Harburg. Der 30-jährige Paolo Minelli arbeitet in der Helios Mariahilf Klinik. Warum er seinen Job so liebt und wie die Frauen reagieren.
Anja Helmich hat sieben Kinder zur Welt gebracht – alle wurden in der Helios Mariahilf Klinik in Harburg geboren. Jede Geburt war etwas besonderes. Doch die letzte war noch etwas besonderer: Sie wurde von einer männlichen Hebamme begleitet.
Helios Mariahilf Klinik in Harburg: Siebenfach-Mama ist begeistert von ihrer männlichen Hebamme
Paolo Minelli half der Siebenfach-Mama aus Wilhelmsburg dabei, ihr jüngstes Kind zur Welt zu bringen. Der 30-Jährige ist die einzige männliche Hebamme in einer Hamburger Klinik und arbeitet seit 2019 beim Helios Mariahilf. Seither hat er schon viele Frauen bei der Geburt betreut. „Als mir Paolo als meine Hebamme vorgestellt wurde, war ich zunächst sehr überrascht und habe gedacht, dass ich das eigentlich nicht möchte“, sagt Anja Helmich.
Doch die siebenfache Mutter ließ sich auf ein Kennenlernen ein und bereut dies bis heute nicht: „Es war eine ganz andere Erfahrung als bei den sechs Geburten vorher. Zum Teil viel besser. Paolo ist sehr einfühlsam, vorsichtig und er nimmt einem die Angst“, sagt die Wilhelmsburgerin.
„Eine männliche Hebamme ist etwas Besonderes, die vergisst man eben nicht so schnell.“
Die Geburt ihres jüngsten Kindes ist jetzt 14 Monate her. Auch mehr als ein Jahr danach kommt Anja Helmich regelmäßig mit der kleinen Elina in der Klinik vorbei, um Paolo Minelli zu besuchen. So eine persönliche Beziehung hatte die Mutter bisher noch zu keiner der anderen Geburtshelferinnen, die bei ihren vorherigen sechs Entbindungen in Harburgs einziger Geburtsklinik dabei waren. „Eine männliche Hebamme ist ja auch etwas Besonderes, die vergisst man eben nicht so schnell“, sagt Helmich. „Komisch, wenn ein Arzt bei der Geburt dabei ist, ist das selbstverständlich.“
Auch Paolo Minelli wird im Kreißsaal öfter für einen Arzt gehalten, doch er legt Wert auf den Unterschied: „Ich baue eine ganz andere Verbindung zu den Frauen auf als ein Arzt. Ich bin die ganze Zeit bei der Geburt dabei. Das wird von einem Arzt gar nicht erwartet.“ Der 30-Jährige erinnert sich gern an die erste Geburt, die er erleben durfte: „Es war wunderschön – und das ist das im Kreißsaal glücklicherweise fast immer so. Es ist berührend, wenn ein neues Leben beginnt und Mutter und Kind sich erstmals in die Augen blicken. “
In Deutschland sind die Männer im Kreißsaal meistens Ärzte oder Väter
Ein Mann mit dem Beruf Hebamme ist in Deutschland immer noch die absolute Ausnahme. Die Kreißsäle der Republik sind fest in Frauenhand. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts leisteten 2021 insgesamt 11.697 Hebammen Geburtshilfe in deutschen Krankenhäusern. Nur eine Handvoll davon waren Männer, die früher als Entbindungspfleger bezeichnet wurden.
Doch seit die Hebammenausbildung Anfang 2020 reformiert wurde, gilt die Bezeichnung Hebamme für alle – egal welchen Geschlechts. Aktuell soll es in Deutschland nach unbelegten Angaben um die 20 männliche Hebammen geben. Ihr Anteil wird nicht gesondert erfasst. Klar ist: In Deutschland sind die Männer im Kreißsaal meistens Ärzte oder Väter.
Minelli hat sich an das Gefühl gewöhnt, der einzige Mann unter Frauen zu sein
Paolo Minelli hat sich an das Gefühl gewöhnt, der einzige Mann unter Frauen zu sein. „Ich wollte schon immer in die Geburtshilfe. Mein Großvater war Arzt und brachte Kinder zur Welt. Das fand ich schön. Ich wollte das auch machen“, sagt der Italiener. Da er zunächst keinen Medizin-Studienplatz erhielt, nahm der stattdessen das dreijährige Hebammen-Studium auf – und fand darin seine Erfüllung. „Ich hatte aber keine Ahnung, dass so wenig Männer ein Studium in diesem Bereich aufnehmen. Ich habe mich manchmal etwas einsam unter all den Frauen gefühlt.“
Manche Männer verstehen nicht, warum ein Mann freiwillig in die Geburtshilfe will
Nach dem Abschluss des Studiums in Italien vor sieben Jahren und den ersten Erfahrungen im Beruf kam Paolo Minelli über eine Job-Agentur nach Hamburg in die Helios Mariahilf Klinik. „Ich hatte nicht so viel Gutes über Deutschland gehört. Aber ich wurde positiv überrascht. Mir gefällt es sehr in Hamburg und hier an meinem Arbeitsplatz. Es könnte nicht besser sein“, sagt der Italiener. Die Reaktion auf seinen Beruf sei in Deutschland und Italien immer die gleiche: „Einige fragen sofort interessiert nach, manche schütteln verwundert den Kopf – vor allem Männer. Die verstehen oft nicht, warum man diesen Beruf freiwillig ausüben will“, sagt er.
Das Interesse sei aber meistens sehr groß. „Ich erkläre dann gern, was ich an meiner Profession so liebe und wie mein Berufsalltag aussieht.“ Dennoch werde er ab und zu als Hebamme abgelehnt: „Das kommt vor. Es gibt Menschen, für die ein Mann in diesem Beruf offenbar immer noch undenkbar ist.“
Männliche Hebamme in Harburg: Es gibt auch Frauen, die skeptisch reagieren
Bei seinen Kolleginnen ist Paolo Minelli sehr beliebt. Er sei eine wunderbare Ergänzung für das ansonsten rein weibliche Hebammen-Team, meint Inna Krause, kommissarische Leiterin des Kreißsaals. Paolo bringe frischen Wind in die Abteilung und habe außerdem mehr Kraft als die Frauen, was im Arbeitsalltag oft sehr hilfreich sei. „Wenn er ins Zimmer tritt, reagieren manche Frauen skeptisch. Aber Paolo gewinnt meistens sehr schnell ihr Vertrauen“, sagt Krause. Bei den Geburten nimmt er auch die begleitenden Personen unter seine Fittiche. „Männer brauchen im Kreißsaal manchmal auch Unterstützung“, sagt der Geburtshelfer.
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Die Helios Mariahilf Klinik ist die einzige Geburtsklinik im Hamburger Süden. Dort arbeiten insgesamt 35 festangestellte Hebammen, im kommenden Jahr sollen drei weitere hinzukommen – aktuell ausschließlich Frauen. In diesem Jahr wurden bis zum 10. Dezember 1481 Geburten gezählt. Die Hochrechnung für 2023 liegt laut Klinik bei 1600 Geburten. „Wenn ich im Dienst bin, erlebe ich eigentlich immer mindestens eine Geburt“, sagt Paolo Minelli. „Was könnte schöner und hoffnungsvoller sein?“