Im Abendblatt-Interview fordert Hamburgs Justizsenator Till Steffen (GAL) eine gesetzliche Quote für weibliche Führungskräfte.
Die Justizminister der Länder und des Bundes treffen sich von Mittwoch an zur Justizministerkonferenz in der Hansestadt. Vorsitzender ist Hamburgs Justizsenator Till Steffen (GAL). Der mit 36 Jahren jüngste Spitzenpolitiker der schwarz-grünen Koalition hat sich viel vorgenommen: Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt fordert er eine gesetzliche Frauenquote von 40 Prozent in Aufsichtsräten und Vorständen , ein Widerspruchsrecht gegen Aufnahmen von Google Street View und erklärt, warum die elektronische Fußfessel nicht taugt, um aus der Sicherheitsverwahrung entlassene Straftäter zu kontrollieren.
Hamburger Abendblatt:
Herr Senator Steffen, Hamburg und Bayern haben eine Initiative für eine Frauenquote in Aufsichtsräten und Vorständen börsennotierter Unternehmen gestartet. Wird von der Justizministerkonferenz das Zeichen ausgehen: Frauen an die Macht?
Till Steffen:
Es reicht nicht mehr aus, nur Appelle an die Unternehmen zu richten. Wir müssen für die großen börsennotierten Unternehmen ein Gesetz schaffen, das die Quote für Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen stufenweise erhöht. Dann ist den Unternehmen klar, dass sie Frauen mit der entsprechenden Erfahrung aufbauen müssen. Diesen Vorschlag werden wir in der Justizministerkonferenz vorlegen.
Wie hoch soll die Quote sein?
Sie sollte im Bereich von 20 Prozent anfangen und sich dann bis zu 40 Prozent steigern. Das ist eine denkbare Zahl, die wir aber noch ausgestalten müssen.
Warum nicht gleich 50 Prozent?
Aus verfassungs- und europarechtlichen Gründen können wir keine Frauenquote regeln, sondern nur festlegen, dass mindestens 40 Prozent von jedem Geschlecht vertreten sein muss. Wichtig ist außerdem, die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite getrennt zu betrachten. Eine Quote von 20 Prozent ist für Aufsichtsräte kein Problem, weil die Arbeitnehmerseite häufig schon Frauen schickt. Wir brauchen aber auch auf der Seite, die die Anteilseigner vertreten, mehr Frauen.
Dient eine Frauenquote in dem Bereich auch dazu, die Männer vor sich selbst und ihrer Arbeit zu schützen?
Dahinter steht die wichtige Frage des Arbeitsmodells. Niemand ist 80 Stunden in der Woche total arbeitsfähig. Ein Gesetz für mehr Frauen in den Führungsetagen würde einen starken Druck auslösen, über die gesellschaftliche Verträglichkeit dieser Arbeitsmodelle nachzudenken. Frauen sind zwar bereit, ihren Arbeitstag Vollzeit zu organisieren, aber sie wollen auch noch Zeit mit ihren Kindern verbringen. Bei vielen Männern gibt es noch ein klassisch geprägtes Bild, das dies dann nicht mehr vorsieht.
Eine gesetzliche Regelung lehnt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ab. Sie setzt auf Freiwilligkeit. Reicht das aus?
Eine freiwillige Regelung wird zu nichts führen. Wir brauchen ein Gesetz. Hamburg und Bayern werden einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorlegen, um zu zeigen, dass eine Quote machbar ist. Ich gehe davon aus, dass wir dazu eine konstruktive Diskussion auf der Justizministerkonferenz führen werden.
Weil die nachträgliche Sicherungsverwahrung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt, werden bundesweit bis zu 100 als gefährlich geltende Inhaftierte entlassen.
Was müssen die Justizminister beschließen, um die Sicherheit der Bürger zu schützen?
Wir brauchen zügig einen grundlegenden Konsens über eine Reform des Gesetzes. Es gibt einen dringenden Handlungsbedarf, denn die Rechtslage kollidiert mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, ist aber auch kompliziert und in sich widersprüchlich. Für die nachträgliche Sicherungsverwahrung wird es keinen Anwendungsbereich mehr geben. Stattdessen muss die Verankerung der Sicherungsverwahrung schon im Urteil erleichtert werden. Deswegen unterstütze ich den entsprechenden Vorschlag von Frau Leutheusser-Schnarrenberger.
Da sind Sie und die FDP-Ministerin weit entfernt von der Union, die ein eigenes Gericht für die nachträgliche Verhängung plant.
Die Union weckt zum Teil noch die falsche Hoffnung, dass man weitergehende Regelungen schaffen kann. Dafür sehe ich bei der geltenden Rechtslage keinen Raum. Ich würde mir wünschen, dass sie auf diese Forderungen verzichtet und die Justizminister sich auf gemeinsame Positionen einigen. Das wäre auch ein wichtiges Signal für den Bundesrat und den Bundestag.
Hessen will auf der Konferenz die elektronische Fußfessel als "erfolgreiches Projekt" vorstellen. Ist sie die Lösung für die Überwachung der Entlassenen?
Bei den Überlegungen für die Überwachung darf es keine Tabus geben. Bisher hat aber noch niemand dargelegt, wo die Fußfessel konkret angewendet werden soll. Es geht um teilweise ausgesprochen gefährliche Menschen. Eine elektronische Fußfessel, die mit satellitengestützter Überwachung jederzeit den Standort dieser Person erfassen kann, verhindert nicht die Straftat. Sie hilft höchstens hinterher bei der Aufklärung. Wir müssen aber weitere Opfer verhindern. In bestimmten Fällen ist eine polizeiliche Begleitung der Entlassenen erforderlich. Vor dieser Wahrheit dürfen wir uns nicht drücken.
Hamburg will mit einer Bundesratsinitiative für mehr Datenschutz bei Google Street View sorgen. Auch das wird Thema auf der Konferenz sein. Seine Kamerafahrten hat der Konzern vorerst gestoppt. Steht Google Street View vor dem Aus?
Das glaube ich nicht, und darauf habe ich es auch nicht angelegt. Mir geht es darum, dass man wie bei jeder Datensammlung den Bürgern die Möglichkeit gibt zu entscheiden, ob ihre Daten gesammelt werden sollen oder nicht. Auch im Telefonbuch kann man stehen oder nicht, aber es gibt trotzdem Telefonbücher.
Würden Sie Ihre eigene Wohnung dort zeigen lassen?
Auf keinen Fall.
Das Bundesverbraucherschutzministerium hat Ihnen vorgeworfen, Sie würden gleich nach neuen Gesetzen rufen, anstatt Google zunächst im Rahmen bestehender Regeln zu kontrollieren.
Dieser Vorwurf aus Berlin ist von keiner Sachkenntnis getrübt. Wir haben sehr intensive Aktivitäten in Hamburg, wo Google seinen Sitz hat. Der zuständige hamburgische Datenschutzbeauftragte ist in seinem Jahresbericht zu dem Ergebnis gekommen, dass es für diese Geodatendienste klare gesetzliche Regelungen geben muss. Aus dem Haus der Ministerin Aigner kam dazu nichts. Daraufhin habe ich einen Entwurf vorgelegt.
Was ist Ihnen dabei besonders wichtig?
Zentral ist das Widerspruchsrecht. Jeder muss als Eigentümer oder Mieter sagen können, dass er an den Aufnahmen der Straßen- und Häuserzüge nicht teilnehmen will. Wird das nicht befolgt, droht ein Bußgeld. Damit die Bürger widersprechen können, müssen die Aufnahmefahrten rechtzeitig vorher angekündigt werden. Wichtig ist dann die Löschung der Rohdaten.
Wie reagiert Google darauf?
Google hat inzwischen die Kamerafahrten weltweit gestoppt. Der Konzern setzt das Konzept seiner Datenerfassung neu auf. Das ist sehr vernünftig. Ich bin mir sicher, dass Google ein großes Interesse daran hat, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen.