestadt habe aber Erfahrung mit Ausschreitungen. So hätten die Beamten nach dem jüngsten Schanzenfest durch Zurückhaltung und durch konsequentes Einschreiten bei schwereren Straftaten Schlimmeres verhindert, sagte Innensenator Heino Vahldieck (CDU).

Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) bemühte sich, die Wogen zu glätten. „Die Bilder von gestern dürfen sich nicht wiederholen“, appellierte der CDU-Politiker am Freitag in Stuttgart. „Es darf keine weitere Eskalation, keine weitere Verletzten bei Demonstranten und Polizisten geben.“ Mindestens 50.000 Stuttgart-21-Gegner kritisierten am Abend insbesondere die Landesregierung. Sie sei für den Gewaltausbruch vom Donnerstag verantwortlich.

Trotz der massiven Proteste gibt es nach Ansicht von Bahnchef Rüdiger Grube kein Zurück beim Projekt Stuttgart 21. „Ich bin sicher, dass der Bahnhof kommt“, sagte Grube der „Süddeutschen Zeitung“ (Sonnabend).

Mappus hatte Projektgegner zuvor aufgerufen, den Gesprächsfaden mit den Bauherren und Befürwortern wieder aufzunehmen. „Ich habe immer gesagt, dass meine Hand ausgestreckt bleibt.“ Das Aktionsbündnis gegen das Bahnprojekt lehnte ein Gespräch mit Mappus aber kategorisch ab. „Herr Mappus will uns die Hand reichen? So wie gestern, mit Schlagstock und Pfefferspray?“, erklärte Gangolf Stocker, Chef der Bürgerinitiative „Leben in Stuttgart – Kein Stuttgart 21“.

Nach der Eskalation am Vortag mit vielen Verletzten hielt sich die Polizei am Freitagabend auffällig zurück. Zu Protesten kam es auch in zahlreichen anderen Städten wie Berlin und Frankfurt/Main. Die Stuttgarter Protestierer kündigten weitere massive Demonstrationen an. Ein Redner diagnostizierte „Panik“ bei der Landesregierung - daher sei es auch zur Gewalt gekommen. Mappus verteidigte das Vorgehen der Einsatzkräfte, die von Demonstranten unter anderem mit Flaschenwürfen provoziert worden seien. Er bedauerte mit Blick auf die zahlreichen Verletzten, „dass ein solches Vorgehen notwendig geworden ist“. Landesinnenminister Heribert Rech (CDU) gab den Demonstranten die alleinige Schuld für die Gewalt. Die wiederum forderten am Freitag lautstark seinen Rücktritt. „Wir haben im Augenblick keinerlei Anhaltspunkte für Fehlverhalten der Polizei“, sagte Rech. Das „Jahrhundertprojekt“ Stuttgart 21 dürfe nicht infrage gestellt werden.

Die Bundesregierung mahnte neue Gespräche zwischen Gegnern und Befürwortern an. Es gebe viele Möglichkeiten, die Interessen und Sorgen der Bürger bei der Ausgestaltung des Projektes aufzunehmen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) forderte von beiden Seiten, aufeinander zuzugehen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verband das Bauvorhaben erneut mit der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 27. März. Bei der Wahl gehe es auch um die Zukunftsfähigkeit des Landes insgesamt, sagte Merkel im SWR. Zu den Protesten am Donnerstag sagte sie: „Ich wünsche mir, dass solche Demonstrationen friedlich verlaufen. Das muss immer versucht werden, und alles muss vermieden werden, was zu Gewalt führen kann.“

Grünen-Chef Cem Özdemir übte scharfe Kritik an Merkel, weil sie nur die Demonstranten zur Friedfertigkeit aufrief. „Sie hätte ihren Appell an den Innenminister und an ihre Parteifreunde der CDU in Baden-Württemberg richten müssen – von denen geht die Gewalt aus.“

Der Bundestags-Innenausschuss wird sich erst am kommenden Mittwoch mit den Auseinandersetzungen in Stuttgart beschäftigen. Die kurzfristig von der Opposition beantragte Sondersitzung war nach Ansicht des Unions-Innenexperten Hans-Peter Uhl eine reine Inszenierung. Der Linke-Innenexperte Jan Korte warf Union und FDP vor, sich aus der Verantwortung ziehen zu wollen. Auch der Stuttgarter Landtag wird sich kommende Woche mehrfach mit dem Bahnprojekt beschäftigen. Mappus plant eine Regierungserklärung. Das Projekt Stuttgart 21 sieht den Umbau des Kopfbahnhofs in eine unterirdische Durchgangsstation und deren Anbindung an die geplante ICE-Neubaustrecke nach Ulm vor. Die Bahn rechnet mit Gesamtkosten von sieben Milliarden Euro. Kritiker befürchten eine Kostensteigerung auf bis zu 18,7 Milliarden Euro.