Harburg. Wissenschaftssenatorin zeigt sich in Harburg begeistert von der Entwicklung der Technischen Universität. Wie es nun weitergeht.
Aufbruchstimmung an der Technischen Universität Hamburg (TUHH) auf dem Schwarzenberg-Campus: Nach einer gutachterlich festgestellten sehr erfolgreichen ersten Wachstumsphase der Universität spricht alles dafür, dass die Hamburger Politik sehr bald zusätzliche Mittel für die zweite fünfjährige Wachstumsperiode bis 2028 beschließen wird. Das zeigte sich am Dienstag bei einem Besuch der Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne), ihrer Staatsrätin Eva Gümbel (Grüne) und des Wissenschaftsausschusses der Bürgerschaft.
Zunächst ließen sich die Gäste auf einem Rundgang Highlights aus Forschung und Lehre der TUHH zeigen. Sie bestaunten den Rennwagen mit Elektromotor Modell egn22, den mehr als 80 Studierende aus verschiedenen Ingenieurfächern gemeinsam entworfen und gebaut haben. Das Fahrzeug kann je nach Bedarf gesteuert werden oder autonom fahren. Das TU-Team namens e-gnition trat bei der „Formula Student“, dem größte Ingenieurswettbewerb der Welt, an und sicherte sich bei seinem ersten Auftritt von egn22 auf dem Red Bull Ring in Spielberg (Österreich) in den Kategorien Effizienz und Reichweite sowie in der Gesamtbewertung jeweils zweite Plätze.
Innovationen und Anwendungen, die weltweit einzigartig sind
Weitere Stationen des Rundgangs waren Roboterfahrzeuge, Medizintechnik und ein Besuch im Technikum. In der großen Halle können neue Produktionsprozesse im industriellen Maßstab nicht nur (wie in vielen anderen Technischen Universitäten) am Computer simuliert, sondern in annähernd realer Größe experimentell erforscht werden. Die „Stars“ der Thermischen Verfahrenstechnik sind die Aerogele. Sie bestehen zu 99.8 Prozent aus Luft, verhalten sich aber nicht wie Schaum, sondern sind ein festes, poröses Material mit minimalen Porengrößen. „Aerogel ist der bisher leichteste bekannte Feststoff und hält 14 Einträge im Guinness Buch der Weltrekorde“, sagte Prof. Irina Smirnova, die die Aerogele an der TUHH so weit entwickelt hat, dass hiesige Herstellungsverfahren und Anwendungen weltweit einzigartig sind.
Die Eindrücke von diesen und weiteren anschaulichen Erfolgsbeispielen nahmen die Politiker mit in die Sitzung des Wissenschaftsausschusses, der ausnahmensweise in der TU tagte. Denn die Bilanz der ersten Wachstumsphase und der Ausblick auf die vorgesehene zweite Wachstumsperiode bildeten den Themenschwerpunkt dieser ungewöhnlichen Sitzung unter Leitung des Ausschussvorsitzenden Sven Tode und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank. Die gratulierte dem Präsidium der TUHH zur ersten „sehr gelungenen Wachstumsphase“. Sie habe gerade „ein wahres Feuerwerk“ an Spitzenforschung erlebt, „mit vielen echten Alleinstellungsmerkmalen“.
Ein Manko: Der mit elf Prozent relativ niedrige Anteil an Professorinnen
Es folgte ein Vortrag vom Präsidenten Andreas Timm-Giel zur aktuellen Situation der TUHH. Sie habe die an den Wachstumsbeschluss geknüpften Erwartungen weitgehend erfüllt. So sei die Zahl der Professoren von 94 im ersten Wachstumsjahr 2018 auf heute 108 angewachsen. Weitere Berufungsverfahren seien auf dem Weg, so Timm-Giel – im Wachstumskonzept war ein Plus von 15 Professuren anvisiert. Den Präsidenten freut es besonders, dass mehrere Professuren zusammen mit dem Desy, dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum oder der Fraunhofer Gesellschaft vergeben wurden und die Kooperation mit der Universität Hamburg verstärkt wurde. Die TUHH sei für andere Einrichtungen deutlich attraktiver geworden, werde in der Forschungslandschaft nun wahrgenommen.
Ein Manko bleibt der mit elf Prozent relativ niedrige Anteil an Professorinnen. Dies war einer der wenigen Kritikpunkte aus dem Ausschuss. Die TUHH habe verschiedene Instrumente ausprobiert, um den Frauenanteil zu erhöhen, antwortete Timm-Giel. Aber es gebe in den Ingenieurwissenschaften generell sehr wenige Professorinnen. Das mache die gezielte Akquise sehr schwer. Immerhin habe die TUHH mit 28 Prozent einen relativ hohen Anteil an weiblichen Studierenden. Mit gezielter Nachwuchsförderung lasse sich das Problem vielleicht langfristig aus den eigenen Reihen lösen.
3000 Quadratmeter Fläche fehlen der TUHH aktuell
Ein zweiter Mangel sind die Räumlichkeiten, deren Zuwachs nicht mit dem der Professoren mithielt. Mit Blick auf die längst erfolgte Inbesitznahme des ersten Bauabschnitts vom Hamburg Innovation Port (HIP), der inzwischen ausschließlich an die TUHH vermietet ist, sowie zusätzliche Anmietungen im Binnenhafen inklusive des noch nicht bezugsfertigen Palmspeichers, sagte Timm-Giel: „Wir haben jetzt angemietet, was es zu mieten gab. Dennoch fehlen uns noch 3000 Quadratmeter Fläche bei der Umsetzung der ersten Wachstumsphase.“
Die Raumfrage sei ein Cliffhanger (offener Ausgang einer Episode) beim Wachstumskonzept, sagte auch Fegebank. Ihre Behörde und die TUHH setzen vor allem auf den zweiten Bauabschnitt des HIP und sind im Gespräch mit dem Investoren Arne Weber (HC Hagemann). „Wenn wir als Ankermieter für die Hälfte der Fläche dienen, könnte HC Hagemann ins Risiko gehen“, hofft Timm-Giel.
Attraktive neue Studiengänge wie Grüne Technologien und Wirtschaftsingenieurwesen
Ebenfalls verbesserungswürdig sind die Studierendenzahlen. Sie lagen am Jahresende 2022 bei 7277. Im Jahr 2019 war die Zahl noch höher (7861), doch dann kam Corona. Mit attraktiven neuen Studiengängen wie Grüne Technologien und Wirtschaftsingenieurwesen sei es 2022 gelungen, die Zahl der Studienanfänger um zehn Prozent zu steigern und damit die Corona-Delle ein wenig aufzufangen, sagte der Präsident.
Mit dem 2018 beschlossenen fünfjährigen Wachstumskonzept hat die Stadt die Grundfinanzierung der Technischen Universität jährlich um 3,8 Millionen Euro erhöht. Jetzt erhält sie 19 Millionen Euro mehr – ein Plus von rund 25 Prozent im Vergleich zu 2018. „Die TUHH steht heute besser da denn je“, sagte Katharina Fegebank und lobte das „außerordentlich gute Management“ der TU.
Die Senatorin kündigte an, auch für die zweite Wachstumsperiode einen „Aufwuchs von um und bei 25 Prozent“ einplanen zu wollen. Sie kann dabei mit der Unterstützung durch die Bürgerschaft rechnen. Zumindest deren Wissenschaftsausschuss zeigte sich beeindruckt und begeistert von der technischen Talentschmiede im Süden der Stadt.