Harburg. Bevor an der Schloßstraße gebaut werden kann, gehen die Archäologen ans Werk. Die Geschichte des Ortes macht sie zuversichtlich.
- Archäologen haben wieder ihr Zelt im Harburger Binnenhafen aufgeschlagen
- Das Ausgrabungsprojekt „Weißer Schwan“ kostet fast 600.000 Euro
- Große Pumpen kämpfen permanent gegen das Grundwasser an
An der Harburger Schloßstraße, Ecke Kanalplatz wird gerade ein riesiges Zelt aufgebaut. Es wird zwei große, rechteckige Flächen überdachen, auf denen Archäologen einen weiteren Teil der Harburger Stadtgeschichte ausgraben wollen. Die wissenschaftliche Arbeit im Projekt „Weißer Schwan“ startet Mitte Juli.
Kay-Peter Suchowa vom Archäologischen Museum Hamburg (AMH) freut sich, dieses geschichtsträchtige Areal untersuchen zu können. Irgendwann soll hier gebaut werden. Doch der Bereich liegt in einem Grabungsschutzgebiet. Das heißt, es müssen zuerst archäologische Funde geborgen werden, bevor sie durch die Bebauung nicht mehr erreichbar wären.
Harburger Stadtgeschichte: An dieser Stelle übernachtete einst der König
An der prominenten Stelle im Harburger Binnenhafen stand einst der Gasthof „Weißer Schwan“. Er zählte zu den renommiertesten Hotels in Harburg, war im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, aber dennoch weiter genutzt worden. 1965 folgte der Abriss. Reste seiner Südwand wurden bei den vorbereitenden Bauarbeiten bereits freigelegt. Sie befinden sich in dem Grabungsbereich, der für die Archäologen Neuland ist, auf der südlichen Seite neben dem Gebäude der Technischen Universität.
Auf der anderen, zur Straße Kanalplatz gerichteten Fläche gab es im Jahr 2001 schon einmal eine Untersuchung. „Damals sind wir unter Leitung meines Kollegen Mustafa Altun bis zu einer Tiefe von 1,60 Meter gekommen. Dann mussten wir abbrechen, weil das Grundwasser zu hoch stand“, sagt Suchowa. Bei dieser Ausgrabung, deren beide Bereiche zusammen 480 Quadratmeter umfassen, wollen die Forscher die Harburger Geschichte bis zu einer Tiefe von 2,80 Meter freilegen.
Insgesamt wird ein zwölfköpfiges Team, darunter zwei studentische Hilfskräfte, am Werk sein. Zusammen mit kreuzförmigen Stegen, die stehen bleiben sollen, um Längsprofile zu erhalten, umfasst das Untersuchungsgebiet 540 Quadratmeter. „Wir haben elf Monate Zeit“, so Suchowa. „Das ist angesichts der großen Fläche sehr sportlich.“
Spundwände und Pumpen verhindern, dass die Ausgrabungsstätte absäuft
Drei Monate lang wurde die Grabung vorbereitet. Mit aufweniger Technik wurden Spundwände in den Boden vibriert, die gemeinsam mit Lanzenpumpen das Grundwasser aus den potenziellen Fundgruben heraushalten sollen. Große Stahlrohre stabilisieren die Umrandung im matschigen Hafenboden. Zudem befindet sich ein Bombentrichter auf dem Grundstück. Ein Tauchereinsatz, der mit einem großen Betonring abgesichert wurde, war nötig, um Bombenreste zu bergen.
Allein diese grundlegenden Arbeiten haben rund eine Million Euro gekostet, so Suchowa. Hinzu kommen ein vorangegangenes Fachgutachten zur Grundwassersituation (83.000 Euro) und das Abfahren des überschüssigen, als belastet eingestuften Bodens (180.000 Euro). Die wissenschaftlichen Kosten sind mit 577.000 Euro kalkuliert.
Im Weißen Schwan übernachtete sogar der König
Suchowa geht davon aus, dass sich der finanzielle Aufwand lohnt. Das vermutlich aus dem 17. Jahrhundert stammende Fachwerkgebäude vom Weißen Schwan war mindestens seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nachgewiesenermaßen ein Gasthaus. „Eine noch ältere gastronomische Nutzung wäre relativ gut erkennbar an Überresten von Trinkgeschirr, etwa Bierkrügen“, so Suchowa.
Offenbar bewirtete der Gasthof eher Gäste aus den oberen Gesellschaftsschichten. 1806 wurde dort sogar der Leichnam des Herzogs von Braunschweig aufgebahrt, und 1846 nächtigte König Ernst August von Hannover im Weißen Schwan. Der Archäologe erwartet generell „gehobenes Fundgut“, zum Beispiel Scherben von Porzellan aus China und von niederländischen Fayencen (kunsthandwerkliche Keramiken). Dafür spreche auch die unmittelbare Nähe zum benachbarten ehemaligen Rathaus aus dem 16. Jahrhundert und zur Festung auf der heutigen Schlossinsel.
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Weitere potenzielle Fundstücke sind Pilgerzeichen. Sie stammen hauptsächlich aus dem 14. und 15. Jahrhundert und wurden von Pilgern als Abzeichen an Kleidung oder Hüten getragen. Suchowa: „Entlang der Harburger Schloßstraße wurden die zweitmeisten Pilgerzeichen in Deutschland gefunden. Nach Stade.“ Und natürlich können, in unmittelbarer Nähe zur Festung, auch Waffen und Rüstungsteile zum Vorschein kommen. Auch von ihnen wurde bei vorangegangenen Grabungen an der Harburger Schloßstraße, der Entwicklungsachse des mittelalterlichen Harburg, sehr viele Fundstücke geborgen.
Bei der bislang umfangreichsten Grabung an der Harburger Schloßstraße wurden 2012 bis 2014 in einem der seinerzeit größten Ausgrabungsprojekte insgesamt 36.000 Funde inventarisiert und mehr als 2000 Quadratmeter Fläche bearbeitet. Sie befand sich auf einem Teil des Areals, auf dem heute die schwarzen Wohnhäuser stehen. Wenn die aktuelle Grabung wie geplant in einem Jahr abgeschlossen sein wird, wird dagegen wohl erst einmal wieder Gras über die Baufläche wachsen. Ein konkretes Projekt ist noch nicht absehbar.