Michael Freytag wird am 17. März auf der weltgrößten Immobilienmesse einen Empfang eröffnen und über Hamburg reden, den “Standort mit Zukunft“.
Am Mittwoch soll es in Cannes bis zu 16 Grad warm werden, auch die Sonne könnte sich blicken lassen. Ein schöner Tag zum Abschied nehmen.
Michael Freytag wird an diesem 17. März auf der weltgrößten Immobilienmesse zunächst einen Empfang eröffnen und noch einmal über Hamburg reden, den "Standort mit Zukunft". Er wird Sätze sagen wie "Der Immobilienmarkt in Hamburg bleibt auch in Zukunft für internationale Investoren attraktiv", und später am Nachmittag wird er über "Investitionsklima, städtische Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit" sprechen. Als wäre nichts gewesen, als stünde nichts bevor. Doch danach ist Schluss, als Finanzsenator, als Regierungsmitglied und überhaupt als Politiker. So endet ausgerechnet an der 1450 Kilometer entfernten Cote d'Azur eine der bemerkenswertesten politischen Karrieren im Hamburg des vergangenen Jahrzehnts.
Es ist ein leiser Abschied. Seit Freytag auf dem CDU-Parteitag im Hotel InterConti am 1. März seinen sofortigen Rückzug vom CDU-Landesvorsitz und den als Finanzsenator an diesem Mittwoch angekündigt hatte, ist es ruhig geworden um den 51-Jährigen. Interviewanfragen lehnt er konsequent unter Verweis auf seine Parteitagsrede ab - da habe er alles gesagt. In anderen Dingen zaudert er hingegen noch. Ob er noch einen Ausstand in der Behörde gebe? "Da hat er sich noch nicht entschieden", heißt es aus seinem Umfeld. Für Montag habe er aber seine engsten Mitarbeiter zu einem kleinen Umtrunk eingeladen.
Ob es eine offizielle Übergabe an seinen Nachfolger Carsten Frigge gebe? Auch noch nicht klar. Ob er denn noch den goldenen Staffelstab habe, den ihm sein Vorgänger Wolfgang Peiner bei der Amtsübergabe Anfang 2007 übergeben habe? Der Senator habe über die Frage geschmunzelt, hieß es - und überlege, wo er den Stab wohl hüte. Kritiker des aus dem Ruder gelaufenen Haushalts frotzeln, auf das Geld der Stadt habe er ähnlich gut aufgepasst. Aber das ist sicher ungerecht.
Die Vermutung, Freytag könnte die Finanzbehörde heimlich über den "Ho-Chi-Minh-Pfad" verlassen, jenen legendären, einst wegen der vielen Aktenschränke nahezu unpassierbaren Mansardengang unter dem Dach des Hauses, sind jedoch unbegründet. Innerlich gelöst von der Bürde des Amtes, die ihm im Jahr der HSH-Nordbank- und der Haushaltskrise mächtig zugesetzt hatte, vollzieht Freytag durchaus einige Abschiede, meist jedoch ohne großes Brimborium. Zum Beispiel seine letzte Senatssitzung am 2. März. "Sehr herzlich" soll die Atmosphäre gewesen sein, war aus der Runde zu hören, der scheidende Senator sei mit vielen warmen Worten bedacht worden. Kein Wunder - galt der CDU-Chef doch als einer der Architekten von Schwarz-Grün und betonte stets, wie harmonisch es mit der GAL laufe.
Auch von der Bürgerschaft, der er vor seinem Eintritt in den Senat 2004 immerhin 13 Jahre angehört hatte, "verabschiedete" sich Freytag am Tag darauf auf stille Weise - er war halt da. Ein Thema war er nicht, was für ihn auch positive Züge hatte. Denn es war eine Sondersitzung ausschließlich zur Schulreform - und die hat der CDU und ihrem Ex-Chef Freytag bislang wenig Glück gebracht. Es ist eine kleine Fußnote in der politischen Geschichte Hamburgs, dass seine Entlassungsurkunde ausgerechnet die grüne Schulsenatorin Christa Goetsch unterzeichnet - weil sein Parteifreund, Bürgermeister Ole von Beust, im Urlaub weilt.
Einen letzten offiziellen Auftritt als Finanzsenator in Hamburg hat Freytag aber noch, und zwar einen, der ihm viel bedeutet. Am Montag legt er zusammen mit Wirtschaftssenator Axel Gedaschko den Grundstein für das neue Kreuzfahrtterminal II in Altona. Dem Thema hatte er sich schon als Stadtentwicklungssenator mit Verve gewidmet - weil er es als wichtigen Standortfaktor für die Hafenstadt Hamburg betrachtet, aber auch aus persönlicher Leidenschaft. "Kreuzfahrt heißt für mich Seele baumeln lassen", verriet er jüngst bei der Taufe des Kreuzfahrtriesen MSC "Magnifica". Da könne man mal in Ruhe ein Buch lesen oder einen Wellness-Tag einlegen.
Nun, dazu wird der Finanzsenator a. D. demnächst etwas mehr Zeit haben. Denn wie aus seinem Umfeld zu hören ist, steht noch keineswegs fest, was der gelernte Bankkaufmann und Jurist künftig beruflich machen wird. Dabei habe sich Freytag von der Erkenntnis leiten lassen, dass es für einen amtierenden Finanzsenator eher unangebracht ist, Bewerbungsgespräche in eigener Sache zu führen.
Zumindest ein Gespräch die Zukunft betreffend hat Freytag aber schon geführt - mit seinem Nachfolger Frigge. Natürlich äußert sich auch der bisherige Wirtschafts-Staatsrat nicht zu seinem künftigen Amt - "aus Respekt vor Michael Freytag". Bekannt ist aber der gute Draht Frigges zum Bürgermeister - und von dem darf angenommen werden, dass er der Stadt im vermutlich letzten Abschnitt seiner Amtszeit keinen noch härteren Sparkurs verordnet als ohnehin.
Umgekehrt wird von dem ehrgeizigen und mit vielen Vorschusslorbeeren bedachten Unternehmensberater Frigge erwartet, dass er sich nicht als einfacher Mangelverwalter sieht. "Wir wissen auch nicht, was er vorhat", heißt es aus der Finanzbehörde. Fakt ist, dass es kaum Spielraum gibt, da kein finanzpolitischer Frühling in Sicht ist.
Da hat es Michael Freytag besser. Er erlebt zum Ende seiner Amtszeit wenigstens den gefühlten Frühling in Cannes.