Statt die Ausgaben zu reduzieren, steigen die Kosten für Kinderbetreuung, Sozialhilfen und Familienhilfen.
Hamburg. Hamburgs Finanzlage verschlechtert sich weiter: Nachdem im Haushalt der Stadt 2009 ohnehin etwa 600 Millionen Euro fehlen, meldet Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) jetzt weiteren Mehrbedarf in Höhe von 70,7 Millionen Euro an. Grund sind unerwartet hohe Ausgaben für Kindertagesbetreuung, Einzelfall-Hilfen, Sozialhilfe, im Bereich Drogen und Sucht sowie beim Maßregelvollzug. Das geht aus einer Drucksache hervor, die dem Abendblatt vorliegt und die morgen im Senat besprochen wird.
Das Geld soll dem Topf "Rückstellungen für Mehraufwendungen" entnommen werden. Dennoch kommt die Nachforderung denkbar ungelegen, denn eigentlich sind die Behörden derzeit aufgefordert, nach Einsparpotenzialen zu suchen. Hintergrund: Bis 2012 werden im Haushalt insgesamt bis zu fünf Milliarden Euro fehlen. Das soll über neue Schulden ausgeglichen werden, so viel hat Finanzsenator Michael Freytag (CDU) schon angekündigt. Aber die Zinsen dafür, und die könnten sich auf einige Hundert Millionen Euro summieren, sollen aus den laufenden Haushalten beglichen werden. Wie - das wird auf einer Senatsklausur nach der Bundestagswahl (27. September) besprochen. Klar ist aber: Nachforderungen passen nicht ins Konzept.
Wie es überhaupt dazu kommt, erklärt ein Blick auf die dicksten Brocken in der Drucksache.
Stichwort Kindertagesbetreuung: Hier beträgt der Mehrbedarf unterm Strich 23,9 Millionen Euro, weil mit 64 893 Kindern der Ansturm auf die Betreuung unerwartet groß ist. "Dies sind jahresdurchschnittlich 2892 Kinder mehr, als im Haushaltsplan 2009 berücksichtigt sind", schreibt die Sozialbehörde. 2000 davon entfallen auf den Hort (Schulkinder, die im Anschluss an den Unterricht betreut werden) und 800 auf Krippen (unter Dreijährige). Mehrkosten entstehen aber auch, weil innerhalb des Elementarbereichs etwa 2500 Kinder nicht mehr halb-, sondern ganztags betreut werden. Die Behörde führt das auf die hohe Erwerbstätigenzahl in Hamburg zurück, die im ersten Quartal 2009 trotz der Krise bei 1,1 Millionen und damit um 17 700 Personen über dem Vorjahreswert lag. Denkbar ist aber auch, dass die ab diesem Schuljahr geltende Kostenfreiheit für das letzte Kita-Jahr vor der Einschulung unerwartet viele Eltern veranlasst hat, ihr Kind betreuen zu lassen.
Stichwort "Einzelfallfinanzierte Hilfen" : Hier entsteht der größte Mehrbedarf mit 27,5 Millionen Euro. Dahinter verbergen sich unter anderem die Sozialpädagogische Familienhilfe, die Heimerziehung und "Inobhutnahmen". Die Behörde erklärt in der Drucksache, dass sie aufgrund der seit Jahren "stetig steigenden Fallzahlen und Ausgaben" gemeinsam mit Finanzbehörde und Bezirken gegenzusteuern versuche. Aber das habe noch "nicht den erwarteten haushaltsrelevanten Effekt". Außerdem habe der Tod der kleinen Lara im März die Aufmerksamkeit für das Thema und damit den Bedarf nach Familienhilfen erhöht.
Stichwort Sozialhilfe: Die Kosten steigen unterm Strich um 17,6 Millionen Euro - obwohl die Zahl der Hartz-IV-Empfänger in diesem Jahr mit 191 265 um 2855 unter der Prognose bleiben soll. Dem stehen aber höhere Kosten von 9,35 Euro pro Empfänger für Unterkunft und Heizung - nur die trägt die Stadt - gegenüber. Eigentlich läge der Mehrbedarf im Bereich Sozialhilfe, zu dem auch Eingliederungshilfen und Hilfen zur Pflege zählen, sogar bei 31,9 Millionen. Davon bringt die Behörde aber 14,3 Millionen selbst auf, weil die Zahl der Asylbewerber niedriger ist als erwartet.
Die Sozialbehörde äußerte sich zu dem Papier nicht. "Der Senat hat die Drucksache noch nicht beschlossen, daher kommentieren wir sie auch nicht", sagte Sprecherin Jasmin Eisenhut.