Zahlreiche Hamburger versammelten sich am Mittag zur Spontan-Demo vor der Kulturbehörde. Sie legten sich auf die Straße und sangen.
Hamburg. Da rissen die Touristen und Hamburger erstaunt die Augen auf: Eben noch an den Hohen Bleichen ein Handtäschchen in der Luxusboutique geshoppt, und schwupps – mittendrin im großen Flashmob vor der Hamburger Kulturbehörde. „Mit Fistelstimmen werden wir Euch bezwingen“, sangen Rocko Schamoni und Jacques Palminger vom Hamburger Blödeltrio Studio Braun im Kastratentremolo zur Spielmannsmusik (an der Querflöte: Heinz Strunk ). Der Mob jubilierte, die Polizisten schmunzelten. Am Ende sperrten die Beamten sogar die Straße, die so voll war, dass keine Autos mehr durchkamen. Die Demonstranten legten sich auf den Asphalt und ließen sich mit weißer Kreide ummalen: „Damit das Schauspielhaus kein Ahlhaus wird“, rief Palminger ins Megafon.
Dass sich Autor Rocko Schamoni für das Schauspielhaus einsetzt, kommt nicht von ungefähr. In der Spielzeit 2008/09 wurde sein Roman "Dorfpunks" erfolgreich auf die Bühne des Hamburger Theaters gebracht. In den Hauptrollen auch damals: Schamoni sowie seine Studio-Braun-Kollegen Heinz Strunk und Jacques Palminger.
Lesen Sie zu den Kürzungen des Schauspielhaus-Etats auch das Abendblatt-Interview mit Hamburgs Kultursenator:
Reinhard Stuth: "Die Kultur hat mehr Geld als zuvor"
Nun sind sie raus, die Spar-Ideen des neuen Senats. Kultursenator Reinhard Stuth (CDU) erläutert im Gespräch mit dem Abendblatt den Maßnahmenkatalog.
Hamburger Abendblatt: Der Bürgermeister hat die Kultur als den Gewinner der Sparklausur bezeichnet. Geben Sie ihm ohne Wenn und Aber recht?
Reinhard Stuth: Ja, unterm Strich hat die Kultur als einziger Bereich etwas mehr Geld als zuvor. Man kann sagen, dass wir Glück im Unglück gehabt haben, denn natürlich gibt es auch schmerzhafte Einbußen.
Das Schauspielhaus hat 1,2 Millionen Euro weniger, die Bücherhallen müssen eine Million sparen, das Altonaer Museum wird geschlosse n. Wer profitiert?
Stuth: Gewinner sind insbesondere diejenigen, die von der neuen Kulturtaxe profitieren werden. Wir gehen von einem jährlichen Zusatzbetrag für die Kultur von etwa 7,5 Millionen Euro aus. Das ist mehr, als wir jetzt notgedrungen einsparen mussten. Die Mittel sollen drei Bereichen zugute kommen: Festivals, Ausstellungen der Museen und Theaterproduktionen.
Die Generalintendanz für Schauspielhaus und Thalia ist nicht vom Tisch?
Stuth: Die war kein Thema bei den Haushaltsberatungen. Es gehörte nie in den Komplex der Sparnotwendigkeiten. Ich habe alle meine Zeit und Kraft auf die Vorbereitung der Sparklausur gerichtet, deshalb konnte ich mich in den letzten Tagen noch nicht intensiv mit dem Schauspielhaus beschäftigen. Damit beginne ich jetzt.
Sie schließen eine Generalintendanz nicht aus?
Stuth: Vorläufig kann und will ich nichts ausschließen, was theoretisch möglich wäre.
Nachdem Sie schon von der Intendantensuche sprachen, brachte der Bürgermeister die Generalintendanz ins Spiel. Man hatte den Eindruck, dass Sie gar nicht miteinander sprechen.
Stuth: Wir haben sowohl vorher als auch nachher darüber gesprochen. Der Vorschlag einer Generalintendanz ist von außen an ihn und mich herangetragen worden.
Was ihn ja nicht sinnvoller macht.
Stuth: Nicht unbedingt, trotzdem werde ich alle Vorschläge anhören und bewerten. Ich lasse mich nicht unter Druck setzen, irgendetwas von vornherein auszuschließen. Das hielte ich für unseriös.
+++ Streichliste: Hier will Hamburg sparen +++
Welche Bedeutung hatte da der Rücktritt von Friedrich Schirmer ?
Stuth: Wäre Schirmer in seinem Vertrag geblieben, hätten wir gar nicht darüber sprechen müssen, wer an der Spitze des Schauspielhauses steht.
Kann das Schauspielhaus künftig noch ernst zu nehmendes Theater machen, wenn Sie ihm 50 Prozent seines künstlerischen Etats streichen?
Stuth: Eines konnte man mir bisher noch nicht überzeugend darlegen: Warum konnte das Thalia-Theater bislang mit zwei Millionen und künftig mit einer Million Euro weniger im Etat ernst zu nehmendes Theater machen, das häufig gepriesen und ausgezeichnet wird, während ein anderes Haus das nicht schafft?
Warum schließen Sie das Altonaer Museum?
Stuth: Die Alternative wäre gewesen, bei allen Museen ein bisschen zu sparen, alle wären Verlierer gewesen. So bleiben von zehn Standorten neun, die dadurch dauerhaft gestärkt werden.
Uns wundert, dass Sie mit der Schließung 3,4 Millionen Euro sparen wollen. Der Betriebshaushalt beträgt 3,5 Millionen Euro, davon eine Million Miet- und 1,5 Millionen Personalkosten. Der Mietvertrag läuft lang, das Personal wird nicht entlassen. Die reale Einsparung dürfte eher symbolisch sein.
Stuth: Der Finanzsenator hat mir zugesagt, dass wir gegenüber dem städtischen Vermieter ein vorzeitiges Kündigungsrecht wahrnehmen können. Damit werden die Mieteinsparungen schon kurzfristig zu Buche schlagen. Im Übrigen ist es völlig normal, dass die vollständigen Effekte erst nach einer gewissen Zeit eintreten.
Und die Sammlung? Wird das Gebäude weiter für die Sammlung gebraucht, muss auch weiter Miete gezahlt werden.
Stuth: Es ist klar, dass die Betriebskosten eines geschlossenen Hauses, vom Licht über Reinigung bis hin zur Bewachung, niedriger sind, als die eines geöffneten Hauses. Auch die Finanzbehörde weiß, dass die Mitarbeiter weiterhin zur Stiftung Historische Museen gehören. Jetzt prüfen wir, wie wir damit umgehen. Bei strukturellen Einsparungen kann der volle Spareffekt nicht am ersten Tag erzielt werden.
Zu den Sparmaßnahmen gehört auch die teilweise Aussetzung der Privattheaterfinanzierung. Wen trifft das?
Stuth: Auch den Privattheatern steht ja künftig die neue Fördermöglichkeit durch die Kulturtaxe offen. Deshalb ist denkbar, dass die Privattheater unterm Strich mehr Förderung erfahren.
Das heißt, dass die Projektförderung auf den gesamten Kulturbereich ausgeweitet und die strukturelle Förderung heruntergefahren wird?
Stuth: Nicht der gesamte Kulturbereich ist betroffen: Wir haben vereinbart, dass insbesondere Festivals, Ausstellungen und Aufführungen mit hoher Qualität gefördert werden. Es ist doch ein gutes Prinzip, nicht nur starr und fantasielos Budgets zu verteilen, sondern auch auf individuelle Projekte und Anstrengungen einzugehen.
Dann gibt es aber keine Planungssicherheit mehr.
Stuth: Ja klar, Sicherheit ist immer das Bequemste. Ich habe den Eindruck, dass Kreative nicht nur auf die Bequemlichkeit gucken.
Ihre Vorgängerin hat eine Vereinbarung über die Anbindung der Sammlung Falckenberg an die Deichtorhallen unterzeichnet. Bleibt es dabei?
Stuth: Da gibt es eine gute Nachricht: Die Mittel dafür werden in Höhe von jährlich 570.000 Euro zur Verfügung gestellt, aber nicht aus dem Haushalt der Kulturbehörde, sondern aus der Senatskanzlei. Insofern gilt auch hier der Satz: Wir haben Glück im Unglück.
Interview: Maike Schiller, Joachim Mischke, Dr. Matthias Gretzschel