Hamburg. Das Aparthotel PHNX in Harburg setzt eigentlich auf Digitalisierung. Und doch rumpelt dort nun wieder ein historischer Paternoster.

Nostalgie trifft Moderne: Das Aparthotel PHNX gegenüber dem Harburger Bahnhof bietet Kurz- und Langzeitapartments, digitales Einchecken, schlüssellose Türen, Smart-TVs, Ultraschnelles Internet und in der „Sky Lounge“ im vierten Stockwerk einen Co-Working-Bereich zum Arbeiten. Doch wenn die Gäste in das frühere Verwaltungsgebäude des Phoenix-Werks eintreten, werden sie schon bald das Rumpeln eines uralten Paternosters im Treppenhaus hören. „Wir werden den Paternoster kommende Woche wieder in Betrieb nehmen“, sagt Hotelchef Björn Wendt.

Erst seit drei Monaten führt Wendt das Hotel. Als er kam, stand der alte Umlaufaufzug, so der technische Name, still. Dabei war der Paternoster zum Hotelstart Anfang 2020 wieder in Betrieb genommen worden. Weshalb er im Herbst 2022 nicht mehr lief, ist Wendt nicht bekannt. Er wollte sich mit dem Stillstand nicht abfinden und beschloss, die historische Aufzugsanlage wieder laufen zu lassen.

Hotel Hamburg: Paternoster sind deutlich risikoreicher als normale Aufzüge

Dazu war einiger Aufwand nötig. Denn die Personen-Paternoster sind deutlich risikoreicher als normale Aufzüge – ein Lifthersteller spricht von einer 30-fach erhöhten Unfallgefahr beim Ein- und Aussteigen. Neue Paternoster dürfen deshalb seit 1974 nicht mehr gebaut werden – die rund 150 Jahre alte Technik droht allmählich auszusterben. Die wenigen historischen Aufzüge, die noch in Betrieb sind, laufen meist bei Behörden oder in Unternehmen, in denen nur die Mitarbeiter die offenen Kabinen betreten dürfen.

Ein Blick auf das Zahnrad des Paternoster-Antriebs am oberen Wendepunkt.
Ein Blick auf das Zahnrad des Paternoster-Antriebs am oberen Wendepunkt. © Hillmer/HA | Angelika Hillmer

Vor gut 100 Jahren wurde Hamburg zur Paternoster-Hauptstadt. Anno 1885 wurde hier der erste (dampfgetriebene) Personen-Paternoster des Kontinents eingeweiht. Mitte der 1930er Jahre gab es in Deutschland fast 680 Aufzüge; gut die Hälfte rotierte in Hamburg. Heute sind in der Hansestadt keine 30 Aufzüge übrig geblieben. Darunter der 1907/08 erbaute Paternoster im Flügger­haus am Rödingsmarkt. Er soll die älteste erhaltene Paternosteranlage der Welt und die einzige ihrer Bauform in Deutschland sein.

40 Jahre lag die Rarität vergessen hinter einer Wandverschalung und wurde vor ein paar Jahren zufällig wiederentdeckt. Im September 2021 ist der Paternoster wieder in Betrieb gegangen. Ein weiterer befindet sich im Finanzamt Harburg am Harburger Ring und verbindet dort fünf Stockwerke (Baujahr: 1955). Aber wie viele andere ist auch er nicht öffentlich und steht nur den Finanzbeamten zur Verfügung. Zudem ist die Anlage gerade außer Betrieb.

Hotel Hamburg: Paternoster steht unter Denkmalschutz

Bei PHNX an der Hannoverschen Straße geht im ehemaligen, 1929/30 erbauten Phoenix-Gebäude der Betrieb nun wieder los. In zwölf Kabinen werden Hotelgäste und -personal über maximal sechs Stockwerke transportiert. Der Umlaufaufzug steht unter Denkmalschutz. Das kann zu leichten Verwirrungen führen. So muss im Erdgeschoss der uralte Hinweis „2. Geschoss“ erhalten werden. Er deutet darauf hin, dass zu Zeiten der Phoenix-Werke weiter unten angesetzt wurde. Ein bis zwei Personen passen in eine Kabine. „Der TÜV hat die Anlage bereits abgenommen, und auch das Amt für Arbeitsschutz war hier“, sagt Hotelmanager Wendt.

Damit abenteuerlustige Gäste gefahrlos zu ihren Betten kommen, hat Wendt ein Erklär-Video produzieren lassen. Es zeigt die richtige Benutzung des offenen Aufzugs. In deutscher Sprache und mit englischen Untertiteln. Der Film startet mit Allgemeinwissen: „Ein Paternoster-Aufzug bleibt nicht stehen, und das Ein- und Aussteigen erfolgt während der Fahrt.“ In einer knappen Minute wird beispielsweise erklärt, dass nur mobile Menschen, die ebenso gut die Treppe nutzen könnten, sicher Ein- und Aussteigen können. Auch dürfen kein großes Gepäck, Fahrräder oder Kinderwagen mitgenommen werden. Das Video wird auf einem Bildschirm im Erdgeschoss direkt am Paternoster abgespielt. Außerdem bekommen es alle Gäste bei der Buchung zugesendet.

Hotel Hamburg: So will der Chef Paternoster-Probleme verhindern

Die Hotelrezeption befindet sich im vierten Stock im Eingangsbereich der Sky Lounge. Um sicher zu gehen, dass nicht die falschen, etwa angetrunkene Personen den Paternoster betreten oder Gäste mit großen Koffern versuchen, in den kleinen Kabinen Platz zu finden, plant Wendt, einen Mitarbeiter im Eingangsbereich zu platzieren. Er soll im Zweifel die Gäste auffordern, den normalen Aufzug zu benutzen. „Wir werden den Paternoster nur in der Zeit, in der unsere Rezeption besetzt ist, fahren lassen, von sieben bis 22 Uhr“, sagt der Hotelmanager.

In einigen Tagen wird das historische Gefährt wieder seine rumpelnde Kette und knarrendes Holz hören lassen. „In den Räumlichkeiten in unmittelbarer Nähe der Wendepunkte oben und unten wird der Paternoster als Geräuschkulisse wahrnehmbar sein“, sagt Björn Wendt. Die betroffenen Apartments werden deshalb nicht an Gäste vergeben. Höchstens dann, wenn sein 225-Apartment-Haus komplett ausgebucht ist.

Aus dem Jahr 1864 stammt die erste dokumentierte Konstruktion eines Paternosters. Er hatte im Liverpooler „Oriel Chambers“ seine Fahrt aufgenommen, transportierte aber nur Fracht und keine Personen. 1876 wurde ein Paketaufzug mit einem ähnlichen Konzept in einem Postgebäude von London installiert. Konstrukteur Peter Hart entwickelte diesen zu einem Umlaufaufzug für Personen. Sein 1877 abgelegtes Patent über den „Cyclic Elevator“ kam 1884 erstmals in einem Londoner Bürogebäude zum Einsatz. Dies gilt als Geburtsstunde des Paternosters.

Der Name Paternoster ist lateinisch und bedeutet unser Vater oder Vaterunser und steht in religiösem Zusammenhang: Seine Kabinen sollen so geschmeidig durch die Stockwerke wandern wie ein Rosenkranz über die Hand von Gläubigen.