Schwarz-Grün will bis Ende November noch mehrmals tagen. Protest gegen Einsparungen in den Bezirken.
Hamburg. Das Heulen und Zähneklappern in Hamburg wird vertagt. Der CDU/GAL-Senat, der sich heute und morgen zur Sparklausur trifft, hat die für morgen vorgesehene Verkündung der Ergebnisse abgesagt. Grund ist der Koalitionsvertrag von CDU und FDP in Berlin: "Die aktuellen Entwicklungen im Bund sind derzeit noch nicht konkret auf Länderebene herunterzubrechen", sagte Senatssprecherin Kristin Breuer dem Abendblatt. "Ohne hier Gewissheit zu haben, können wir jedoch keine langfristig belastbaren Verabredungen treffen." Die Klausur werde daher nur der Auftakt einer Reihe von Sitzungen sein. Konkrete Beschlüsse gebe es nicht vor Ende November.
Hamburg nimmt in Folge der Finanzkrise bis 2013 sechs Milliarden Euro an Krediten auf. Die dafür anfallenden Zinsen, rund 100 Millionen Euro pro Jahr, sollen aus dem laufenden Haushalt bezahlt werden. Wie das möglich ist, wird auf der Senatsklausur besprochen. CDU-Finanzexperte Rüdiger Kruse hatte sich vorab im Abendblatt dafür ausgesprochen, die Behördenstruktur zu überarbeiten und so mittelfristig zehn Prozent der 75 000 öffentlichen Stellen einzusparen.
Außerdem war vorab durchgesickert, dass die sieben Bezirke bis 2014 insgesamt 118 Millionen Euro einsparen müssen. Die Personalräte der Bezirksämter und die GewerkschaftVer.di gingen daher gestern auf die Barrikaden. "Wir warnen den Senat, bei den Bezirksämtern zu sparen", sagte Ver.di-Fachbereichsleiterin Sieglinde Frieß. Wer die Dienstleistungen vor Ort kürze, gefährde die Demokratie. Die Bezirksämter, die derzeit noch 7843 Beschäftigte haben, hätten seit 1994 schon 30 Prozent Personal abgebaut. Sollten weitere zehn Prozent wegfallen, wäre das eine "Katastrophe", so Frieß. "Die Kollegen können nicht mehr."
Matthias Ebert, Personalratsvorsitzender im größten Bezirksamt Wandsbek, sieht vor allem verheerende Folgen für die Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD), die unter anderem für Kindeswohlgefährdungen zuständig sind: Die Zahl der Meldungen sei von 2007 auf 2008 um 38 Prozent gestiegen. Die Zahl der bewilligten Einzelfallhilfen um 15 Prozent - von 14 614 auf 16 804. Die vielen Überlastungsanzeigen der Mitarbeiter seien Ausdruck der Lage. Ebert: "Wenn jetzt zehn Prozent Personal eingespart wird, geht gar nichts mehr." Auch Erziehungs- und Mütterberatungsstellen, Elternschulen, Jugendhäuser, Jugendheime oder Mädchentreffs müssten ihr Angebot kürzen. "Die Zeche zahlen die Beschäftigten und die Bürger", sagt Hans-Jürgen Meyer aus Harburg, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Bezirks-Personalräte. Er geht davon aus, dass auch diverse Gebühren erhöht werden, zum Beispiel im Baubereich, im Standesamt oder für Melderegisterauszüge. Ver.di-Chef Wolfgang Rose forderte die Einführung einer Vermögenssteuer: "Der Senat lehnt eine Milliarde Euro Mehreinnahme aus einer einprozentigen Vermögensteuer ab, fördert aber mit einem beispiellosen Stellen-Massaker die Massenarbeitslosigkeit." Auch die Linkspartei forderte die Einführung einer Vermögenssteuer von fünf Prozent. Die SPD warnte vor Sparmaßnahmen bei der Polizeiarbeit vor Ort. Der Senat solle lieber die "aufgeblähten Stäbe und Führungsetagen in Polizei und Innenbehörde" ausdünnen, sagte Innenexperte Andreas Dressel und fragte: "Hat die CDU aus den Fehlern der SPD in der Vergangenheit etwa nichts gelernt?"