Harburg. Chocolatière Astrid Thal ist zu Gast in einer Kunsthandwerkerhütte. Früher arbeitete sie in einer großen Rechtsanwaltskanzlei.

„Pistazienmarzipan, Kirschmarzipan, Orangenmarzipan, Mandelnougat, Kardamom, Tonkabohne und die Hamburger Pfeffersackmischung“, rattert Astrid Thal herunter, holt Atem und macht weiter: „Minze, Chili, Irish Coffee …“. Die Liste ist lang und ihre Sprecherin zeigt bei jedem Wort auf eine andere Praline. Jede davon hat sie selbst gemacht. Einzeln und nur mit ihren zwei eigenen Händen. Thal ist Chocolatière von Beruf und aus Leidenschaft. Und bis Sonntag kann man ihre süßen Schmuckstücke auf dem Harburger Weihnachtsmarkt kaufen. Vom Rathaus aus gesehen ist ihr Stand links hinten.

Beim gierigen Biss entfalten die Pralinen in schneller Reihenfolge eine bunte Geschmackssalve.

Astrid Thal hat keinen Dauerstand auf dem Weihnachtsmarkt, sondern ist eine Woche lang in der Kunsthandwerkerzeile vertreten. Zurecht: Ihre Pralinen sind Kunstwerke. Sie zergehen auf der Zunge, wenn man das abwarten kann; oder entfalten beim gierigen Biss in schneller Reihenfolge eine bunte Geschmackssalve.

Astrid Thal präsentiert die „Hamburg Praline“: Kaffeecreme, gewürzt mit den Schätzen der Speicherstadt
Astrid Thal präsentiert die „Hamburg Praline“: Kaffeecreme, gewürzt mit den Schätzen der Speicherstadt © HA | Lars Hansen

„Das liegt an der Qualität der Zutaten“, sagt sie, „Ich verwende sehr hochwertige Schokoladen aus Belgien, Frankreich und der Schweiz für die Umhüllung. Manchmal mache ich die Schokolade auch selbst. Für alles, was ich selbst herstelle, verwende ich Bio-Produkte. Nicht aus Weltanschauungs- oder Gesundheitsgründen, sondern weil ich dann genau weiß, was ich verarbeite.“

Der edle Werkstoff Schokolade ist launisch

Für die Hüllen der Pralinen gießt Astrid Thal flüssige Schokolade in eine Form mit vielen halbkugelförmigen Vertiefungen. Danach dreht sie die Form um. Der äußere Rand der Schokoladenmasse ist erkaltet und bleibt als hohle Halbkugel in der Form, der Rest läuft heraus, wird aufgefangen und kann im nächsten Arbeitsgang erneut verwendet werden.

Die Hohlformen werden dann mit all dem, was Astrid Thal so gut herunterrattern kann, gefüllt. Dazu benutzt sie einen Spritzbeutel. Dann kommt ein runder Deckel darauf – beziehungsweis eigentlich darunter, denn diese flache Seite ist am Ende der Boden der Praline.

Astrid Thals Pralinen sind von Anfang bis Ende handgemacht.
Astrid Thals Pralinen sind von Anfang bis Ende handgemacht. © HA | Astrid Thal

„Ich habe kurz überlegt, ob ich den Prozess hier vorführe, habe mich dann aber dagegen entschieden“, sagt sie über ihren Weihnachtsmarktstand. „Die lebensmittelrechtgliche Genehmigung wäre zwar möglich, aber mit sehr viel Aufwand verbunden gewesen.“

Außerdem ist der edle Werkstoff Schokolade launisch, was Temperatur und Klima angeht. Der offene Weihnachtsmarktstand bietet dafür keine Idealbedingungen. Aber die Pralinen sehen auch fertig verführerisch aus.

Jetzt in Harburg und mit Sondfergenehmigung von drei strengen Meistern geprüft

Astrid Thal war nicht immer Chocolatière. Im ersten Berufsleben arbeitete sie als Rechtswirtin in einer großen Anwaltskanzlei. Als deren Inhaber diese schloss, weil er sich uzur Ruhe setzte, hatte Astrid Thal zwar sofort Angebote, woanders weiterzumachen, entschied sich aber, nun etwas ganz anderes zu tun. Sie eröffnete eine kleine Delikatessenmanufaktur in Tatenberg an der Hamburger Dove-Elbe. Dabei entdeckte sie ihre Faszination für Schokolade. „Ich habe dann viele Kurse besucht und mich fortgebildet“, sagt sie. „Aber Chocolatière nennen durfte ich mich trotzdem nicht.“

Für die Hülle gießt Astrid Thal Schokolade in Vertiefungen
Für die Hülle gießt Astrid Thal Schokolade in Vertiefungen © HA | Astrid Thal

Diese Berufsbezeichnung ist in Deutschland nämlich eigentlich Konditormeistern vorbehalten. Und auch nicht jeder Zuckerbäcker mit Meisterbrief darf sich Chocolatier nennen. „Ich habe eine Sondergenehmigung bei der Handwerkskammer beantragt und durfte unter den strengen Augen dreier Konditormeister meine eigene Meisterprüfung ablegen. Erst seit 2020 bin ich offiziell Chocolatière.“

Einen Preis unter Wert nimmt Astrid Thal für ihre edlen Werke nicht, im Gegenteil: 100 Gramm kosten neun Euro. Ein kleiner Neuner-Träger kommt abgewogen auf etwa 8,50 Euro. Es sind eher Genuss-Geschenke für Nasch-Gourmets. Andererseits: Nicht weit entfernt kostet eine kleine Tüte Gebäck aus Fett, Mehl und Puderzucker auch schon vier Euro. Und die Zutatenliste ist längst nicht so wohlklingend: ‚„Grand Marnier, Salzkaramell, Erdnussnougat …“ rattert Astrid Thal weiter.