Cranz/Neunfelde. Wenn Menschen in der Elbe vermisst werden, ist Eile geboten. Kleinlöschboote können nicht schnell genug ausrücken, weil Ufer verschlicken.
Bei Boots- und Badeunfällen zwischen Altona und dem Alten Land rücken Feuerwehren von beiden Seiten der Elbe mit ihren Kleinlöschbooten aus, um die Vermissten zu finden. Ob allerdings die Hilfe vom Südufer schnell im Einsatz ist, ist häufig Glückssache, kritisieren Feuerwehrleute. Sie fordern Änderungen in der Alarmfolge und zuverlässige Möglichkeiten, ihre Boote ins Wasser zu bekommen.
Die Elbe zwischen den schicken Vororten Altonas und dem teils ländlichen, teils industriellen Südufer ist schön anzusehen, aber ein gefährliches Gewässer. Erst vor einer Woche gab es am Falkensteiner Ufer vor Blankenese einen tödlichen Badeunfall mit einem 15-jährigen Opfer. Der Jugendliche war von einer Plattform in die Elbe gesprungen und nicht wieder aufgetaucht. Erst Tage später wurde seine Leiche von Spaziergängern am Elbufer gefunden. Auch an diesem Einsatz waren Kleinlöschboote der Freiwilligen Feuerwehren Cranz und Neuenfelde sowie ein Mehrzweckboot der Berufsfeuerwehr Finkenwerder beteiligt.
Gezeiten machen Rettern zu schaffen
Feuerwehrleute üben am Beispiel dieses Einsatzes Kritik am Alarmsystem und den Umständen, unter denen sie ausrücken müssen. Regelmäßig verzweifeln die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren aus Cranz und Neuenfelde-Nord mit ihren Kleinbooten an der Verschlickung der Este und der Estemündung am Mühlenberger Loch bei Neuenfelde.
An diesem Einsatztag konnte das Kleinboot der Freiwilligen Feuerwehr Cranz, auf der Este liegend, zur Einsatzstelle am Falkensteiner Ufer eilen. „Wir hatten auflaufend Wasser, dann kommen wir durch das Sperrwerk von der Este auf die Elbe“, sagt ein Feuerwehrmann dem Abendblatt, „doch ob das Sperrwerk geöffnet ist, gleicht einer Lotterie und ist abhängig vom Wasserstand.“
Neuenfelder Boot muss regelmäßig in Finkenwerder ablegen
Die Feuerwehr Neuenfelde Nord hat ihre Slipanlage auf der anderen Seite des Sperrwerks, versucht allerdings gar nicht mehr diese Slipanlage im Mühlenberger Loch zu nutzen. Die Estemündung ist stark verschlickt. Nur bei wirklich hohen Wasserständen in der Elbe, kommt das Boot auch vom Deich ins Wasser. Die Neuenfelder hängen ihr Kleinboot ans Löschfahrzeug und fahren an den Rüschkanal nach Finkenwerder, um das Boot dort ins Wasser zu lassen.
So war es auch an jenem Freitag, belegt eine Anfrage des Abendblattes. Um 20.28 Uhr wurde das Kleinboot von Neuenfelde zusammen mit den meisten anderen Rettungsbooten alarmiert. Um 20.37 Uhr, so weist es das Einsatzprotokoll aus, waren die Freiwilligen Retter aus Neuenfelde in Anfahrt – heißt das Boot hängt am Löschfahrzeug und man hat die Wache verlassen. Erst um 20.50 Uhr, wurde die Slipanlage am Rüschkanal in Finkenwerder erreicht und das Löschfahrzeug der Feuerwehr außer Dienst gestellt.
Wertvolle Bootszeit verstreicht auf der Straße
Laut einem erfahrenen Feuerwehrmann dauert es dann noch mindestens 20 Minuten bis das Kleinboot seetauglich gemacht ist. „Hier verstreichen wegen der langen Anfahrt zur Slipanlage wertvolle Minuten, die im Zweifel über Leben und Tod entscheiden können“, so einer der Feuerwehrmänner, mit denen das Abendblatt gesprochen hat.
„Bei dieser konkreten Einsatzlage muss die Frage erlaubt sein, ob es nicht besser gewesen wäre, dass im Wasser liegende Kleinboot der Freiwilligen Feuerwehr Finkenwerder zu alarmieren“, so einer der Feuerwehrleute.
Kleinboote wurden für das Mühlenberger Loch entwickelt
Dieses Boot liegt am Hein-Saß-Weg und wäre deutlich vor dem Boot aus Neuenfelde an der Einsatzstelle gewesen. „Aber hier hält man sich strikt an Alarmpläne, die im Zweifel viel Zeit kosten“, sagt der ehrenamtliche Retter. Der angesprochene Alarmplan sehe vor, dass die Freiwillige Feuerwehr aus Finkenwerder nur zu Einsätzen alarmiert wird, wenn der Bereich der Wasserrettung zwischen Finkenwerder und den Landungsbrücken liegt. „Das Kleinboot hätte binnen Minuten zur Einsatzstelle auslaufen können“, so der Feuerwehrmann weiter.
Die flachrumpfigen Kleinboote der Hamburger Feuerwehr sind übrigens eine Erfindung der Freiwilligen Feuerwehr Finkenwerder und waren eigentlich speziell für den Einsatz auf dem Mühlenberger Loch gedacht. Mittlerweile haben sie sich zum bundesweiten Verkaufsschlager, auch im Polizeidienst, entwickelt.
Feuerwehr Hamburg: Hubschrauber wichtiger als Boote
Das Mühlenberger Loch und die davor liegende Elbinsel Neßsand erfreuen sich bei Wassersportlern großer Beliebtheit. Bei gutem Wetter nutzen viele Kanuten und Segler das Gebiet zwischen Estemündung und Blankenese für einen Ausflug mit dem Boot. Dass im Notfall schnelle Rettung vom Südufer der Elbe vom Gezeitenlauf abhängt, bestätigt auch die Pressestelle der Feuerwehr.
Zwar betont die Feuerwehr bei ihrer Antwort, dass bei einer Vermisstensuche wie an jenem Tag, insbesondere bei den Wasserfahrzeugen beispielsweise ein Sonar wichtiger sei als die reine zeitliche Verfügbarkeit der Kleinboote und dass beim Einsatz von Polizei- und Rettungshubschrauber die Erkundungs- und Suchradien um ein Vielfaches über denen der Wasserrettungsfahrzeuge liegen. Dennoch gab es an dem tragischen Tag um 21.13 Uhr sogar die Nachalarmierung eines Kleinbootes der Freiwilligen Feuerwehr Rissen.
Hafenbehörde führt Kostengründe an
Die grundsätzliche Kritik an der Einsatzfähigkeit der Boote von Cranz und Neuenfelde bleibt „Das Problem ist der Landesbereichsführung der Freiwilligen Feuerwehr bekannt. Initiierte Lösungsansätze führten bisher nicht zu einer Lösung“, so Christian Wolter, Pressesprecher der Feuerwehr Hamburg.
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„Wir fordern seit Jahren von der Hafenbehörde HPA, dass sie die Slipanlage am Estesperrwerk dauerhaft von Verschlickung befreit, dies wurde jedoch immer wieder mit Blick auf die Kosten abgelehnt“, sagt Gudrun Schittek aus der Grünen-Bürgerschaftsfraktion.
Vorschläge der Feuerwehren wurden abgelehnt
Im Bereich der Estemündung und dem Mühlenberger Loch gibt es Konflikte zwischen verschiedenen Behörden: Die Hamburger Hafenbehörde HPA und das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Elbe-Nordsee des Bundes streiten sich darum, wer die Verschlickung der Este an welcher Stelle beheben soll, die Umweltbehörde möchte in diesem Bereich möglichst viel Schlick behalten, die Innenbehörde fordert eine nutzbare Slipanlage am Estesperrwerk, die HPA, der das Sperrwerk gehört, will sich an den Kosten dafür – etwa eine Million Euro – auf keinen Fall beteiligen. Auch die Idee der betroffenen Wehren, am Estesperrwerk einen Kran zu errichten, der die Boote direkt vom Ufer ins Fahrwasser heben könnte, scheiterte aus diesem Grund. Eine Anfrage des Abendblattes beantwortete die HPA nicht.