Cranz/Neuenfelde. Die Kleinboote der Freiwilligen Feuerwehren im Alten Land kommen bei Niedrigwasser nicht schnell genug zum Einsatzort.

Bei Ebbe sollte man im Mühlenberger Loch nicht über Bord gehen: Nicht nur, dass man Gefahr läuft, im Schlick zu landen – die Retter entlang des Flusses haben auch Schwierigkeiten, zu ihren Verunglückten zu gelangen.

„Über diesen Slipweg bringen wir unser Boot ins Wasser“, sagt Jens Rehder, Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Neuenfelde Nord und zeigt auf einen erst asphaltierten, im weiteren Verlauf mit Beton gepflasterten Weg, der neben dem Este-Sperrwerk den Deich hinab zur Elbe führt. Nur, dass gerade keine Elbe da ist: Bis fast zur Hauptfahrrinne hin sieht man Schlick statt Wasser. Durch den Schlick hindurch zieht sich die ausgebaggerte Rinne, durch die die Este in die Elbe fließt. Bis dahin müsste das Kleinboot der Feuerwehr wenigstens gelangen. Tut es aber nicht.

„Bei Wasserrettungsalarm sind wir innerhalb von fünf Minuten hier und haben noch einmal zwei Minuten später unser Boot im Wasser“, sagt Rehder, „aber bei Niedrigwasser geht das nicht.“

Feuerwehr Finkenwerder, Löschboot, kenterstabil: Bei der Personenbergung können bis zu vier Feuerwehrleute gleichzeitzig auf einer Bootsseite arbeiten
Feuerwehr Finkenwerder, Löschboot, kenterstabil: Bei der Personenbergung können bis zu vier Feuerwehrleute gleichzeitzig auf einer Bootsseite arbeiten © Lars Hansen

Dann müssen seine Leute mit dem Bootsanhänger nach Finkenwerder fahren, dort das Boot im Jachthafen zu Wasser lassen und wieder stromabwärts fahren. Das bedeutet eine Verzögerung von mindestens einer halben Stunde. Um das abzukürzen, werden in solchen Fällen die Freiwillige und die Berufsfeuerwehr Finkenwerder gleich mit alarmiert und sind etwas eher zur Stelle, als die Kollegen aus Neuenfelde oder Cranz, aber im Sinne des Erfinders ist das nicht. 15 Freiwillige Feuerwehren sollen entlang der Elbe mit Kleinbooten sicher stellen, das Wasserrettung schnell erfolgen kann. Die Berufsfeuerwehr verfügt über noch einmal vier Kleinboote. Diese liegen permanent im Wasser, werden aber häufig für andere Aufgaben, als nur die Rettung genutzt.

Das Wasserrettungssystem der Freiwilligen Wehren geht auf Adolf Fick zurück. Der ehemalige Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Finkenwerder ersann es auf der Rückfahrt von einem Hilfseinsatz beim Elbe-Hochwasser 2002 in Dresden. Dass der Neuenfelder Hermann Jonas damals Landesbereichsführer der Freiwilligen Wehren war und zufällig neben Fick im Auto saß, beschleunigte den Weg der Gedanken durch die Feuerwehrinstanzen. Die Boote für die Wasserrettung entwickelte Fick damals zusammen mit der Finkenwerder Feltz-Werft. Sie sind mittlerweile ein Verkaufsschlager bei Feltz. Diese Boote sind extra so konzipiert, dass sie mit dem Anhänger schnell möglichst nah an einen Einsatzort gebracht werden können. Doch dazu braucht man Slip-Bahnen. Und die müssen funktionieren.

Die Freiwillige Feuerwehr Neuenfelde Nord ist mit ihrem Problem nicht allein. Ihre verschlickte Slip-Bahn teilen sich die Neuenfelder mit den Kollegen aus Cranz. „Die haben ihr Boot deshalb im Sommer direkt in der Este am Fähranleger liegen“, sagt Rehder. Das bedeutet aber auch, dass die Cranzer nur auf die Elbe können, wenn das Este-Sperrwerk offen ist. Das ist es bei Niedrigwasser zwar gewöhnlich, aber nicht immer.

Die Harburger Bezirksversammlung ist auf das Problem aufmerksam geworden und fordert die beteiligten Behörden auf, diese Zustände zu beenden. Den Antrag dazu hatte die SPD auf Anregung ihres Neuenfelder Genossen Manfred Hofmann eingebracht.

Auch alle anderen Feuerwehr-Slipwege haben Probleme mit der Schlickbelastung. André Wronski. Landesbereichsführer der Freiwilligen Feuerwehren, hat schon in einem Feuerwehr-internen Artikel darauf aufmerksam gemacht und Besserung gefordert.

Zuständig für die Slipanlagen an der Elbe ist die Hamburg Port Authority (HPA). Dort räumt man ein, dass eventuell etwas getan werden muss. „Wenn uns jemand beauftragt, werden wir die Slipanlagen sanieren“, sagt HPA-Pressesprecher Martin Boneß. „Allerdings muss das dann auch vom Auftraggeber finanziert werden.“

Das sieht André Wronski anders: „Die Infrastruktur im Hafen und ihre Pflege ist Aufgabe der HPA“, sagt er. Die Feuerwehr baut ja auch keine Straßen, um zu Bränden fahren zu können.“

Zwischen 12 und 14 Wasserrettungseinsätze – offiziell: Technische Hilfeleistung Wasser mit Menschenleben in Gefahr – fahren die Freiwilligen aus Cranz und Neuenfelde Nord jährlich. Sie häufen sich im Sommer, so dass die Boote in der warmen Jahreszeit im Schnitt zweimal im Monat heraus müssen. Mit etwas Glück fallen die Verunglückten bei Hochwasser ins Mühlenberger Loch – bei Ebbe müssen die Retter erst nach Finkenwerder.