Wilstorf. Grundschule soll auf Sportplatz zwischen Gymnasium und Stadtteilschule entstehen: Ein Schulglände für 3000 Schüler und Pädagogen?
Wilstorf soll zum Harburger Mega-Campus werden, wenn es nach der Schulbehörde geht. Zwischen Gymnasium und Stadtteilschule an Rönneburger Straße und Hanhoopsfeld soll noch eine Grundschule gesetzt werden. Elternräte der beteiligten Schulen protestieren, auch die Schülerschaft äußert Unmut. Sie bekommen eine unbefriedigende Antwort von der Behörde. Am Mittwoch, 24. April, ist eine Informationsveranstaltung geplant.
Wo jetzt noch der Sportplatz Hanhoopsfeld ist, soll bis 2027 eine neue Grundschule gebaut werden. Auf dem Gelände daneben befinden sich bereits das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium (AvH) und die Lessing-Stadtteilschule. Beide wachsen selbst noch; das Gymnasium um 160, die Stadtteilschule um 200 Schüler über die nächsten Jahrgänge. Zusammen mit der 230 Schüler kleinen Grundschule entsteht am Ende ein Campus für fast 2700 Schülerinnen und Schüler zwischen 5 und 19 Jahren. Zusammen mit dem pädagogischen Personal rechnet der Elternrat des AvH mit 3000 Menschen, die hier lernen oder lehren werden.
Der Sportplatz ist als solcher ungenutzt. Auf einem Teil stehen Klassenraumcontainer, auf einem anderen parken Baumaschinen, die die Erweiterung der bestehenden Schulen vorbereiten sollen. Ansonsten verwildert der Tennenbelag. Pionierpflanzen wie Süßgräser und Löwenzahn gedeihen in einigen Ecken bereits mittelprächtig. Als Freifläche sei der Platz allerdings unbezahlbar, sagen die Elternvertreter beider anliegenden Schulen. „Der Schülerrat des AvH hat eine Umfrage unter den Gymnasiasten gemacht und ist auf über 15 verschiedene Aktivitäten gekommen, denen Schüler in Pausen dort nachgehen“, sagt Sebastian Meyer, Elternratsvorsitzender des AvH.
Alter Sportplatz am Hanhoopsfeld in Wilstorf dient auch der Schülerverständigung
Außerdem sei gemeinsames spontanes Fußballspielen in den Pausen und am Nachmittag eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen Gymnasiasten und Stadtteilschüler unterhalb der zehnten Klasse miteinander in Kontakt und Austausch kommen, sagt Lessing-Elternrätin Ute Troch. „Das ursprünglich beabsichtigte freundschaftliche Miteinander und Zusammenwachsen der Schülerschaften findet sonst eigentlich erst in den gemeinsamen Abiturprofilen der Oberstufen statt“, sagt sie. „In den Jahrgängen darunter fremdeln die Schüler der beiden Schulen miteinander – außer auf dem Fußballplatz. Wir brauchen eigentlich mehr solche Freiflächen, statt weniger.“
Freiflächen gibt es dort jetzt schon zu wenig, sagt Sebastian Meyer. Er rechnet vor, dass den Gymnasiasten derzeit bereits nur etwa 11,5 Quadratmeter pro Schüler zur Verfügung stünden, deutlich weniger, als die 15 bis 17, die die Schulbehörde selbst empfiehlt. Dabei entfällt mehr als die Hälfte der AvH-Freiflächen auf den ungenutzten Sportplatz.
„Die Kinder haben mit dem komprimierten Lehrplan im G8-Abitur so kompakte und lange Schultage“, argumentiert AvH-Elternrätin Nadine Glock, „wenn sie sich nicht einmal mehr in den Pausen richtig bewegen können, ist das nicht gesund!“
Zwar seinen die Außenflächen des AvH insgesamt größer, als die von Meyer für die Berechnung herangezogenen, „aber die anderen Flächen sind nicht nutzbar, weil sie kleine Teilstücke sind, oder Hangflächen.“
Geplanter Baubeginn ist bereits 2025
Die Grundschule – geplanter Baubeginn 2025 – soll als Zweigstelle der Schule Kapellenweg entstehen. Auch hier sehen die Eltern das Vorhaben skeptisch. Vor allem befürchten sie Konflikte zwischen älteren Schülern und Grundschülern „Viele Schüler am Kapellenweg benötigen den geschützten Raum der Grundschule, um sich an Schule, Lernen und soziales Verhalten zu gewöhnen“, sagt Anni Campal vom Grundschul-Elternrat. „Das funktioniert am Kapellenweg sehr gut. Wir fürchten, dass dies zwischen den älteren Schülern nicht möglich sein wird.“
Außerdem würde das Unterrichten an zwei Standorten die Organisation für die Grundschule schwer machen. „Lehrer, die zwischen zwei Schulen pendeln, sind für die Kinder weniger ansprechbar“, sagt Campal.
Elternräte in Harburg haben Widerspruchsschreiben an die Schulbehörde formuliert
Die Elternräte, die im Dezember informiert wurden, haben ihre Bedenken in Widerspruchsschreiben an die Schulbehörde formuliert. Die Antwort erinnert an das TINA-Prinzip der legendären britischen Premierministerin Margret Thatcher. Tina steht für: „There is no alternative“, sprich, keine Alternative – keine Debatte.
„Im Ergebnis der mehrjährigen Standortsuche, die auch eine Erweiterungsoption der Schule Kapellenweg am Hauptstandort einschloss, wurde der Ballsportplatz auf dem Gelände des AvH/Lessing-Stadtteilschule als einzig machbare Entwicklungsoption einvernehmlich festgelegt“, heißt es in dem Schreiben.
Unterstützung erhalten die Eltern von Bürgerschaftsabgeordneten aus Harburg
Wer da mit wem Einvernehmen erzielt hat, wird in dem Schreiben nicht aufgelöst. Eingegangen wird allerdings auf die Bedenken zu den Freiflächen: Der Richtwert von 15 bis 17 Quadratmetern pro Schüler definiere den Idealfall, den man hier eben nicht verwirklichen könne. Außerdem wären darin auch Flächen enthalten, die innerhalb von Gebäuden liegen.
Unterstützung erhalten die Eltern von zwei Oppositions-Bürgerschaftsabgeordneten aus Harburg: den Bildungspolitikerinnen Sabine Boeddinghaus (Linke) und Birgit Stöver (CDU). „Ich finde es absolut unmöglich, wie hier mit den Eltern umgegangen wird“, sagt die Linkenabgeordnete und Erziehungswissenschaftlerin Boeddinghaus. „Erst diese kurzfristige Information und dann das Abkanzeln. Gerade die Freiflächen sind wichtig. Wir haben den Schülerinnen und Schülern schon während der Corona-Pandemie so viele Freiheiten genommen. Es wäre falsch, sie jetzt wieder einzuengen!“
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„Ich wundere mich, dass nach einer fünfjährigen Suche nach einem geeigneten Standort keine bessere Lösung als der Sportplatz auf dem Schulcampus Hanhoopsfeld herausgekommen ist“, sagt CDU-Frau Birgit Stöver. „Neben der Erweiterung der Grundschule Kapellenweg wurde lediglich der ehemalige Grundschulstandort der katholischen Schule am Reeseberg geprüft. Nun wurde eine völlig unbefriedigende Entscheidung getroffen.“
Harburg: „Schon jetzt kommen Nachbarn nicht aus der Sackgassenstraße heraus!“
Laut Stöver sehen auch die Anwohner die Erweiterung des Schulstandortes skeptisch: „Schon jetzt kommen die Nachbarn bei Schulbeginn und -ende mit Auto oder Fahrrad nicht aus der Sackgassenstraße heraus, ohne große Schülerströme passieren lassen zu müssen. Mit der neuen Grundschule wird es eher noch zu mehr Elterntaxiverkehr kommen.“
Die Informationsveranstaltung am Mittwoch in der Lessing-Stadtteilschule beginnt um 18 Uhr. Das Abendblatt hat bereits im Januar die Schulbehörde um Informationen zu dem Vorhaben gebeten und bislang, trotz Nachfragen, keine erhalten.