Moorburg. Lion Mohnkes außergewöhnliches Äußeres ist nicht etwa Provokation. Es ist Ausdruck seines Glaubens. Wie der coole Gottesmann tickt
Wer Lion Mohnke lesen will, muss Altgriechisch und Hebräisch können. Er kann das. Außerdem beherrscht er Latein, Englisch, Hochdeutsch und Platt, aber das sind, bis auf Latein, keine ursprünglichen Bibelsprachen, und darauf kommt es an. Lion Mohnke ist fast am ganzen Körper mit Bibelversen tätowiert. Tätowierungen sind heute eigentlich nichts Ungewöhnliches mehr. Bei einem Pastor erwartet man sie trotzdem nicht. Und sie sind nicht das einzige, was den jungen Gottesmann von den meisten Kollegen abhebt.
„Die Bibel ist für mich wichtig und ich nehme sie ernst“, sagt er. „Und die Tätowierungen dienen auch dazu, dass ich meinen Glauben nie verstecken kann und immer dazu stehe.“
Polizeiausbildung? Nach der Schule gingen die Berufswünsche nicht in Richtung Kanzel
Dabei spricht er breites Hamburgisch. Kein hochnäsiges Spitzer-Stein-Hanseatisch, sondern Arbeiterklassennorddeutsch. Wie seinen Glauben verleugnet Mohnke auch seine Herkunft nicht. Der 33-Jährige ist in Reinbek aufgewachsen. Sein Vater war Buchbinder. „Eigentlich wollte ich auch Buchbinder werden und hatte auch schon einen Ausbildungsplatz, aber diese Bibliothek hat mir auch zu verstehen gegeben, dass die Stelle des Buchbinders nach meiner Ausbildung gestrichen werden würde. Dann wollte ich Polizist werden, habe diesen Plan aber nicht mit meinem Glauben vereinbaren können.“
Auch die Strenggläubigkeit hat Mohnke aus seinem Elternhaus. Vater und Mutter waren Baptisten. Sie waren „zur Religion gekommen“, als Lion Mohnke fünf war. Mit acht trat auch er der Freikirche bei, in der sein Vater bald die Jugendarbeit übernahm. Die Zeit prägte ihn, denn dem Vater gelang es, den Jungs, die er betreute, mit Gesprächen und Aktivitäten eine ausgewogene Mischung aus Selbst- und Gottvertrauen zu vermitteln.
Mohnke war schon Gärtner, Türsteher und Softwareentwickler
Das Theologiestudium, einen der arbeitsintensivsten Studiengänge in Deutschland, musste Lion Mohnke sich selbst finanzieren. 19 Stunden in der Woche jobbte er und lernte die verschiedensten Berufswelten kennen. Lion Mohnke war schon Gärtner, Türsteher und Softwareentwickler, arbeitete beim Film und auf Mittelaltermärkten. „Dadurch hat mein Studium deutlich länger gedauert als das einiger Kommilitonen“, sagt er, „aber ich möchte diese Lebenserfahrung nicht missen, und in der Gemeindearbeit hilft sie mir“
Paradoxerweise fehlt es der Kirche nicht nur an Nachwuchspastoren, sondern auch an Stellen
Beinahe jedoch hätte ihn die Faszination für die Mittelaltermärkte verleitet, das Studium kurz vor der Zwischenprüfung an den Nagel zu hängen. Seine Professorin brachte ihn auf den richtigen Weg zurück.
Nach einem Vikariat in Curslack und einer Probezeit in Marmstorf war Lion Mohnkes Berufsweg eigentlich vorgezeichnet, aber nur theoretisch. Praktisch und paradoxerweise fehlt es der evangelischen Kirche in Norddeutschland nicht nur an Nachwuchspastoren, sondern auch an Stellen. Lion Mohnke wollte man aber unbedingt behalten. So wurde er dem Pfarrsprengel Süderelbe zugeordnet, dessen acht Kirchen zwischen Vahrendorf und Finkenwerder von sieben Pastoren betreut werden.
Eine „eigene“ Kirche im Sprengel, für die hauptsächlich er verantwortlich ist, war eigentlich noch nicht vorgesehen, aber bald fügte es sich, dass die Kirche in Moorburg vakant wurde. Mohnke wohnt mit seiner Frau und dem kleinen Sohn bereits dort. Die kleine Gemeinde mit der über 400 Jahre alten Kirche gefällt ihm. Gut die Hälfte der 700 Moorburgerinnen und Moorburger bekennt sich zum Glauben. Es ist eine bunte Mischung aus alteingesessenen Dörflern, hauptsächlich aus dem Westteil von Moorburg und solchen, die sich im östlichen Teil von Moorburg, wo bereits viele Häuser im Zuge einer geplanten Hafenerweiterung geräumt waren, eingemietet haben und dort ihre eigene Idee von Dorfleben verwirklichen, die stark an französische Historiencomics und skandinavische Kinderliteratur erinnert.
Der Wandel des männlichen Rollenbildes ist auch ein Thema für die Religion
„Diese Mischung macht Moorburg so spannend“, sagt Lion Mohnke, „und ich habe das Gefühl, dass wir gut hierher passen! Dass ich Platt spreche, hilft mir hier, allerdings ist es derzeit noch ein wenig eingerostet.“
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Außer der Arbeit für die dörfliche Gemeinde Moorburg sowie für die Thomaskirche in Hausbruch will sich Lion Mohnke im Sprengel um die Männerarbeit kümmern. „Das männliche Rollenbild ist im Wandel“, sagt er, „und das verunsichert viele. Was bedeutet es, Mann und Christ zu sein? Sind Verantwortung und Beschützerrolle noch zeitgemäß und zu rechtfertigen? Ich glaube, ja. Und ich glaube, dass die Bibel hier Beispiele gibt.“
Zum Erforschen des Männlichkeitsbildes passt auch, dass Lion Mohnke demnächst den Jagdschein erwerben will. Außerdem will er weiter an dem Gesamtkunstwerk arbeiten lassen, das seinen Körper umgibt. „Dort sind noch einige wenige Stellen unbeschrieben“, sagt er. „Sei sieben Jahren arbeitet ein und dieselbe Tätowiererin an mir.“