Winsen. Die Sportanlage des TSV Winsen ist genau eingeteilt. Jede Stunde wechseln die Gruppen. Auch Hallensportler trainieren auf dem Rasen.

Einladend ist das Wetter nicht. Der Himmel grau und wolkenverhangen, gelegentlich nieselt es. Keine schönen Bedingungen, um unter freiem Himmel Sport zu treiben. All denen, die an diesem Abend zum Sportzentrum Jahnplatz gekommen sind, ist das vollkommen egal. Sie wollen unbedingt wieder Sport machen, wollen Kumpels treffen, wenn auch mit Abstand, wollen Abwechslung in den vom Coronavirus bestimmten Alltag bringen – so das alles bestimmende Gefühl.

Regelanpassung lautet die Herausforderung

In den ersten Maitagen beschloss die Landesregierung in Hannover den „Niedersächsischen Weg in einen neuen Alltag mit Corona“. Der Fünf-Stufen-Plan legt den Zeitrahmen für die Lockerung von Einschränkungen in allen Lebensbereichen fest, eben auch für den Sport. Demnach dürfen seit 6. Mai Outdoor-Sportanlagen für alle Sportarten geöffnet werden. Entscheidende Voraussetzung: die dauerhafte Sicherstellung eines Abstandes von zwei Metern zur nächsten Person. Für die Vereine an der Basis besteht die Herausforderung darin, die Hygiene- und Abstandsregelungen den jeweils lokalen Gegebenheiten anzupassen.

Die Vorschriften bieten Spielräume

Unterstützung von den Behörden gab es dabei kaum. „Konkrete Hinweise zur Umsetzung haben wir vom Landkreis Harburg oder der Stadt Winsen nicht erhalten“, sagt Dagmar Luhmann, die Erste Vorsitzende des TSV Winsen. „Einerseits bin ich darüber froh, weil wir Gestaltungsspielraum haben, andererseits auch nicht froh, weil wir nicht wissen, ob wir an der einen oder anderen Stelle eventuell gegen Vorgaben verstoßen.“ Der Vereinsvorstand agierte bei der Festlegung der „Grundsätze zum Outdoor-Sport auf dem Gelände Jahnplatz“, die am Eingang für alle sichtbar aushängen, vorsichtig. Als Orientierung dienten die zehn Leitlinien des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und die Konkretisierungen einzelner Sportfachverbände.

Horst Busch erstellt eine Teilnehmerliste für die Ü48-Fußballer, die nach jedem Training in der TSV-Geschäftsstelle abgegeben werden muss. Im Falle der Fälle lassen sich so Kontaktpersonen ermitteln.
Horst Busch erstellt eine Teilnehmerliste für die Ü48-Fußballer, die nach jedem Training in der TSV-Geschäftsstelle abgegeben werden muss. Im Falle der Fälle lassen sich so Kontaktpersonen ermitteln. © HA | Markus Steinbrück

Judo und Turnen auf dem grünen Rasen

Seit Montag herrscht nun wieder Betrieb auf dem Jahnplatz. Den Anfang machten die Abteilungen Handball, Ju-Jutsu, Judo, Karate, Leichtathletik, Turnen, Volleyball und Fußball. Das Sportgelände darf nur über den Eingang am Borsteler Weg betreten und muss über ein zweites, etwa 100 Meter entferntes Tor verlassen werden. Auf der Sportanlage dürfen sich nur angemeldete Sportler aufhalten. Sie werden durch ein Wegeleitsystem zu dem Bereich, in dem ihre Sportart stattfindet, geführt und müssen diesen nach der Sportstunde auf der anderen Seite wieder verlassen.

Höchstens zehn Personen je Gruppe

Die Gruppen mit maximal zehn Personen starten jeweils fünf Minuten nach der vollen Stunde und enden fünf Minuten vor der nächsten, um direkte Kontakte zu vermeiden. Duschen und Umkleiden bleiben geschlossen, die Teilnehmer müssen in Sportkleidung kommen und das Gelände nach Trainingsende sofort verlassen. Auf den wenigen geöffneten Toiletten gibt es Seife und Papierhandtücher. „Desinfektionsmittel und Halterungen haben wir bestellt, die Lieferung soll Ende Mai kommen“, sagt Dagmar Luhmann. Flaschen mit Spendern aufzustellen, komme nicht in Frage. „Anfang März, als wir noch Sport machen durften, ist uns reihenweise Toilettenpapier und Desinfektionsmittel gestohlen worden.“

Und wie kommen die Regelungen bei den Mitgliedern an? Alexandra Radke steht an ihrem Auto, hat ihren neun Jahre alten Sohn Felix zum ersten Fußballtraining der U 10-Junioren gefahren. „Für ihn ist das wie Weihnachten“, erzählt die Frau, die selbst Übungsleiterin im TSV Winsen ist, „endlich geht es wieder los, endlich kann er andere sehen, endlich können sie wieder etwas zusammen machen.“

 Immer schön Abstand halten. Die Beteiligung am Training der Ü48-Fußballer war so groß wie in normalen Zeiten.
Immer schön Abstand halten. Die Beteiligung am Training der Ü48-Fußballer war so groß wie in normalen Zeiten. © HA | Markus Steinbrück

Alle machen mit und sind diszipliniert

Für den Drittklässler sind die Verhaltensregeln natürlich ungewohnt, zumal er noch nicht wieder in die Schule geht. „Sein Trainer hat uns das Hygienekonzept des Vereins geschickt. Das sind wir mit Felix durchgegangen. Ich denke, die wichtigsten Sachen hat er verinnerlicht.“ Bislang nur positive Rückmeldungen hat Dagmar Luhmann erhalten. Es laufe alles sehr geordnet, sortiert und diszipliniert ab.

Keine Flanken, keine Zweikämpfe

Beim Fußball sind keine Zweikämpfe, keine Flanken und keine Spiele erlaubt, höchstens zehn Erwachsene dürfen sich unter Aufsicht eines Trainers in einer Sportplatzhälfte aufhalten. Der Trainingsbeteiligung der Ü 48-Senioren tat das keinen Abbruch. „Schon letzte Woche hat man gemerkt, dass alle heiß sind“, erzählt Horst Busch, der parallel eine Anwesenheitsliste mit Kontaktdaten erstellt. Die müssen alle Trainer am Ausgang der Sportanlage in einen Briefkasten werfen oder online an die Geschäftsstelle übermitteln, so dass im Falle eines positiven Corona-Tests mögliche Kontaktpersonen identifiziert werden können.

Insgesamt 16 Seniorenkicker tummeln sich in den beiden Hälften des B-Platzes. Weitere 16 passive Gruppenmitglieder, die sich üblicherweise in der Gastronomie treffen, müssen zu Hause bleiben. Auch auf dem Beachplatz ist das Aufatmen förmlich zu spüren. Trainer Lars Meyer betreut eine Gruppe von fünf C-Jugend-Handballern. Zweikämpfe sind verboten, dafür dürfen Bälle benutzt und an der Athletik gearbeitet werden. Im Nachwuchsbereich ist die Gruppengröße von zehn auf fünf Personen reduziert, jeder Trainer darf höchstens fünf Gruppen betreuen.

Alle freuen sich, ihre Freunde wieder zu treffen

„Es ist toll, die Freude endlich wiederzusehen“, sagt der 13-jährige Andreas. Der ein Jahr ältere Lovis meint: „Ich fand es gut, wenigstens ein bisschen Training zu machen. Zuletzt hatten wir Online-Training oder ich bin laufen gegangen.“ Und dann sagt der Achtklässler, der am 25. Mai wieder in die Schule gehen darf, einen Satz, der vor Monaten undenkbar war, mit dem er aber Vielen aus dem Herzen spricht: „Den normalen Alltag vermisse ich am meisten.“