SPD-Landeschef Olaf Scholz macht den gesamten schwarz-grünen Senat für die desaströse finanzielle Lage Hamburgs verantwortlich.
Hamburg. Am Tag nach dem überraschenden Rücktritt von Hamburgs CDU-Chef und Finanzsenator Michael Freytag hat die Opposition den gesamten Senat attackiert. Hamburgs SPD-Chef Olaf Scholz warf dem 51-jährigen Freytag persönliche Flucht vor. Er hinterlasse eine ganze Reihe von Problemen, die Freytag gar nicht allein zu verantworten habe, sagte Scholz dem Radiosender NDR Info. „Denn alles das, was ihm vorgeworfen wird, sind ja nicht Fehlentscheidungen von ihm alleine, sondern von der CDU-Regierung.“ Als Beispiele nannte Scholz die HSH-Nordbank und die Elbphilharmonie. „Das HSH-Nordbank Desaster ist angerichtet vom Bürgermeister (von Beust) und dem gesamten Senat.“ Das gelte auch für die aus dem Ruder laufenden Kosten etwa bei der Elbphilharmonie.
+++ ANALYSE VON ABENDBLATT-KORRESPONDENT PETER-ULRICH MEYER +++
Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Peter Tschentscher, hält den Schritt, den er seit Monaten erwartet habe, angesichts der finanzpolitischen Bilanz des Senats für gerechtfertigt. Der SPD-Obmann im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) HSH Nordbank, Thomas Völsch, sagte, Freytags „mehr als unglückliche Rolle“ im Zusammenhang mit der Krise der Bank hätte dem Finanzsenator mittelfristig keine andere Wahl gelassen als den Rücktritt.
Freytags Nachfolger bereiteten sich am Dienstag auf ihre neuen Aufgaben vor. Der 46 Jahre alte Carsten Frigge, noch Staatsrat in der Wirtschaftsbehörde, übernimmt Mitte März in der Finanzbehörde das Ruder und muss den in der Wirtschaftskrise aus dem Ruder gelaufenen Haushalt konsolidieren. Er wolle sich dazu aber nicht öffentlich äußern, bevor er sein Amt angetreten habe, sagte ein Sprecher der Wirtschaftsbehörde.Fraktionschef Frank Schira wurde bereits am Montagabend zum geschäftsführenden Vorsitzenden der Hamburger CDU bestimmt. Er soll dem Landesverband im Umfragetief Zuversicht vermitteln und die Gräben im Streit um die Schulpolitik zuschütten. „Wir haben harte Monate vor uns“, prognostizierte der 45-Jährige noch am Montagabend.
Freytag hatte nach dem Regierungsantritt von Beusts 2001 eine steile Karriere in Fraktion und Senat gemacht. Zunächst als CDU- Fraktionschef, dann als Umwelt- und Stadtentwicklungssenator, schließlich seit 2007 als Finanzsenator und CDU-Landeschef wurde der Bankkaufmann und promovierte Jurist zur wichtigsten Stütze des Bürgermeisters. Er war einer der Architekten der ersten schwarz- grünen Koalition auf Landesebene und galt eine Zeit lang als Beusts Kronprinz. Der Bürgermeister hat bislang offengelassen, ob er 2012 noch mal antritt.
Freytag hatte den rund 500 völlig überraschten Parteimitgliedern am Montagabend bei einer Versammlung den Schritt unter anderem mit den Belastungen der Krise um die HSH Nordbank und die Reederei Hapag- Lloyd begründet. „2008 bis 2009 war das härteste Jahr in meinem Leben.“ Er wolle sich seine Unabhängigkeit erhalten und wechsele jetzt in die Wirtschaft.Beust sprach von einem Einschnitt für die Hamburger Union. Bereits am Mittwoch hat die CDU-Fraktion Gelegenheit, wieder einen Schritt nach vorn zu machen. Dann werden in der Bürgerschaft Änderungen am Schulgesetz beraten. CDU, GAL, SPD und Linke hatten sich auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt, um dem drohenden Volksentscheid gegen die sechsjährige Primarschule politisches Gewicht entgegensetzen zu können. Regierungsparteien und Oppositionen erklärten sich zu einem langfristigen Schulfrieden in der Hansestadt bereit.
Nach Ansicht der Freien Wähler ändert der Abgang von Freytag von der Brücke der Finanzbehörde gar nichts. "Der Beust-Senat bleibt weiterhin Rekord-Schuldenmeister der Hamburger Geschichte und dümpelt konzeptlos mit einem lecken Staatsschiff im Ozean der Finanzkrise dahin“, erklärte der Vorsitzende der Organisation, Wolf Achim Wiegand, am Dienstag und fügte hinzu: "Nach dem fluchtartigen Abgang seines Zahlmeisters macht der Erste Bürgermeister Ole von Beust nicht den Eindruck, als wolle er das Ruder des Staatsschiffes herumreißen. Er lässt seine Senatoren weiter hemmungslos Geld für überflüssige Prestigeprojekte wie die umstrittene Schulreform oder die unfinanzierte Stadtbahn verbrennen, während Naheliegenderes unterbleibt, wie das Stopfen der Schlaglöcher auf den wintergeschädigten Straßen.