Winsen. Fechtsportler des TSV Winsen haben am Ilmer Barg eine zweite Heimat gefunden und richten im Dezember Landesmeisterschaften aus.
Wenn Franziska Markmann über ihren Lieblingssport redet, gerät sie geradezu ins Schwärmen. „Es ist kein reiner Kraftsport, es ist kein reiner Ausdauersport und es ist kein reiner Denksport. Man braucht alles zusammen. Es ist diese Kombination, die mir so gut gefällt“, sagt die 17 Jahre alte Jugendliche. Dann fügt sie einen Satz hinzu, der in der heutigen Zeit eher selten zu hören ist: „Wenn man Fehler macht, muss man die auf sich selbst beziehen. Man kann niemand anderen dafür verantwortlich machen.“ Die Sportart, von der die junge Buchholzerin so begeistert ist, ist das Fechten, in ihrem Fall Florettfechten.
Franziska Markmann tritt bei Wettkämpfen für Blau-Weiss Buchholz an. Jetzt gerade stand sie aber in Winsen auf der Planche, bestritt ein Trainingsgefecht gegen den drei Jahre älteren Roger Pearson vom TSV Winsen. Die beiden Vereine aus den einzigen Städten im Landkreis Harburg treffen sich des Öfteren zu gemeinsamen Trainingseinheiten – in letzter Zeit vermehrt in der Sporthalle Am Ilmer Barg im Winsener Ortsteil Roydorf.
Die alte Schulsporthalle brannte im Oktober 2017 komplett ab
Dort hat die Stadt im vergangenen Jahr eine nagelneue Sporthalle eröffnet. Die alte Schulsporthalle war im Oktober 2017 durch einen Brand komplett zerstört worden. Die neue ist größer, moderner und bietet der Fechtabteilung des TSV Winsen fast alle Möglichkeiten, die sie sich nur wünschen kann.
„Bei der 40-Jahre-Feier der Abteilung im Jahr 2017 habe ich den Bürgermeister erstmals öffentlich angesprochen“, erinnert sich Trainer und Abteilungsleiter Stephan Brüning. Seinerzeit wies er auf die ungenügenden Trainingsbedingungen in der Wolfgang-Borchert-Schule an der Bürgerweide hin. Im Extremfall mussten die TSV-Trainer 20 bis 25 Kinder in der kleinen Halle betreuen. Dazu kamen der extrem aufwendige Auf- und Abbau der für das Fechten erforderlichen Technik – insbesondere der elektronischen Trefferanzeige.
Die für das Fechten erforderliche Technik ist im Boden verbaut
Als die Stadt mit der Planung der neuen Sporthalle in Roydorf begann, hob Brüning erneut den Finger, bewarb sich um Hallenzeiten für das Fechten und äußerte Wünsche für die technische Ausstattung. „Die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung war sehr gut. Es ist fast alles genehmigt worden“, erzählt der 37-Jährige. Die wesentliche Erleichterung für die Fechterinnen und Fechter des TSV Winsen liegt darin, dass die gesamte Technik (Rollen, Melder und Steckdosen) im Hallenboden verbaut ist. Anstatt bei jedem Training meterlange Kabelverbindungen ziehen zu müssen, können die Anschlüsse nun durch kleine Bodenklappen erreicht werden – quasi auf dem kurzen Dienstweg.
Neben der Stadt Winsen engagierte sich auch der Hauptverein TSV Winsen für seine Fechtabteilung. Mit nicht unerheblichem finanziellem Aufwand wurden zwölf Fechtbahnen angeschafft – jede von ihnen 14 Meter lang, 1,55 Meter breit und mehr als 1000 Euro wert. Sie müssen für Training und Wettkämpfe zwar aus- und später wieder aufgerollt werden, was Aktiven und Trainern aber zusehends leichter von der Hand geht.
Stephan Brüning ist auch Vizepräsident des Landesverbandes
„So blöd es klingt: Der Brand der alten Halle war ein Glücksfall für uns“, sagt Stephan Brüning. Er selbst focht als Jugendlicher ebenfalls für Blau-Weiss Buchholz, hörte im Alter von 17 Jahren auf und fand später über Trainer Boris Touretski beim MTV Treubund Lüneburg zurück zur Sportart seiner Jugend. Brüning erwarb Trainerscheine, übernahm 2017 die Abteilungsleitung in Winsen von Dörthe Rieckmann und engagiert sich seit Juni dieses Jahres sogar als Vizepräsident im Fechtverband Niedersachsen, Aufgabenbereich Mitglieder und Jugend.
Zu besten Zeiten hatte die Winsener Fechtabteilung fast 70 Mitglieder, durch Corona sind wie in anderen Vereinen und Sportarten eine Reihe von Nachwuchssportlern verloren gegangen. Brüning und sein Team versuchen durch Arbeitsgemeinschaften (AG) an der Schule Am Ilmer Barg und am Gymnasium Winsen, neue Sportlerinnen und Sportler für das Fechten zu begeistern. Zweimal pro Woche – montags von 17.30 bis 19.30 Uhr sowie mittwochs von 15.30 bis 19.30 Uhr – findet das Training in der neuen Roydorfer Halle statt. Parallel wird freitags und sonnabends weiterhin in der Wolfgang-Borchert-Schule trainiert.
Landesmeisterschaften im Dezember, Landesranglistenturnier im Januar
Die neuen Rahmenbedingungen machen auch die Ausrichtung höherwertiger Wettkämpfe möglich. Mit Erfolg hat sich der TSV Winsen beispielsweise um die niedersächsischen Landesmeisterschaften im Florettfechten für die Altersklassen U11 bis U20 beworben. Sie werden am Sonnabend und Sonntag, 4. und 5. Dezember, am Ilmer Barg ausgetragen. Ein Landesranglistenturnier, bei dem es – wie der Name schon sagt – um Punkte für die Landesrangliste und um die Qualifikation für Deutsche Meisterschaften geht, folgt am 22. und 23. Januar 2022. Dann kann auch Franziska Markmann wieder alles in die Waagschale werfen, was sie am Fechten so liebt: Kraft, Ausdauer, Disziplin und geistige Beweglichkeit.
Erfolge: Zwei Winsener fahren zur DM nach Tauberbischofsheim
Zwei Mitglieder aus der Fechtabteilung des TSV Winsen haben sich für die Deutschen Meisterschaften 2021 mit dem Florett qualifiziert. Uta Terlutter und Jost Maison treten am Sonnabend, 27. November, in Tauberbischofsheim bei den Titelkämpfen der Frauen- bzw. Männer-Klasse (im Fechten als Senioren bezeichnet) an. Beim letzten Qualifikationsturnier in Hannover sammelten sie die entscheidenden Punkte und lösten das Ticket für die Königsklasse-DM.
Uta Terlutter, die noch der Altersklasse U20 angehört, ging als Beste aus der Gruppenphase hervor und focht sich danach souverän durch alle K.o.-Runden. Erst im Finale unterlag sie Caroline von Finckenstein aus Wilhelmshaven mit 8:15 und wurde Zweite.
Einen Dreifachsieg gab es in Hannover für die männlichen Florettfechter des TSV Winsen. Paul Seemann gewann das finale Gefecht nach Ablauf der Zeit knapp mit 10:9 gegen Vereinskamerad Jost Maison. Neuzugang Maxime Lamidon aus Frankreich, der in Lüneburg Politikwissenschaften studiert und ansonsten in Paris ficht, wurde Dritter. Das Ergebnis ist umso wertvoller, weil Maison und Seemann noch der U17-Klasse angehören und beim Qualifikationsturnier zwei Altersklassen höher starteten.