Finkenwerder/Marmstorf. Wann immer Bernd Geisler mit seinem Bus vorfährt, gibt es ein großes Hallo. Am glücklichsten aber sind die Kinder, die er damit fährt.
Es ist nur eine kleine Geschichte – aber vielleicht gehört sie trotzdem zu den schönsten, die man sich in diesen Tagen südlich der Elbe erzählt. Denn sie handelt von einem Bus, der seinen Fahrgästen immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubert, weil er so hübsch und weihnachtlich geschmückt ist, dass man am liebsten selbst direkt einsteigen würde.
Doch Erwachsene haben hier keinen Zutritt. Nur Kinder, und das macht diese Geschichte am Ende womöglich doch zu einer großen: Weil eben dieser Bus Kinder mit den verschiedensten Behinderungen jeden Morgen zur Schule befördert und am Nachmittag zurück. Und weil all das der Eigeninitiative eines einzelnen Menschen zu verdanken ist.
Ein Schulbus voller Weihnachtsschmuck und Lichterketten für behinderte Kinder
Bernd Geisler steht neben seinem DRK-Bus und lächelt. Dass er seinen Job gerne macht, ist ihm direkt anzusehen. Und seinen Passagieren auch. Von außen wirkt das Fahrzeug tatsächlich wie jeder andere: Ein Kleinbus mit Rolli-Rampe am Heck und großer Schiebetür an der Seite, die sich immer dann öffnet, wenn ein Kind zu- oder aussteigt. Aber dann wird sie für alle sichtbar: Die kleine Weihnachtswelt im Innern des Fahrzeugs.
Lichterketten blinken, Sterne glitzern, und rote Schleifen verzieren die Halter der Sicherheitsgurte. Auf dem Armaturenbrett leuchtet ein winziger Weihnachtsbaum. „Für die Kinder ist es ein Highlight, ohne Frage“, sagt Geisler. „Wenn wir im Morgengrauen damit an der Elfenwiese vorfahren, dann gibt es sofort ein großes Hallo, alle freuen sich.“ Und schnell ist klar: Genau aus diesem Grund hat es der 63-Jährige gemacht.
Für die Kinder ist der Schulweg zur Elfenwiese oft weit
Bernd Geisler ist Busfahrer beim DRK mediservice des Landesverbandes Hamburg, fünfmal die Woche bringt er Kinder aus dem Hamburger Süden zur Schule Elfenwiese in Marmstorf, einer Förderschule für Kinder mit körperlichen Behinderungen. Nachmittags bringt er sie wieder nach Hause. Für die Kinder und Jugendlichen ist der Schulweg oft weit, der Einzugsraum der Schule reicht von den südlichen Hamburger Stadtteilen bis ins nördliche Niedersachsen.
Um auch diesen Kindern den Schulalltag zu ermöglichen, gibt es in Hamburg die städtische Schulweghilfe: Sie beauftragt Fahrdienste mit der Beförderung der Schulkinder – ein wesentlicher Beitrag zur schulischen Inklusion in der Hansestadt.
Die Tour von Bernd Geisler beginnt um 6.30 Uhr. Dann steigt das erste Schulkind bei ihm ein. Bernd Geisler ist Rentner, jahrelang hat er Getränke transportiert. Kontakt zu Menschen oder gar Kindern mit Behinderung hatte er in seinem Leben bislang kaum. „Das kam erst, als ich Rentner wurde“, erzählt der 63-Jährige. „Da wurde ich angesprochen vom DRK, ob ich nicht Lust hätte, im Fahrdienst einzusteigen. Und so kam es dann auch.“
Montags bis freitags klingelt der Wecker nun um 5 Uhr – und das im Ruhestand
Das war vor einem Jahr. Seine Entscheidung hat er bis heute nicht bereut. Obwohl sein Alltag nun alles andere als nach Ruhestand klingt. Montags bis freitags klingelt sein Wecker um 5 Uhr – damit er es rechtzeitig zur ersten Abholung schafft. Und trotzdem: ein „Topjob“, wie Geisler es nennt. „Wenn ich gewusst hätte, wie viel Spaß dieser Job bringt, hätte ich ihn schon viel früher gemacht“, sagt er. „Es macht einfach eine Riesenfreude zu sehen, wie sich die Kinder entwickeln, welche Erfolge sie feiern. Wir sind eine tolle Gruppe hier im Bus, die Kinder mögen sich auch untereinander und steigen mit Freude ein. Das ist mir das Wichtigste.“
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Wenn Bernd Geisler nach beiden Touren am Abend nach Hause kommt, merke er durchaus die Anspannung, die so ein Tag als Busfahrer auf den Straßen Hamburgs mit sich bringt. „Aber ich bin nicht so körperlich kaputt wie früher, und es erfüllt mich ganz anders.“
Weihnachtsbus für behinderte Kinder: „Die haben alle einen harten Tag hinter sich“
Seine Fahrgäste nennt der gelernte Maler und Lackierer liebevoll „seine Kinder“. Und genauso sorgt er auch für sie. Wenn im Sommer die Temperaturen steigen, hat er immer ein paar kalte Getränke an Bord. Und wenn jemand auf der Rücktour lieber Kopfhörer aufsetzt, als sich mit den anderen Kindern zu unterhalten, dann sei das eben so: „Die haben alle einen harten und langen Schultag hinter sich“, sagt Geisler. „In meinem Bus darf jedes Kind so sein, wie es ist.“ Inzwischen sei man eine tolle Gemeinschaft geworden. Schließlich verbringe man auch mehr als eine Stunde am Tag zusammen – auf engstem Raum.
Die Idee zum geschmückten Weihnachtsbus kam übrigens gar nicht von ihm, erzählt Geisler noch. „Eines der Mädchen hat mich gefragt, ob der Bus denn zur Weihnachtszeit auch wieder geschmückt wird, wie damals zu den Special Olympics“, erzählt er. „Und dann bin ich los und hab mal geschaut, was es gibt.“
Wie gern hätte man ihm dabei zugesehen. Ein Hamburger Busfahrer auf der Suche nach Weihnachtsdeko für seine Gäste. Fast zu schön, um wahr zu sein.