Harburg/Buchholz. Als Schmied gehört David bereits zu den Besten seiner Zunft, obwohl er noch zur Schule geht. Wir haben ihn an seinem Happy Place besucht.
- David Sgaga war elf Jahre alt, als er zum ersten Mal in die Welt von Mittelerde eintauchte
- Sofort hatte es ihm das Leinwand Epos „Herr der Ringe“ angetan
- Eines faszinierte ihn allerdings besonders: Die Schmiedekunst der Elben, die so der Ringe der Macht kreierten
In der Schmiede des Museumsdorfs Sniers Huus im Buchholzer Ortsteil Seppensen schlagen hohe Flammen aus dem Ofen der Werkstatt, die an längst vergangene Jahrhunderte erinnert. David, ein schlanker junger Mann, der seine langen blonden Haare zum Zopf gebunden hat, beherrscht das Feuer wie ein Instrument.
Die Liebe der Elben zur Schmiedekunst: David Sgaga hat sie direkt fasziniert
Mal erhöht er die Luftzufuhr und schafft so rot leuchtende Glut, dann wieder reguliert er den Abzug, dass es nur noch leise glimmt – ganz so, wie er es gerade zur Bearbeitung des Werkstücks benötigt, das er mit einer Zange in die Esse hält.
Er „erwärmt“ den Metallzylinder, so heißt es in der Fachsprache, um gleich darauf das glühende Metall auf einen Amboss zu knallen, wo er mit gezielten Hammerschlägen – präzise und doch ganz locker aus dem Handgelenk – dem Stahlstück eine neue Gestalt gibt.
„Der Herr der Ringe“ brachte David zum Schmiedehandwerk
Zweimal wiederholt David den Gang zum Feuer, dann ist er zufrieden. Und sein Mentor auch: Arnold Kahnenbley, legendärer Buchholzer Schmied und Künstler, Ausbilder ganzer Schmiedegenerationen und jeden Dienstag und Donnerstag in der historischen Schmiede in Seppensen anzutreffen, nickt anerkennend. „Um das zu schaffen, müssen andere vier bis fünfmal ansetzen, David gelingt es sofort“, sagt er bewundernd. Er hält seinen Protegé für „hochbegabt“ und prophezeit ihm eine glänzende Karriere.
Doch zuvor muss der 19-Jährige aus Harburg noch in Finkenwerder das Abitur ablegen. Und danach dreieinhalb Jahre in die Lehre gehen als „Metallbauer – Fachbereich Metallgestaltung“, wie der handwerkliche Ausbildungsberuf jetzt heißt.
„Mit seinen Fähigkeiten würde er die Prüfung schon jetzt als Bester bestehen“
Die Lehre wird er in einer Hamburger Kunstschmiede absolvieren. „Mit seinen Fähigkeiten würde er die Prüfung schon jetzt als Bester bestehen“, meint Kahnenbley, der dem Nachwuchstalent alles Wichtige in der praktischen Arbeit bereits vermittelt hat.
Was David zum Schmiedehandwerk brachte, war ein Film: Der „Herr der Ringe“. Als der damals Elfjährige in einer der ersten Szenen die Schmiedewerkstatt der Hobbits erblickte, war es um ihn geschehen. Mit zwölf Jahren meldete er sich für einen Schmiedekurs im Freilichtmuseum am Kiekeberg an, mit 15 machte er ein Praktikum in der Kunstschiede Egon Engber in Karoxbostel. Und traf dort Arnold Kahnenbley. „Wir verstanden uns sofort“, erinnert sich der 81-jährige Großmeister.
Oft steht er an einem Wochenende bis zu sechs Stunden an der Esse
Seither kommt David regelmäßig zu ihm in die Museumsschmiede. Was er nicht kann, das übt David zu Hause. Oft steht er an einem Wochenende bis zu sechs Stunden an der Esse, holt sich Brandblasen an den Händen, von denen er in seiner Begeisterung nichts merkt, und findet es „einfach geil“, kreativ sein zu können. Soviel Zähigkeit imponiert Kahnenbley. „Körperliche Kraft brauchen wir hier nicht, aber Durchhaltevermögen, Augenmaß und Feingefühl“, sagt er.
Nicht zuletzt die ästhetische Komponente werde immer wichtiger im Schmiedeberuf. Fertigten Dorfschmiede noch in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts Metallverbindungen für Schwengel – Holzstücke, mit denen Zugtiere vor Fuhrwerke gespannt wurden -, brachten die Reifen von Ackerwagen wieder in Ordnung und schweißten zerbrochene Kettenglieder, so sind Schmiede heute eher als Restauratoren in Klöstern und Schlössern anzutreffen, wo sie Tore, Lampengestelle, Handläufe fertigen. Raffinesse im Stil von damals, die nur gelingt, wenn man die historischen Techniken kennt.
Im Mittelalter bemaß sich der Tageslohn eines Schmieds am Preis eines Nagels
In vielen Bereichen, findet Kahnenbley, sind Schmiede heute Grenzgänger, produzieren „hoch anspruchsvolle Arbeiten, die der Kunst sehr nahekommen.“
Aber lässt sich mit der Schmiedekunst wirklich noch Geld verdienen? Im Mittelalter, erzählt Kahnenbley, bemaß sich der Tageslohn eines Schmiedes am Preis eines Nagels, der, wie es die Schmiedetradition verlangt, in einem Stück geformt wurde. Begehrter als Nägel dürften heute Messer sein, weiß der Routinier und holt ein aus Damaszenerstahl gefertigtes Jagdmesser hervor, das mit seinem polierten Griff gut in der Hand liegt. „Dafür würde so mancher glatt mehr als 1000 Euro hinlegen.“
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Es gibt also reichlich Perspektiven in dem uralten Handwerksberuf, und das auch für Frauen, so Kahnenbley, „denn die sind ehrgeiziger und kreativer als Männer“. Was er sich wünscht, sind vor allem mehr Bewerber mit Abitur, so wie David. „Dieser junge Mann ist ein Geschenk für unser Handwerk und ich bin stolz, dass ich Einfluss auf seine Entwicklung nehmen konnte“, lobt der Routinier das Jungtalent.