Harburg. Bezirk treibt städtische Fördermittel für Grabungen an der Ecke Schloßstraße auf, die potenzielle Investoren entlasten.
Eifrig treibt der Bezirk den Wohnungsbau im Harburger Binnenhafen voran, doch ein Filetstück bleibt bislang unberührt: Auf dem stadteigenen Grundstück an der Harburger Schloßstraße/Ecke Kanalplatz wachsen weiterhin Büsche und Bäume.
Die historisch wertvolle Fläche enthält Bodendenkmäler, die vor einer Bebauung erforscht und gesichert werden müssen. Dafür hat der Bezirk nun eine Geldquelle gefunden: Er geht davon aus, dass die Hälfte der Grabungskosten aus dem Stadtentwicklungs-Programm RISE finanziert werden können. Das geht aus einer Antwort des Bezirks auf eine Anfrage der CDU-Fraktion hervor.
Einstmals stand hier das Gasthaus zum weißen Schwan und nördlich davon an der Harburger Schloßstraße das erste Harburger Rathaus. „Der Bereich ist historisch hoch interessant. Was uns erwartet, zeigen die reichen Funde der Grabungen an der schräg gegenüber liegenden Seite der Schloßstraße“, sagt der Direktor des Archäologischen Museums Hamburg (AMH) in Harburg, Rainer-Maria Weiß. „Wir werden auf dem gesamten Grundstück bis vier Meter unter Gehsteigkante graben müssen.“
Vor knapp 20 Jahren seien dort erste archäologische Untersuchungen gestartet worden, so Weiß. Doch sie schauten nicht einmal einen Meter tief in den Boden hinein: „Es gab Probleme mit dem hoch stehenden Grundwasser. Deshalb ging das Geld aus, und die Grabungen wurden abgebrochen.“ Jetzt werde erst gegraben, wenn eine konkrete Baumaßnahme anstehe, sagt Weiß.
Nach dem Rahmenplan des Bezirks soll auf der Fläche und den angrenzenden Grundstücken eine sogenannte Blockrandbebauung – mehrgeschossige Gebäude mit Innenhöfen – errichtet werden. Doch die Notwendigkeit, den Baugrund zuvor archäologisch untersuchen zu lassen, machte die Nutzung des Grundstücks bislang unwirtschaftlich. Nach Kalkulation des AMH ist mit Gesamtkosten von 870.300 Euro und einer Grabungsdauer von höchstens elf Monaten zu rechnen.
Der Bezirk geht nun davon aus, dass ein potenzieller Investor diese Kosten nur zur Hälfte tragen müsste: Die Stadtentwicklungsbehörde habe die Förderung von 50 Prozent der Gesamtkosten aus dem RISE-Förderprogramm in Aussicht gestellt, heißt es in der Stellungnahme zur CDU-Anfrage – „unter der Voraussetzung der Wiederherstellung des historischen Stadtgrundrisses“.
Dieser bestand bis zur Bombardierung des Stadtteils im Jahr 1944 aus einer weitgehend geschlossenen Bebauung entlang der Schloßstraße und des Kanalplatzes. Sie soll nun erneut entstehen, wenn auch „in moderner Architektur, die die Parzellenstruktur berücksichtigt und die historischen Gebäudekanten herausbildet“.
Museumsdirektor Weiß hat damit keine Probleme: „Harburg ist kein Freilichtmuseum. Sie können in heutiger Zeit keine Fachwerkhäuser errichten, das ist unwirtschaftlich. Außerdem sprengt schon das Thörlgebäude alle Dimensionen der historischen Schloßstraße.“ Das 1920 errichtete Verwaltungsgebäude des Ölfabrikanten Thörl ist eines der Schmuckstücke der Straße.
Wie schnell ein Investor gefunden wird, der sich das Filetstück am Kanalplatz unter den gegebenen Bedingungen sichern will, ist schwer abzusehen. Der Bezirk erarbeitet derzeit einen maßgeschneiderten Bebauungsplan (Harburg 72) für das Gebiet am Kanalplatz. Im ersten Quartal 2018 ist eine erste Beteiligung der Öffentlichkeit geplant.
Im Herbst 2018 könnte der Plan öffentlich ausgelegt und bis Sommer 2018 beschlossen werden. Wann immer es losgeht, die Archäologen sind bereit: „Wir brauchen drei Monate Vorlauf, um mit den Arbeiten zu beginnen“, sagt Weiß.
Weißer Schwan
Im 19. Jahrhundert stand an der Ecke Kanalplatz/Schloßstraße
das stattliche Gasthaus Weißer Schwan. 1813 ist der Eigentümer Andreas Holtermann erstmals im Hamburgischen Adressbuch als „Gastwirtschaft im weißen Schwan“ verzeichnet. Das Fachwerkhaus war zweigeschossig mit Halbwalmdach und nach beiden Straßenseiten ausgerichtet.
Der Gasthof war eines von mehreren Gasthäusern in der Nachbarschaft, bot aber eine Spezialität: Nach der Entdeckung einer Schwefelquelle anno 1821 richtete Holtermann auf seinem Hof eine Badanstalt ein, die mindestens bis 1851 existierte. Mit dem Bau der Elbbrücken (1872) verlor das Hotel- und Gaststättengewerbe an Bedeutung. Bombenangriffe im Jahr 1944 zerstörten das Gebäude und seine Nachbarn weitgehend.