Harburg und Umland. Modern, neu, barrierefrei: Die Hoffnungen waren groß, als das Uelzener Eisenbahnunternehmen 2003 an den Start ging. Warum eigentlich?
- Für die meisten Menschen schien das Schicksal der Eisenbahngesellschaft Metronom besiegelt
- Das Unternehmen hatte Ende 2023 darum gebeten, den eigentlich bis 2033 laufenden Vertrag mit dem Land Niedersachsen frühzeitig aufzulösen
- Das nun meldete sich der Metronom zurück – und erinnert mit seiner Kampfansage an den Zauber des Anfangs
Mit dem Metronom fahren, den Metronom nehmen – das steht in Hamburg und speziell südlich der Elbe oft synonym für das Bahnfahren im Regionalverkehr. Vier der fünf Linien des Bahnbetreibers durchqueren den Landkreis Harburg und steuern auf dem Weg nach Uelzen, Lüneburg und Bremen zahlreiche Bahnhöfe in der Region an. Insgesamt halten die Züge an 45 Bahnhöfen bei 390 Streckenkilometern in Niedersachsen, Bremen und Hamburg.
Auch auf der früheren Strecke Hamburg – Cuxhaven (RE5) mit Zwischenstationen in Harburg, Buxtehude und Stade ist das „Metronomfahren“ Jahre nach dem Aus noch nicht ganz aus dem Sprachgebrauch verschwunden. Diese Linie hatte der Betreiber 2018 an die Bahntochter „Start Unterelbe“ nach einer Neuausschreibung verloren. Das gelb-blaue Design der Doppelstockwagen, die dem Land gehören, blieb erhalten.
Metronom-Start im Sommer 2003: Ein Neubeginn voller Hoffnungen
So ein Betreiberwechsel steht nun für das gesamte sogenannte „Hansenetz“ im Raum – also für alle aktuell vorhandenen Metronom-Strecken. Und das viel früher, als es die Verträge vorsehen. Im Einvernehmen mit dem Unternehmen hinter der Marke „Metronom“ will das Niedersächsische Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) über eine Vertragsauflösung zum Juni 2026 verhandeln. Ursprünglich vereinbart war der Betrieb bis Ende 2033.
Der Ärger über Zugverspätungen und Zugausfälle beim Metronom war bei Bahnfahrern und Pendlern zuletzt immer größer geworden. Der private Bahnbetreiber beklagt enorme Kostensteigerungen und Personalmangel, dünnte das Fahrangebot schrittweise immer weiter aus, um mit diesem Ersatzfahrplan weniger, aber verlässliche Fahrten zu gewährleisten – überraschte aber vor Kurzem mit einer emotionalen Kampfansage für die Zukunft.
Und tatsächlich: Dem Start der Metronom-Züge Anfang der 2000er-Jahre hatte ein Zauber innegewohnt, an den auch die Pressemitteilung erinnerte.
Wie alles begann: Die goldenen Anfangszeiten beim Metronom
Einen farbenfrohen, „echten Hingucker“ nannte das Abendblatt die neuen Nahverkehrszüge im Jahr 2003, die bald Pendler und Bahnreisende in der südlichen Hamburger Metropolregion schneller befördern sollten – und es auch wie versprochen taten. Der Metronom startete damals mit den Strecken Uelzen–Hamburg–Bremen. Von Uelzen bis zum Hamburger Hauptbahnhof über Bad Bevensen, Bienenbüttel, Lüneburg, Winsen und Harburg sowie von Hamburg nach Bremen über Harburg, Buchholz, Tostedt, Lauenbrück, Scheeßel und Rotenburg.
Der Wechsel von den „tristen rot/grauen Nahverkehrszügen der Deutschen Bahn“ zu dem „viel moderneren Regionalschnellzug“ werde den Menschen wohl auch dank der neuen Bahntechnik leicht fallen, prognostizierte das Abendblatt damals. Angekündigt wurden: „Doppelstockwagen mit hochwertiger Ausstattung, Service-Personal, behindertengerechte Einstiege mit ausfahrbarer Rampe, behindertengerechte Toiletten, Abstellraum für Fahrräder, Kinderwagen und Gepäck. Außerdem Automaten für heiße und kalte Getränke sowie Snacks.“
Längere Züge, mehr Platz in den Wagen, besserer Service, höherer Takt, Pünktlichkeit – die Einführung der Metronom-Züge wurde als deutliche Verbesserung im Regionalverkehr wahrgenommen. Vorausgegangenen war eine Bahnreform, die die Organisation des öffentlichen Personennahverkehrs mit Bus und Bahn regionalisiert hatte.
Seit Mitte der 90er-Jahre lag der ÖPNV in den Händen der Bundesländer. Niedersachsen gründete 1996 für die Organisation die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG). Und beim Betrieb der Strecken wurden der Deutschen Bahn in dieser Zeit vielerorts mit privater Konkurrenz Beine gemacht. Im Fall des Metronom besonders erfolgreich. Er galt lange als Vorbild und Erfolgsmodell.
Das Metronom-Netz wächst – und die Fahrgastzahlen schnellen in die Höhe
Nach dem Start im Jahr 2003 wuchs das Metronom-Streckennetz über die Jahre immer weiter an. Die Gesellschafterstruktur änderte sich mehrfach. Das Unternehmen firmiert heute offiziell unter dem Namen metronom Eisenbahngesellschaft mbH, ist ein nicht bundeseignes Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Sitz in Uelzen und auf die Gesellschafter NiedersachsenBahn GmbH & Co. KG (NB) zu 73,6 Prozent und BeNEX zu 26,4 Prozent aufgeteilt. Täglich nutzen nach Unternehmensangaben aktuell 80.000 Fahrgäste die Metronom-Züge.
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Zwei Jahre nach dem Auftakt 2003 erweiterte der Metronom sein Gebiet fernab von Hamburg um die Strecken Uelzen-Hannover-Göttingen. Das Fazit im Jahr 2005 für die beiden vorhandenen Strecken zwischen Hamburg, Uelzen und Bremen: Das Unternehmen erhöhte die Zahl der Fahrgäste damals innerhalb von zwei Jahren – im Vergleich zu Bahn-Zeiten – um 30 Prozent auf täglich 30.000 Passagiere.
Vergrößerung im Großraum Hamburg: Ab 2007 auch in Buxtehude, Stade und Tostedt
Ein weiteres Stück vom Personennahverkehr im Großraum Hamburg eroberte der Metronom im Jahr 2007. Mit den Regionalbahnstrecken Hamburg-Lüneburg und Hamburg-Tostedt mache sich das Unternehmen zwar Konkurrenz, diese sei aufgrund von überfüllten Expresszügen aber gewollt, wie damals im Abendblatt zu lesen war.
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Schon ein Jahr zuvor stand fest, dass die Metronom Eisenbahngesellschaft eine weitere wichtige Bahn- und Pendellinie in der Region übernehmen würde. Ab Dezember 2007 bedienten die blau-gelben Züge auch die Strecke Hamburg-Cuxhaven mit den Stationen unter anderem in Harburg, Buxtehude und Stade. Damit lagen 209 Schienenkilometer in der Metropolregion in der Hand der Metronom-Gesellschaft.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Metronom die Fahrgastzahlen auf seinen vorhandenen Strecken um 50 Prozent gesteigert. Auf diese Entwicklung hoffte man auch zwischen Hamburg und Cuxhaven. Das Unternehmen hatte das ganze Jahr 2007 mit Zugtaufen (etwa mit den Zugnamen „Buxtehude“ und Stade“) und kostenlosen Probefahrten geworben. Wenige Tage nach Betriebsstart der neuen Strecken im Dezember 2007 verzeichnete der Metronom bereits 2500 Stammplatz-Reservierungen.
Zweite Metronom-Verbindung über Tostedt und Rotenburg nach Bremen ab 2010
2010 vermeldete das Abendblatt eine weitere gute Nachricht für Pendler und Zugreisende: Eine zweite durchgängige Metronom-Linie mit mehr Zwischenhalten von Hamburg bis Bremen schloss eine Lücke zwischen Rotenburg und Tostedt. Damit erhielten alle zwischen Bremen und Hamburg liegenden Stationen ganztags halbstündlich beziehungsweise stündlich eine Direktverbindung.
Seit 2010 ist die Rede vom Hansenetz, die dazugehörigen Strecken tragen seit 2014 folgende Namen:
- RE2: Uelzen–Celle–Hannover Hbf–Northeim–Göttingen,
- RE3: Hamburg Hbf–Hamburg-Harburg–Winsen (Luhe)–Lüneburg–Uelzen,
- RE4: Hamburg Hbf–Hamburg-Harburg–Buchholz–Tostedt–Rotenburg (Wümme)–Bremen Hbf,
- RB31: Hamburg Hbf–Hamburg-Harburg–Winsen (Luhe)–Lüneburg und
- RB41: Hamburg Hbf–Hamburg-Harburg–Buchholz–Tostedt–Rotenburg (Wümme)–Bremen Hbf.
Metronom im Jahr 2017: Großer Zuschlag und Verlust der Linie nach Buxtehude–Stade–Cuxhaven
Nach den kleineren Neuausschreibungen in den Jahren 2007 und 2010 erhielt das Unternehmen im Jahr 2017 den großen Zuschlag, das Hansenetz für den Zeitraum von 2018 bis 2033 weiterzubetreiben. Einen Verlust musste der Metronom allerdings hinnehmen: die Strecke Hamburg–Harburg–Buxtehude–Stade–Cuxhaven.
Während bei der Vergabe 2006 nur der Metronom im Rennen für diese Strecke und damit logischer Gewinner der Ausschreibung gewesen war, verlor das Unternehmen den Zuschlag zehn Jahre später im Zuge der Neuausschreibung an die Deutsche-Bahn-Tochter „Start Unterelbe“. Die „Start“-Züge sind seit Ende 2018 entlang der Elbe bis zur Nordseemündung in Cuxhaven unterwegs.
Corona-Pandemie und Ukraine-Krise: Metronom gerät unter Druck
In den vergangenen Jahren häuften sich die Probleme. Fahrgäste im Süden zeigten sich zunehmend genervt von Verspätungen und -ausfällen. Auch Politik und Verwaltungen ärgerten sich öffentlich über nicht nachvollziehbare Einschränkungen im Bahnverkehr und schlechte Kommunikation. In der Gemeinde Seevetal äußerte die Bürgermeisterin kürzlich in einem offenen Brief Kritik am Verhalten des Unternehmens – traf damit aber offenbar den Falschen.
Die abgespeckten Ersatzfahrpläne seit Sommer 2023 ließen die Kritik noch lauter werden. Die Landesnahverkehrsgesellschaft zeigte sich öffentlich verärgert über die Verschlechterungen im Bahnangebot. Politik und Umweltorganisationen sehen die Verkehrswende in Gefahr.
Ein Erfolgsmodell am Ende: Metronom will aus dem Vertrag aussteigen
Ende Januar wurde bekannt, dass das Uelzener Unternehmen über einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Betreiber-Vertrag mit dem Land verhandeln wird, um langjährige finanzielle Verluste abzuwenden. Das Verkehrsministerium stimmt den Verhandlungen unter Verweis auf „große Probleme in Bezug auf Qualität und Zuverlässigkeit des Angebots“ zu. Gemäß diesem Plan wäre im Sommer 2026 und damit sechseinhalb Jahre früher als vereinbart Schluss.
Die Eisenbahngesellschaft gibt an, in Folge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs unter starken Kostendruck geraten zu sein und zudem unter einem Fachkräftemangel zu leiden. Als privater Bahnanbieter könne man nur unter den „geänderten Rahmenbedingungen“ nicht erfolgreich weiterarbeiten. Dazu gehöre auch der Zustand der Schieneninfrastruktur, auf den das Unternehmen keinen Einfluss hat. Unter neuen Vorzeichen wolle sich das Unternehmen durchaus erneut für das Hansenetz bewerben.
Einige Politiker stellen Vergabe an private Bahnbetreiber grundsätzlich infrage
Auch Politiker vor Ort drängen auf Veränderungen für den Betrieb des hiesigen Regionalverkehrs. Die Lüneburger SPD stellt in einer Resolution allerdings die Vergabe an private Bahnbetreiber im Regionalverkehr grundsätzlich infrage. Sie fordert nicht nur eine Neuausschreibung, sondern auch „eine verstärkte Berücksichtigung sozialer und ökologischer Belange“ anstelle von reiner Gewinnorientierung.
Die CDU nimmt vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung dagegen die politisch Verantwortlichen in die Pflicht. Das sind aus Sicht von Marcel Scharrelmann, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen und die Ampel-Regierung im Bund. Er fordert mehr Geld für die Schieneninfrastruktur.