Hamburg. Wie gehen Sportvereine mit dem enormen Kostendruck aufgrund gestiegener Preise um? Ein Besuch beim TuS Harburg-Wilhelmsburg.

Die Anlage ist nagelneu: zwei große Saunen, ein lichtdurchfluteter Wintergarten mit Blick auf die große Terrasse mit Außendusche. Die Anschlüsse für das Dampfbad sind gelegt. Insgesamt 300.000 Euro hat der Turn- und Schwimmverein (TuS) Harburg-Wilhelmsburg in die Saunalandschaft investiert. Doch das Wohlfühlareal bleibt vorerst geschlossen.

Der Grund: Die hohen Energiepreise machen einen Betrieb quasi unbezahlbar. TuS-Geschäftsführer Hartmut Wirl muss die 2500 Gäste, die wöchentlich im Sportzentrum am Bostelbeker Damm ein- und ausgehen, vertrösten. „Das Fitnessstudio, die Tennishalle und das Schwimmbecken werden weiter betrieben“, sagt er. „Auf die Sauna aber verzichten wir.“

Energiekrise: Nagelneue Saunalandschaft bleibt kalt

Denn die Kosten für die Beheizung der 7500 Quadratmeter großen Sportanlage mit Schwimmbadbetrieb sind im Zuge des Ukraine-Kriegs ausgelösten Energiekrise in den vergangenen Monaten exorbitant gestiegen. Etwa 1,25 Millionen Kilowattstunden verbraucht die Anlage pro Jahr. „Bis Dezember vergangenen Jahres hatten wir einen Netto-Arbeitspreis für Gas von 2,25 Cent, für Strom von 5,5 Cent pro Kilowattstunde“, sagt Hartmut Wirl. „Jetzt liegt der Preis für Gas bei 11,65 Cent, also fünfmal so hoch wie vor zehn oder elf Monaten. Der Nettoarbeitspreis für Strom hat sich ebenfalls verfünffacht und liegt aktuell bei 30 Cent.“

Insgesamt muss der Verein pro Tag 900 Euro für Strom, Wasser und Gas bezahlen. In einem Monat sind das 27.000 Euro. Sorge bereiten zudem die steigenden Ausgaben für Zins- und Tilgungsleistungen sowie Lohnkosten. „Wir haben aktuell monatlich laufende Kosten zwischen 90.000 und 100.000 Euro“, sagt Hartmut Wirl. Vor Corona waren es zwischen 50.000 und 60.000 Euro pro Monat.

Wassertemperatur in zwei Becken wurde um zwei auf 28 Grad abgesenkt

Um die steigenden Kosten decken zu können, geht der Verein an seine Reserven und spart, wo immer das vertretbar ist. So wurde die Wassertemperatur im Bewegungsbad und Lehrschwimmbecken um zwei Grad auf 28 Grad abgesenkt. Alle Handwaschbecken werden nur noch mit Kaltwasser betrieben. Die Sauna bleibt wie eingangs beschrieben aus.

Auch neue Geschäftsfelder gilt es zu erschließen: Ein Teil der großen Tennishalle des TuS Harburg-Wilhelmsburg wird zum Trainingszentrum für die Basketballprofis der Veolia Towers Hamburg umgebaut.
Auch neue Geschäftsfelder gilt es zu erschließen: Ein Teil der großen Tennishalle des TuS Harburg-Wilhelmsburg wird zum Trainingszentrum für die Basketballprofis der Veolia Towers Hamburg umgebaut. © HA | Hanna Kastendieck

„Wir haben mit unserem Schwimmbecken einen wichtigen pädagogischen und gesundheitlichen Auftrag zu erfüllen“, so Chris Heidusch, Sportlicher Leiter beim TuS Harburg-Wilhelmsburg. „Jede Woche kommen rund 250 Kinder zu uns, die hier schwimmen lernen und trainieren.“ Darüber hinaus hat der Verein auch Angebote für Reha- und Funktionstraining.

Verein hat bereits alle Möglichkeiten ausgeschöpft, Energie zu sparen

„Ich kann die steigenden Kosten nicht Eins-zu-eins an die Gäste weitergeben“, sagt Hartmut Wirl. „Hier brauchen wir Unterstützung von der Stadt Hamburg sowie von den Krankenkassen.“ Man habe bereits alle Möglichkeiten ausgeschöpft, Energie zu sparen. So produziere das eigene Blockheizkraftwerk Wärme und als Abfallprodukt auch Strom, in der Tennishalle arbeite man mit energiesparenden Dunkelstrahlern, und für die Einrichtung von Photovoltaikflächen auf Gebäuen liegen die Pläne fertig in der Schublade.

Von der Stadt erwartet der Geschäftsführer ein klares Signal und Sofortmaßnahmen. „Sie muss Finanzmittel zur Verfügung stellen, die über den Hamburger Sportbund gerecht an die Vereine verteilt werden“, so Wirl. Ein Verein, der eine große Sportanlage vorhalte wie der TuS Harburg-Wilhelmsburg am Bostelbeker Damm, müsse dabei mehr berücksichtigt werden als ein Verein, der auf öffentliche Turnhallen zurückgreifen könne.

Teile der Tennishalle werden zum neuen Trainingszentrum für die Hamburg Towers

Doch auch mit eigenen Ideen will Hartmut Wirl dafür sorgen, dass sein Sportverein unbeschadet durch die Krise kommt. So werden derzeit zwei von fünf Tenniscourts in der Tennishalle umgebaut. Dort entsteht ein neues Trainingszentrum für die Basketballer der Hamburg Towers. Die Veolia Towers Hamburg – unter diesem um einen Sponsor ergänzten Namen tritt der Wilhelmsburger Verein seit dieser Saison in Bundesliga, DBB-Pokal und Eurocup an – nutzen die neue Trainingsstätte anschließend als Untermieter.

Die Alexander-Otto-Sportstiftung fördert den Aus- und Umbau der Tennishalle zu einer für Leistungs- und Breitensport geeigneten Trainingshalle. Zudem werden ein Umkleidebereich mit Sanitärräumen und ein physiotherapeutischer Bereich geschaffen.

Energiekrise: 40 Prozent der Sportvereine erwarten starke Auswirkungen

Mit rund 87.000 Sportvereinen trägt der organisierte Sport in Deutschland erheblich zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zur Gesundheit der Bevölkerung bei. Nach zwei coronageprägten Jahren kehren die Menschen vermehrt in die Vereine zurück. Umso bedenklicher sind die Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und der 16 Landessportbünde zur Lage der Vereine in der Energiekrise, an der sich bisher fast 6000 Sportvereine beteiligten.

Die Umfrage zeigt, dass mehr als 40 Prozent der Vereine starke Auswirkungen durch die Energiekrise erwarten. Dazu gehören Einschränkungen des Trainingsbetriebs, Schließungen von Abteilungen oder Mitgliederrückgänge. Sechs Prozent fürchten sogar eine akute Existenzbedrohung. Zum Vergleich: Rückblickend auf die Corona-Pandemie sahen sich 26 Prozent der Vereine starken Auswirkungen ausgesetzt, knapp zwei Prozent sahen ihre Existenz bedroht.

„Die Reserven der Sportvereine sind so gut wie aufgebraucht. Spätestens mit den deutlich erhöhten Abschlagszahlungen stehen insbesondere viele tausend Vereine mit eigenen Sportanlagen vor teilweise existenzbedrohenden Belastungen. Damit Sportvereine gut durch den Winter kommen, braucht es so schnell wie möglich Hilfe aus der Politik. Die Signale, die wir erhalten, stimmen mich positiv. Aber jetzt geht es um eine zügige und konkrete Umsetzung“, sagte DOSB-Präsident Thomas Weikert.