Winsen. Die Fechtabteilung des TSV Winsen beging mit zahlreichen Gästen ihr 40-jähriges Bestehen.
Es war eine gewisse Frau Petersen, Hebamme von Beruf und Fechterin aus Leidenschaft, die 1977 beim damaligen SV/MTV Winsen eine Fechtabteilung aus der Taufe hob. Die war aber so klein und leise, dass selbst Freunde dieses tausende Jahre alten Sports nichts davon wussten. „Als ich 1978 nach Winsen zog, bin ich noch immer zum Fechten nach Altona gefahren, um meinen Sport ausüben zu können“, erzählt Joachim Wendt, der Ehrengast bei der Feier zum 40-jährigen Bestehen der Abteilung. „Bei einem Turnier verriet mir jemand, dass es auch in Winsen eine aktive Fechtgemeinschaft gebe.“
Ein Jahr später stand der Winsener Neubürger an der Spitze der Abteilung und als Trainer an der Planche. Mit welcher Freude und welchem Einsatz zeigt am treffsichersten eine Erkrankung der rechten Schulter. „Der Arzt verbot mit deshalb das Fechten“, erzählt der pensionierte Bahnbeamte. „Das geht nicht“, habe er damals abgewehrt, „dann bricht unsere kleine Abteilung doch auseinander.“ Also fuhr Joachim Wendt nach Hamburg und lernte das Fechten nochmal ganz neu – mit der linken Hand.
Als seine beiden Söhne ihm als Aktive und Trainer Anfang der 1990er-Jahre zur Seite standen, waren Winsens Florett- und Degenspezialisten eine Macht, im Heimatgebiet auf jeden Fall. „Unser Ehrgeiz war immer, das 100. Mitglied begrüßen zu können“, erinnert sich der langjährige Spartenleiter in der Sporthalle der Wolfgang-Borchert-Schule, „aber bei 98 Mitgliedern war Schluss.“
Viel Zeit ist seitdem vergangen. Als Sybille Boldt, Sportwartin des Fechtverbandes Niedersachsen, Bezirksfechtwart Jürgen Stage und Bürgermeister André Wiese jetzt Glückwünsche und Geschenke übergaben, stellte Joachim Wendt fest: „Nein, hier ist keiner mehr aus meiner Zeit.“
Dabei hatte der Gastgeber in der lockeren Sportkleidung auf dem Podest eine freudige Botschaft für alle Anwesenden: „Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten 20 neue Mitglieder begrüßen können“, verkündete Stephan Brüning, seit mehr als 25 Jahren begeisterter Fechter mit Trainerlizenz. Im Sommer 2017 übernahm er die Abteilungsleitung beim TSV Winsen von Dörte Rieckmann, und rührt seitdem kräftig die Werbetrommel.
Das Ergebnis dieser Bemühungen schart sich um Stephan Brüning und die Ehrengäste. Mädchen und Jungen, ganz junge meist, erst Wochen oder höchstens Monate mit der Spezialweste, mit der Maske und dem leichten Florett vertraut. Jan Lukas, mit seinen zehn Jahren schon eher einer der Größeren, ist noch so fasziniert, dass er während des Festakts die schwarze Maske aufbehält. Danach der eigentliche Höhepunkt des kleinen Jubiläums: Das erst Fechtturnier für die meisten der Neulinge.
Joachim Wendt war von 1979 bis 1997 Abteilungsleiter
Eni – in bunter Blümchenhose, aber mit weißer Fechtweste und dem Gesicht hinter schwarzem Drahtgeflecht geschützt – stellt sich in Angriffsposition. Die rechte Hand mit dem Florett im Ausfallschritt nach vorn gestreckt. Den anderen Arm hält sie, wie im Lehrbuch, hoch nach hinten, die Finger halb geschlossen. Schritt für Schritt kämpft sich die Achtjährige vor. Maite, ihre ein Jahr ältere Gegnerin im ersten Gefecht, lässt das Florett rotieren, und weicht zurück. Ein Stoß. „Treffer“, ruft der 14-jährige Marwin, der den Schiedsrichter macht.
„Ich habe vier und sie hat drei“, bestimmt Eni energisch. Neue Position. Diesmal weicht Maite nicht zurück. Beide stoßen zu. Der Treffer wird für Maite angezeigt. „4:4“, sagt Marwin. „Aber ich habe doch getroffen“, protestiert Eni. „Aber Maite war schneller“, erklärt der junge Schiedsrichter den Neulingen die elektronische Trefferanzeige.
„Es gibt Jungen und Mädchen, die schreien und toben und werfen die Maske in die Gegend, wenn sie das erst Mal verlieren“, erzählt Fechtmeister Sergej Kentesh, in seiner Heimat Ukraine als „Verdienter Trainer“ geehrt, als er den beiden zuschaut. „Beim zweiten oder dritten Mal toben sie nur noch, halten die Maske aber in der Hand. Dann lassen sie bald auch das Toben. Bei unserem Sport muss der Kopf eiskalt sein, das Herz aber pures Feuer. Deine Klugheit, dein Vorausahnen und deinen Plan musst du in Einklang bringen mit deiner Angriffslust, deinem Kampfgeist und all den Emotionen. Der schwerste Kampf im Fechten ist, dass du dich selbst beherrschen, dich selbst besiegen musst. Das lernen schon diese Kinder bei uns. Man erkennt recht schnell, wie sie kleine Persönlichkeiten werden. Das stärkt sie fürs Leben“, fügt der Mann hinzu, der genau wie seine Frau Natalija zum Trainerstab beim TSV Winsen gehört. „Fechten verändert den Menschen“.
Selbstbewusst und energisch war Eni wohl schon, als sie das erste Mal zum Training kam. „Kann ich jetzt gehen?“, fragt sie Sergej Kentesh. „Aber wir machen doch noch Siegerehrung“, sagt er und beugt sich zu ihr herunter. „Siegerehrung? Was ist das denn?“, will Eni wissen. „Da bekommst Du eine Urkunde“. „Eine Urkunde? Was ist das denn?“ „Darauf steht, dass du heute gewonnen hast. Und daran erinnerst du dich dann, wenn du längst groß bist. Außerdem gibt es auch ein kleines Geschenk für jeden“. „Ein Geschenk?“, freut sich Eni, „ich liebe Geschenke. Das werde ich sofort aufmachen.“
Glückwunsch an Eni und all diejenigen, die sich daran machen, die Fechtabteilung des TSV Winsen nach 40 Jahren wieder jung und frisch und erfolgreich zu machen.