Wilhelmsburg. Schneller, breiter, leiser – die Arbeiten an der Autobahn 1 wirken sich auf Verkehr und Umgebung aus. Der Lärmschutz erinnert an die Alpen.
- Umbau der A1 in Wilhelmsburg hat als komplexes Verkehrsprojekt weitreichende Folgen.
- Autobahn rückt durch Verbreiterung näher an Häuser heran.
- Lärmschutz wird durch eine Galerie gewährt.
Die Elbinsel Wilhelmsburg wird in den kommenden zehn Jahren zur Großbaustelle. Viele der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen Deutschlands verlaufen über die Insel, fast alle müssen entweder ausgebaut oder erneuert werden – und das in möglichst fließendem Verkehr.
Allein die Verbreiterung der A1 von sechs auf acht Spuren wird ein komplexes Mammutprojekt: Auf nur 8,2 Kilometern Länge müssen zwei Elbbrücken und drei Autobahnknoten neu gebaut werden. Schon die Unterlagen für den nördlichen der drei Abschnitte füllen 16 Aktenordner.
Ausbau der A1 in Wilhelmsburg: Fast 160.000 Autos pro Tag prognostiziert
Der Ausbau ist im Bundesverkehrswegeplan als „Maßnahme des vordringlichen Bedarfs festgeschrieben“. Verkehrsprognosen haben eine tägliche Belastung von bis zu 159.000 Fahrzeugen im Verlauf des Nordabschnitts für das Jahr 2030 ergeben. Das ist eine Steigerung von 37.000 gegenüber 2019. Auf den anderen Abschnitten wird mit ähnlichen Anstiegen gerechnet. „Das ist mit sechs Fahrstreifen auch im Alltag nicht mehr zu bewältigen“, erläutert Projektleiter Rüdiger Martens. „Darüber hinaus sind die Norder- und auch die Süderelbbrücke nicht mehr lange nutzbar und müssen zwingend erneuert werden.“
Martens ist Projektleiter der DEGES für die zwei Bauabschnitte Nord und Süd und damit für beide Brücken verantwortlich. DEGES steht für „Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -baugesellschaft“. Sie verantwortet im Auftrag von Bund und Ländern den Neubau und die Erweiterung von Autobahnen und Bundesstraßen. Gerade hat Martens die Planfeststellungsunterlagen für den nördlichen Abschnitt des Ausbaus der A1 bei der Behörde für Wirtschaft und Innovation eingereicht, die in Hamburg die Planfeststellungsbehörde ist.
Eine breitere Autobahn rückt zwangsläufig näher an die Wohngebäude heran
Rüdiger Martens ist sich der Belastung für die Wirtschafts- und Transitverkehre während der mehrjährigen Bauzeit sehr bewusst. „Wir bauen unter laufendem Verkehr und haben ein Konzept mitsamt Bauzeitenplan entwickelt, das zu jedem Zeitpunkt jeweils drei Fahrspuren in beide Richtung zulässt“, beschreibt er die Herangehensweise. Dieses Konzept sei auch Teil der Unterlagen.
Neben der bestmöglichen Vermeidung von Staus ist auch der Lärmschutz eine große Herausforderung für die DEGES. Nicht nur, dass eine breitere Autobahn zwangsläufig näher an bestehende Wohngebäude heranrückt: Dreieinhalb Jahrzehnte nach den letzten großen Ausbauprojekten an der A1 in diesem Abschnitt sind auch neue, strengere Lärmschutzvorschriften einzuhalten. In einigen Bereichen wird es mit der größeren Autobahn daher letztendlich leiser werden, als mit der alten.
Ein halber Deckel als Lärmschutzlösung – eine Galerie, wie in den Alpen
Vor der Großwohnsiedlung Kirchdorf Süd etwa wird die komplette Westhälfte der Straße, also die Fahrbahn Richtung Bremen, über 950 Meter in einer sogenannten Galerie verlaufen. Galerien kennt man hauptsächlich aus Gebirgsstrecken, bei denen ein Teil der Straße im Berg verläuft, nahezu in einem Tunnel, allerdings zu einer Seite offen. Der Lärmeintrag an der autobahnzugewandten Häuserfront wird von aktuell bis zu 70 Dezibel auf erträgliche 50 bis 55 sinken, erklärt Sebastian Haß, der für den mittleren Abschnitt verantwortlich ist.
Diese Absenkung – 55 Dezibel liegt zwischen Vogelzwitschern und menschlicher Konversation – erreicht Haß nicht allein durch die Galerie: „Wir verwenden auch Flüsterasphalt“, sagt er. „Obwohl der teurer, wartungsintensiver und unbequemer zu verarbeiten ist.“
Kein zusätzlicher Lärmschutz an der Harburger Elbbrücke
Damit wird auch vermieden, dass in der Galerie entstehende Fahrgeräusche zur offenen Seite in Richtung Moorwerder reflektiert werden. An anderen belasteten Stellen der Ausbaustrecke werden Lärmschutzwände und -wälle von bis zu acht Metern Höhe entstehen.
Auf der neuen Süderelbbrücke allerdings nicht, und das ärgert Anwohner in Neuland. Sie fordern Lärmschutz, der über die Pflichtübungen hinausgeht und haben entsprechende Einwände gegen die Planfeststellung vorgebracht. „Derzeit haben wir allerdings nicht vor, Lärmschutz zu verwirklichen, der über die gesetzlichen Auflagen hinausgeht“, sagt Rüdiger Martens
Sollte die A26 Ost abgesagt werden, muss die DEGES noch einmal umplanen
Die neue Süderelbbrücke wird zunächst einmal zur Hälfte gebaut. Dann wird der Verkehr sechsspurig auf diese Brücke umgelegt und die alte Brücke abgerissen, während gleichzeitig bereits die Osthälfte der neuen Brücke über den Strom wächst. Ist die alte Brücke weg, wird diese Hälfte in einem technischen Kraftakt an ihre Stelle geschoben.
Die größte Herausforderung im Mittelabschnitt ist neben dem Lärmschutz der Anschluss der A26 Ost an die A1. Die neue Autobahn soll unterirdisch durch Kirchdorf verlaufen und an die alte A1 anschließen. Dazu muss ein Teil des Anschlusses die A1 im nassen Marschboden unterqueren und ein anderer Teil an die Galerie anschließen. Sollte die A26 Ost doch noch abgesagt werden, muss Haß noch einmal umplanen.
Neuanlage des Dreiecks Norderelbe soll Unfallgefahr minimieren
Der 5,3 Kilometer lange Nord-Abschnitt ist der längste im Projekt A1. „Der Nordabschnitt umfasst neben dem Leuchtturmprojekt der neuen Norderelbbrücke auch die komplette Umgestaltung des Autobahndreiecks Norderelbe mit Anschluss an die A 255“, so Rüdiger Martens.
Die DEGES nutzt die Gelegenheit, das Dreieck Norderelbe, an dem die kurze A255 die Hamburger Innenstadt mit der A1 verbindet, neu anzulegen. Die bisherige Spurenführung war baulich zwar ökonomisch, führte aber immer wieder zu Unfällen und damit zu Staus. Im neuen Dreieck wird es einige neue Über- und Unterführungen geben, um weniger Spurwechsel nötig zu machen.
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Ausbau der A1: Neue Norderelbbrücke als Prunkstück
Prunkstück des Ausbaus wird die neue Norderelbbrücke, die ebenfalls in zwei Hälften neben der Bestandsbrücke gebaut wird. Sie wird, wie ihre Schwester im Süden, auch eine Fahrrad- und Fußgängerspur neben der Fahrbahn erhalten. Beide Neubauten erhalten den Brückencharakter ihrer Vorgänger: eine Bogenbrücke im Süden und eine Schrägseilbrücke im Norden.
Die Planungen der DEGES sehen bislang einen Baubeginn der Brücke für 2026 vor. Einen Planfeststellungsbeschluss erwartet Martens Ende des Jahres 2024, im Anschluss können die Bauleistungen ausgeschrieben werden.