Winsen. Beim Fußball-Bezirksligisten blieb kein Stein auf dem anderen: Neuer Abteilungsvorstand, neuer Trainer und 20 neue Spieler.

Auf den Fußballplätzen in den Städten und auf dem Lande herrscht seit einer gefühlten Ewigkeit gespenstische Ruhe; die Pandemie hat den Spielbetrieb von der Regionalliga abwärts vollständig zum Erliegen gebracht. Training findet nur kontaktarm und in Kleingruppen statt und nach vorheriger Coronatestung. Doch so ruhig es nach außen hin wirken mag, so emsig arbeiten die Verantwortlichen in den vielen Fußballvereinen von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt an möglichst guten Startbedingungen für den Augenblick, wenn der Amateurfußball endlich auf die Sportplätze zurückkehrt. Einer Umwälzung gleich kommen die Veränderungen während der Coronapandemie beim Bezirksligisten TSV Winsen.

Der verkündete mit Beginn des Jahres das Ende der Zusammenarbeit mit Trainer Henrik Titze, auf dessen eigenen Wunsch. Im Februar teilte der Verein mit, dass Murat Özyurt die Nachfolge von Titze antreten wird. Doch bereits im Januar hatte mit Jan-Niklas Schulga ein erster Leistungsträger des TSV Winsen seinen Wechsel zum MTV Ashausen-Gehrden bekanntgegeben. Im März gewann der personelle Aderlass an Rasanz.

Alter Trainer Henrik Titze hörte auf eigenen Wunsch auf

Moritz Esmann, Simon Pfeiffer und Dennis Auber wechselten zum VfL Maschen. Allaa Mrisi, mit 20 Jahren schon eine feste Größe in Winsen, wurde als Neuzugang beim FC Türkiye Wilhelmsburg vorgestellt. Dann verließ mit Maarten-Moritz Bahn (21) ein weiteres Talent Winsen, neuer Verein SG Scharmbeck-Pattensen. Sven Netzlaff folgte Esmann, Pfeiffer und Auber nach Maschen. Eine Woche später kehrte Maximilian Köster nach fünf Jahren zu seinem Heimatverein SG Estetal zurück. Aus dem alten Kader blieb nur Ali Hamade übrig.

Ende April gab es endlich die ersten positiven Schlagzeilen. Die Fußballabteilung des TSV Winsen stellte sich neu auf. Erkan Alkan wurde zum neuen Fußballobmann und Hendrik Tomczak zum Stellvertreter gewählt. Als Jugendobmann fungiert fortan Maik Steinwender, dessen Vertreter ist Marco Detels. Allesamt langjährige Mitglieder des Vereins, die erfolgreich in den Jugend- und Herrenmannschaften spielten.

Alter Fußballvorstand machte den Weg für den Neuanfang frei

Juval Karanikas (32), der langjährige Trainer des FC Viktoria Harburg, übernimmt zur neuen Saison das komplett neuformierte Team des TSV Winsen.
Juval Karanikas (32), der langjährige Trainer des FC Viktoria Harburg, übernimmt zur neuen Saison das komplett neuformierte Team des TSV Winsen. © TSV Winsen | TSV Winsen

Der bisherige Fußballvorstand des TSV Winsen war komplett zurückgetreten. „Im Februar war Rainer Selle zurückgetreten und uns sind die Spieler davongelaufen. Da konnte ich nicht einfach nur zusehen“, sagt Erkan Alkan über die damalige Situation, in der er sich entschloss, aktiv zu werden. Als neuer Obmann begann er sofort damit, die Kaderplanung voranzutreiben, konnte mit Innenverteidiger Lukas Cibis und dem Außenbahner Abdulgani Kanat auch gleich zwei Neue vom Ligakonkurrenten MTV Borstel-Sangenstedt verpflichten. Kanat hatte bereits von 2015 bis 2018 für den TSV Winsen gespielt.

Ebenfalls vom Stadtrivalen aus Borstel schloss sich Torhüter Kenneth Pagels dem TSV Winsen an. Dann ging es Schlag auf Schlag. Mit Florian Eggert, Paul Kalusa und Bilal Ballout wechselten drei Fußballer vom MTV Egestorf auf den Jahnplatz. Dazu gesellte sich Gabriel El Hafi vom MTV Luhdorf-Roydorf. Vom Harburger TB wurde Hendrik Golke geholt, vom TSV Auetal Mussab Ali. Vom Lüneburger Landesligisten TSV Gellersen wurden Defensivkünstler Sebastian Helms und Julius Demir auf den Jahnplatz geholt. Vom Oberligisten TSV Buchholz 08 kam Angriffs-Wirbelwind Ahmed Ali Abdurahman.

Murat Özyurt wieder entlassen, bevor er angefangen hatte

Noch bevor er seinen Job als Trainer überhaupt antreten konnte, wurde Murat Özyurt wieder entassen. Wenige Tage später stellte der neue Vorstand Juval Karanikas als neuen Cheftrainer des TSV Winsen vor. „Für eine junge wilde Truppe wollten wir einen Trainer, der ebenfalls diese Eigenschaften verkörpert“, sagte Erkan Alkan zur Personalie Karanikas. Der 32-Jährige trainierte zuletzt fünf Jahre den Traditionsverein FC Viktoria Harburg und machte sich einen Namen als Gründer, Verantwortlicher und Übungsleiter des Sparta Futsal HSC, die in der Regionalliga, der höchsten Futsal-Spielklasse, antreten.

Karanikas spielte zu aktiven Zeiten für den VfL Maschen. Er war in der A- und B-Jugend und kurze Zeit auch als Erwachsener beim TSV Winsen aktiv. Mit ihm sind noch einmal fünf Spieler von Viktoria in die Kreisstadt gewechselt. Der neue Bezirksligakader umfasst mittlerweile 21 Spieler.

Förderverein engagiert sich für gesamte Fußballabteilung

Peter Rohde (hinten, von links), Gerd Bastian, Carsten Schmidt (es fehlt Jens Peter Oertzen) riefen auf der alten Tribüne des Jahnplatzes zusammen mit den Fußball-Vorstandsmitgliedern Maik Steinwender (vorne links) und Marco Detels den neuen Förderverein ins Leben.
Peter Rohde (hinten, von links), Gerd Bastian, Carsten Schmidt (es fehlt Jens Peter Oertzen) riefen auf der alten Tribüne des Jahnplatzes zusammen mit den Fußball-Vorstandsmitgliedern Maik Steinwender (vorne links) und Marco Detels den neuen Förderverein ins Leben. © Karsten Schaar | Karsten Schaar

Neuer Vorstand, neuer Trainer, eine so gut wie komplett neue Mannschaft – kann das gutgehen? Juval Karanikas weiß es auch nicht. „Wir trainieren seit zwei Wochen, haben eine tolle Trainingsbeteiligung und ich bin zuversichtlich, dass wir eine konkurrenzfähige Truppe aufbauen können“, sagte er. Welche Rolle der Verein in der Bezirksliga spielen wird, könne er überhaupt nicht einschätzen. „Wir müssen uns erst zusammenfinden, viele Spieler kennen sich untereinander noch gar nicht richtig.“ Bis jetzt laufe aber alles zufriedenstellend, sagt der neue Trainer. „Der neue Fußballvorstand hat tolle Arbeit geleistet. Ohne deren Engagement wäre es mit dem Fußball beim TSV Winsen wohl zu Ende gegangen.“

Damit der Neuanfang nicht zum Strohfeuer gerät, hat sich um die Vereins-Urgesteine Peter Rohde, Jens-Peter Oertzen und Carsten Schmidt ein Förderverein gegründet, der sich der Unterstützung der gesamten Fußballabteilung widmen will. „Uns fehlen einige Jugendmannschaften. Da gibt es im Verein noch viel zu tun“, sagt Erkan Alkan und kann in Sachen Nachwuchsförderung einen ersten Erfolg verbuchen. Die U17, die sich einem anderen Verein anschließen sollte, wird doch beim TSV Winsen bleiben. „Wir sind als Verein jetzt wieder interessant“, sagt Alkan.